Drei Bären fressen den Premierminister auf

Der britische Autor Stuart Heritage schreibt 24 satirische „Gutenachtgeschichten für alle, die sich vor Populisten gruseln“ voller Fantasie und Sprachwitz

Von Rainer RönschRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rainer Rönsch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Gutenachtgeschichten werden angeblich nur Kindern bis zum Alter von etwa zwölf Jahren erzählt. Der britische Autor Stuart Heritage hat seine 24 satirischen Geschichten samt Prolog eindeutig für Erwachsene geschrieben. Für Leser, die sich für den Weltenlauf nicht nur interessieren, sondern an ihm kranken. Seine Geschichten gehen gut aus – für die Guten. Nicht also für Premierminister, Präsidenten und andere Fieslinge. Ihnen rückt der Autor mit überbordender Fantasie und bissigem Sprachwitz zu Leibe.

Die meisten Attackierten kennt man. Und wenn ein gewisser David Davis vorkommt, versteht man die Pointe auch, ohne zu wissen, dass der Mann einst britischer Minister fürs Austreten war. Mit Zuständigkeit nicht für WCs, sondern für den Brexit. Der spielt natürlich eine Rolle in diesem Buch, das für britische Leser geschrieben wurde. Auch hierzulande freut man sich, wenn David Cameron für das übermütige und folgenschwere Referendum ebenso sein Fett abbekommt wie Boris Johnson für Hohlschwätzen und Mangel an Rückgrat.

Drei Bären fressen den Premierminister auf. Damit wird ein mehrfach verwendetes Stilelement klar: Verfremdung von Märchen bis zur Verkehrung ins Gegenteil des Originals. Hänsel wird von der Nicht-Hexe belehrt, dass sie mit ihrer „Großskulptur Lebkuchenhaus“ auf die Fragilität der Nahrungskette hinweist. Einer Sexpuppe mit künstlicher Intelligenz widerfährt von einem bekehrten Mann endlich Gerechtigkeit aus feministischer Sicht. Ein Text über Trumpelstilzchen erschließt sich nur Lesern ganz, die Paul Manafort als ehemaligen Wahlkampfmanager von Donald Trump kennen. Aber auch ohne dieses Wissen genießt man, wie dreist sich der Erzähler mit Wertungen einmischt. Angeblich spielt er sogar besser Golf als der König!

Das Lachen vergeht einem, wenn sich das britische Ehepaar Smith ein Frachtschiff kaufen muss, um der Demokratie eine Heimstatt zu geben, weil in zu vielen Ländern brutaler Nationalismus vorherrscht. Die Übersetzerin Eva Rugal bewährt sich auch beim Härtetest, indem sie gereimte Texte anmutig ins Deutsche bringt.

Nicht alle Geschichten reißen vom Hocker. In einem Zug sollte man sie sowieso nicht lesen. Jeden Abend vor dem Einschlafen eine – das dürfte die richtige Dosierung sein, solange es noch keinen Impfstoff gibt.

Titelbild

Stuart Heritage: Gutenachtgeschichten für alle, die sich vor Populisten gruseln.
Aus dem Englischen von Eva Regul.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020.
176 Seiten, 15,00 EUR.
ISBN-13: 9783462054712

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