Ein Märchen in Neuer Üppigkeit

Simone Meiers Roman "Mein Lieb, mein Lieb, mein Leben"

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Am liebsten wäre mir eine Stilrevolution mit dem Namen ,Neue Üppigkeit'", liest man einigermaßen erstaunt auf der Homepage der 30jährigen literarischen Debütantin Simone Meier. Die Fortschreibung des "Fräuleinwunders" lehnt die Kulturredakteurin des Züricher "Tages-Anzeiger" für sich entschieden ab. Stattdessen also "Neue Üppigkeit"!

Hinter diesem selbst inszenierten Subgenre verbirgt sich eine Mischung aus romantischen Sequenzen, adaptierten Märchen vergangener Epochen und die Beschreibung eines (letztlich gescheiterten) Selbstfindungsprozesses der weiblichen Protagonistin. Üppig ist nicht der Umfang des Romanerstlings "Mein Lieb, mein Lieb, mein Leben", sondern allenfalls Simone Meiers kunstvolle Sprache. Sie neigt zum weitschweifigen, detailverliebten Erzählen. Durch die alternierenden Handlungsebenen, durch die träumerischen Sprünge in die Vergangenheit erhält dieser Duktus seine Legitimation.

"Ich will opulente Geschichten schreiben, reich, farbig, morbid, mit großen Gefühlen, Blut und Tränen und viel Ironie." So hat Simone Meier ihr schriftstellerisches Credo beschrieben, und man darf ihr attestieren, ihrem eigenen Werk sehr nahe gekommen zu sein.

Die Geschichte handelt von der erfolgreichen Journalistin Lou. Sie hat Spaß an ihrem Job, macht berufsbedingt attraktive Reisen und könnte somit rundherum zufrieden sein. Doch den richtigen Mann hat sie noch nicht gefunden. Weder ein kokainsüchtiger Taugenichts noch der introvertierte Schriftsteller halten Lous Anforderungen stand. Auch der dritte Bewerber - ein Schauspieler mit herrschaftlichem Anwesen - fällt durchs Sieb. Vermutlich hätte sich Lou eine Mischung aus dem Trio gewünscht.

Auf den berechtigten Einwand, dass ihre Männerfiguren allesamt reichlich spleenig daher kommen, konterte Simone Meier in einem Interview: "Würde man die männlichen Figuren, die sich meine ungefähr gleichaltrigen, an sich sehr intellektuellen Kollegen ausdenken, zusammenführen, ergäbe sich wohl irgendetwas zwischen Kindergarten, Bonanza und Swingerclub."

Statt dessen lässt Simone Meier ihre Protagonistin immer wieder in das Leben ihrer Großmutter Verena zurückschweifen, der in den 30er Jahren eine adäquate Ausbildung versagt blieb und die deswegen als Model ihren Weg machte und als eine Art Prinzessin vom Land einige Jahre im mondänen Ascona lebte. Auch sie war häufig unglücklich verliebt, ehe sie dann - um ihrem unsteten Lebenswandel ein Ende zu setzen - einen Provinzfußballer ehelichte.

Nein, auf diesen Weg will sich Lou nicht begeben. Da hält sie es schon lieber mit den prominenten Vorbildern aus der Kunsthistorie - mit Rilke, Nietzsche und deren Liebhaberinnen Clara Westhoff, Paula Modersohn und Lou Andreas-Salomé. Ein bisschen Spannung und intellektuelle Kraftmeierei in einem undurchsichtigen Beziehungsgeflecht, darauf kann und will die unglücklich liebende Protagonistin nicht verzichten, denn bei ihr hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es die "eine große Liebe" für sie nicht gibt. Aus diesem Grunde ist der Geschichte auch kein Happy-End beschieden, wie der Titel des Schlusskapitels ("Zum Schluss kam endlich der Liebestod") schon nahe legt. Lou steht auf einem Friedhof und fleht die Großmutter an: "Oh, nimm mich mit."

Nichts leichter als das - schließlich haben wir gerade ein modernes Märchen gelesen, verfasst von einer geistigen Nachfahrin Hans Christian Andersens.

Titelbild

Simone Meier: Mein Lieb, mein Lieb, mein Leben.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2000.
231 Seiten, 17,80 EUR.
ISBN-10: 3455051502

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