Zuviel des Bösen?

Fabian Oppolzers Romandebüt „Kein böses Kind“ ist schlicht zu kurz

Von Simone Sauer-KretschmerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Simone Sauer-Kretschmer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Fabian Oppolzers Romandebüt „Kein böses Kind“ erzählt die Geschichte des Lehrers Nachtigall, der mit seinen Schülern eine Klassenfahrt nach Griechenland unternimmt, von der nicht alle Mitreisenden lebendig zurückkehren werden. Und auch Maria, Nachtigalls Frau, die seit ihrer Jugend vom Sterben träumt, schildert aus ihrer Sicht die Ereignisse, die ihr Lebenskonstrukt ins Wanken bringen, obwohl es auch schon zuvor von Unsicherheiten, Gewaltausbrüchen und einer tief sitzenden Verachtung gegenüber ihrem Adoptivsohn Paul geprägt war. Doch damit noch nicht genug: Oppolzer eröffnet auf knappen 175 Seiten weitere Einblicke in das desaströse Geschehen, indem er auch Nachtigalls Schüler zu Wort kommen lässt, wodurch der Roman über weite Strecken die zentrale Katastrophe am Ende des Schulausflugs umschifft, um auf dem Weg dorthin von einer Vielzahl (wenig alltäglicher) Störungen und Obsessionen zu berichten, die ein Ende mit Schrecken herausfordern.

Die Geschichte also ist spannend, und die einzelnen Handlungsstränge werden zunächst souverän zergliedert, um am Ende doch zusammenzutreffen und einen nun über die vermeintlichen Tatsachen aufgeklärten Leser zurückzulassen, der sich dennoch fragen muss, was hier eigentlich genau geschehen ist und wann er möglicherweise den Anschluss verpasst hat, um zu verstehen, wie aus Nachtigall der Verbrecher wurde, der er zweifelsohne ist. Diese leise Ratlosigkeit gegenüber dem Text ist zum einen natürlich stilistisch bedingt, denn die bleibenden Zweifel sind bewussten Auslassungen und einem fragmentarischen Erzählstil geschuldet, der zwar funktioniert, aber dennoch einen Haken hat: Oppolzers Romanfiguren bleiben durchweg nebulös und unerkannt, auch weil sie mehr Schablonen denn Charaktere sind, die allzu typischen Handlungsmustern folgen, so als würden sie selbst einem Lebens-Drehbuch gehorchen, das ihnen vorschreibt, welcher Schritt als nächstes folgt. Zu plötzlich reihen sich da kleines und großes Unheil aneinander, besonders als aus einem Gespräch zwischen Lehrer und Schülerin kurzerhand eine Vergewaltigungsszene entsteht, deren Konsequenzenlosigkeit verwirrt und ein Stück weit unglaubwürdig erscheint. Und das ist schade, denn während man sich häufig genug wünscht, dass manch ein Roman mit weit weniger Seiten hätte auskommen mögen, erhofft man sich von Fabian Oppolzer schlicht mehr Zeit in Form von weiteren Sätzen mit Nachtigall, Maria und den anderen, die die angedeuteten Psychogramme seiner ganz nah am Rand der Verzweiflung stehenden Akteure weiter ausgearbeitet hätten.

Titelbild

Fabian Oppolzer: Kein böses Kind. Roman.
Luftschacht Verlag, Wien 2013.
175 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783902844187

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