Meisterin der kleinen skurrilen Form

Mit „Danke, dass ich kommen durfte“ liegt ein neuer Kurzgeschichtenband von Lorrie Moore vor

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die amerikanische Schriftstellerin Lorrie Moore (geb. 1957) überrascht ihre inzwischen zahlreiche Leserschaft mit scharfsinnigen und faszinierenden Short Stories. Nun ist im Berlin Verlag mit „Danke, dass ich kommen durfte“ eine Auswahl mit acht neuen Kurzgeschichten erschienen, die sich, wie man es von der Autorin gewohnt ist, wieder zwischen Tragik und Komik bewegen.

Häufig werden ihre Figuren einem heilsamen Gelächter ausgesetzt, ohne sie jedoch der Lächerlichkeit preiszugeben – immer knapp am Abgrund, aber nicht darüber hinaus. Die Liebe ist das Thema dieser Geschichten. Es sind meist klassische Partnerkonstellationen, aber die Liebe endet meist unausweichlich in Tränen und Sarkasmus. Da begegnet uns in der Auftaktgeschichte „Verbellt“ (gleichzeitig die längste Geschichte der Auswahl) Ira (Männername), der schon seit sechs Monaten geschieden ist, und seinen Ehering nicht vom Finger bekommt. „Vielleicht sollte ich gleich die ganze Hand abnehmen lassen“, verrät er seinem Freund Mike. Bei der anschließenden Partnersuche lernt er die geschiedene Kinderärztin Zora kennen, die einen sechzehnjährigen Sohn namens Bruno hat, der für sein Alter aber noch ganz eng an seiner Mutter hängt, die ihm selbst mit erotischen Knabenskulpturen huldigt.

„Der Wacholderbaum“ ist eine kurze und besonders verworrene Geschichte über das Ende einer todkranken Theaterautorin, die ihren letzten Abend skurril inszeniert. In „Nicht realisierte Verluste“ müssen Kit und Rafe, die sich vor 20 Jahren bei der Friedensbewegung kennengelernt hatten, erkennen, dass sich ihre „alte lustvolle Liebe“ inzwischen zu Wut gewandelt hat. Während er unten im Keller an seinen Modellraketen bastelt, erhält sie oben per Post die Scheidungspapiere. Trotz jahrelangem Ehekrieg besteht Kit jedoch auf den gemeinsamen Familienurlaub in der Karibik, um nicht irgendeiner „Schlampe“ das Flugticket zu überlassen.

In „Feinde“ lernen wir den älteren „Schreiberling“ Bake und seine Frau Suzy auf einer Spendengala kennen, wo er mit einer attraktiven Frau flirtet – und das bei einem Disput über die nächsten Präsidentschaftswahlen. Dabei stellt sich heraus, dass die „böse Lobbyistin“ ein 9/11-Opfer ist. In der Titel- und Schlussgeschichte spielt der DJ Ian auf der Hochzeit seiner Ex-Freundin Maria und trägt dabei ein T-Shirt mit der Aufschrift „Danke, dass ich kommen durfte“. Plötzlich tauchen auf der Landhochzeit ungebetene Gäste auf, eine bedrohliche Biker-Truppe, bis sich herausstellt, dass man auf der falschen Party gelandet ist.

Lorrie Moore erweist sich wieder als einfühlsame, scharfsinnige und dabei unbekümmerte Beobachterin. Mit lakonischem Stil, schwarzem Humor und immer neuen überdrehten Einfällen betrachtet sie die absurden Seiten ihrer Heldinnen und Helden – von Scheidungskindern, Waisen, alleinerziehenden Müttern bis zu Paaren in der Ehekrise. Die außergewöhnlichen Short Stories sind kurze Einblicke in ihr meist verfehltes Leben. Sie gehören zum Besten der zeitgenössischen amerikanischen Kurzprosa.

Titelbild

Lorrie Moore: Danke, dass ich kommen durfte. Storys.
Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Frank Heibert.
Berlin Verlag, Berlin 2015.
207 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783827011978

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch