Camouflageschlappen

Elke Naters ist in "G.L.A.M." ehrlich königlich

Von Heike SchmittRSS-Newsfeed neuer Artikel von Heike Schmitt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In meinem Kopf: nur noch ein Wort - Camouflageschlappen. Ich denke nur noch an gut getarnte Fußbekleidung, Nudelsuppen und Chinaseide. Auf der Lesung von Stuckrad-Barre hatte der doch glatt ein Camouflageshirt an - mit Glitzer. Elke Naters würde es mögen, vielleicht hat sie es ihm sogar geschenkt, dem B. Ich besitze eine Camouflagetasche mit knallrotem Innenfutter, von H&M, das ist o.k. Elke Naters' Lieblingskleid sitzt perfekt am Hintern, muss meine Tasche nicht leisten, und ist auch von H&M, also.

Elke Naters weiß von Roland Barthes: "Dadurch, daß die Bedeutung der Mode, über ihre eigentliche Bestimmung, zu verhüllen und zu verkleiden, hinausgeht, eine nichtstuerische, luxuriöse Mode, deren alleiniger Verdienst es ist, sich als reine Form zu erklären, gehört sie in diesem Sinne zur Literatur."

Das ist gut und erklärt, geradezu entschuldigend, den Naters'schen Zustand zwischen Blume, Busen, Bikini, Bett und BH. "G.L.A.M." ist alles - Elke Naters hält ihr Leben fest, zwischen Bangkok und Berlin, auf Fotos und auf Papier. Es ist, wie das Tagebuch der besten Freundin lesen, allerdings hätte die nicht die darin vorkommenden Namen von Freunden und Bekannten mit ihrem Anfangsbuchstaben abgekürzt. Das stört mich beim Kriechen in Elke Naters' Hirn. Doch in der nächsten Gehirnwindung, kurz vorm kaufgierigen Großhirn, bin ich schon wieder versöhnt, weil ich bei der Vorstellung von ohrensäubernden kleinen Mädchen, die kichernd Naters' Nägel lackieren, lachen muss.

Da hat sie doch ein feines Leben in Bangkok. Und so viele Freunde. Und so nette Parties. Und süße Kinder. Und einen Mann mit durchtrennter Sehne im Zeh. Gemeinsam essen sie auffällig viel Nudelsuppe - gerne nach Shoppingtouren. Darüber schreibt sie in "G.L.A.M" - und zweifelt doch im Grunde selbst daran, dass es jemanden interessieren könnte, was sie so den ganzen Tag kauft, denkt, erlebt, isst - und wen sie beneidet: "Kaum zu verstehen, daß Tagebücher meistens so gnadenlos langweilig sind. [...] Man kratzt sich mit den Fingernägeln den Zahnstein ab, macht sich Gedanken über den Pimmel seines Sohnes, denkt Schlechtes über die Freundin, vergleicht sich, denkt schlecht über sich selbst. [...] Nur, daß man das nie aufschreibt." In "G.L.A.M." durchbricht Naters gerne mal den mit Blümchenranken verzierten Rand der Tagebuchmoral. Da lesen wir nicht nur Gedanken einer treu sorgenden Mutter, besten Freundin, liebevollen Ehegattin und guten Tochter. Elke Naters ist böse, faul, missgünstig und will das perfekte Abendkleid.

Einige M-Punkte und A-Punkte könnten das Weite suchen, fällt ihnen erst mal das neueste Machwerk ihrer holden Freundin in die Hände, durchzogen von gemeinen Zickereien und unliebsamen Charakterstudien ihrer Lieben. Das können sie in gemeinsamen Surftrips bei ampool.de austragen, dem Cyberspace der Popliteraten. Hier veröffentlichte Elke Naters auch bereits Spots aus "G.L.A.M." Dabei sollte nur Frauen Zugang zu Naters' Gehirn gestattet sein. Männer fühlen sich, zu Recht, in ihrem Erstaunen und Kopfschütteln über ihre Freundinnen, Ehefrauen und Lebensabschnittsgefährtinnen bestätigt: "Die Hose von Ayzit Bostan, die E. und C. mir zum Geburtstag geschenkt haben, ist perfekt, rutscht aber hinten immer bis zur Arschfalte runter. Ich trage sie gutwillig, muß aber einsehen: Geht so nicht. Sitzt Scheiße. Auch mit dem besten Willen."

"G.L.A.M." tut gut, weil es ehrlich ist. Ohne Schnörkel und nicht in Schönschrift, was Mädchen doch sonst am besten können. Elke Naters ist eine genaue Beobachterin ihrer selbst und ihres Umfelds. Nach "G.L.A.M." wird man sie lieben oder hassen, das ist auf jeden Fall ein klares Urteil. Ich jedenfalls hoffe sie am Wühltisch zu treffen, wo wir uns um das letzte Paar rosa Camouflageschlappen prügeln werden.

Titelbild

Elke Naters: G.L.A.M.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001.
160 Seiten, 20,40 EUR.
ISBN-10: 346202969X

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