Schaumbad für Ingeborg Bachmann

Adolf Opel berichtet über die gemeinsamen Reisen mit der Dichterin

Von Heike HaufRSS-Newsfeed neuer Artikel von Heike Hauf

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im Jahr 2001 wäre Ingeborg Bachmann, deren Nachlass noch bis 2025 gesperrt ist, 75 Jahre alt geworden. Vor über dreißig Jahren unternahm sie gemeinsam mit Adolf Opel eine Reise nach Ägypten, die für ihr Werk nicht ohne Folge blieb. Das Romanfragment "Der Fall Franza", die Darstellung des seelischen Mordes eines Mannes an seiner Frau, die daraufhin während einer Ägyptenreise mit ihrem Bruder den Tod sucht, verarbeitet gemeinsame Reiseerlebnisse. Ingeborg Bachmann, die von der gescheiterten Beziehung zu Max Frisch traumatisiert war, empfand diese Reisezeit wohl als Glücksfall, und zeitweilig glaubte sie sich schon auf dem Weg der Heilung. Der jüngere Adolf Opel war ihr ein Partner, mit dem sie sich Unbeschwertheit leisten konnte.

Als Adolf Opel im Januar 1964 nach Berlin kam, hatte er eine Besucherliste mit Kulturschaffenden aus Österreich mitgebracht, darunter Ingeborg Bachmann. Obwohl Opel wenig Lust auf eine Begegnung mit der als schwierig geltenden österreichischen Lyrikerin verspürte, von der er zu diesem Zeitpunkt, wie er zugab, noch wenig gelesen hatte, kam es in Berlin zu einem ersten Treffen. Sie saßen beim Tee, der junge Adolf Opel und die Dichterfürstin Ingeborg Bachmann, deren Aufenthalt von der Ford-Foundation in Berlin gefördert wurde. Opel wusste zu diesem Zeitpunkt fast nichts von seinem Gegenüber, auch von der gescheiterten Beziehung zu Max Frisch nicht. Die beiden kamen sich in einem Vakuum von belanglosen Plaudereien und beim Hören von Vivaldi oder von Chopin-Etüden näher. Sie beschlossen, die bevorstehenden Reisen Opels nach Prag und Ägypten gemeinsam zu unternehmen. Opel war von Bachmann beeindruckt und schätzte sie als eigenständige Persönlichkeit, der er wohl auch imponieren wollte.

Eine Woche nach ihrem Kennenlernen reisten Opel und Bachmann gemeinsam nach Prag, zuerst mit dem Auto; doch den vereisten Oststraßen waren weder Ingeborg Bachmanns Fahrstil noch ihr Volkswagen gewachsen. So kehrten sie nach Berlin zurück und stiegen in den Zug nach Prag. Dort verlebten sie eine intensive Zeit, die sie fast ausschließlich im Hotel verbrachten. Bachmann schien sich an der Seite von Opel zu erholen und wohl zu fühlen. Wieder in Berlin, blieb Opel der fürsorgliche Gentleman: Als in Bachmanns Wohnung vorübergehend das Wasser abgestellt wurde, bot er ihr die eigene an, ließ ihr ein Schaumbad ein, entzündete Kerzen und legte cubanische Rumbas auf, um sie vor der Berliner Tristesse zu bewahren.

Chronologisch berichtet Adolf Opel von dem Verlauf der Beziehung und den gemeinsamen Reisen. Von einer Liebesgeschichte ist hier nicht die Rede, dafür hält der Autor zu sehr Distanz zum Phänomen Ingeborg Bachmann, außerdem fühlten sich beide freiheitlichen Ansichten verpflichtet, die bürgerliche Romantik sowie Exklusivansprüche ausschloss. Man siezte sich fast immer.

Nach einem zweiten Pragaufenthalt wurde die gemeinsame Reiseroute nach Ägypten festgelegt, die über Athen führen sollte. Adolf Opel kam Ende März in Athen an und begab sich gleich auf die Suche nach einer passenden Unterkunft. Er fand ein schönes, zentral gelegenes Appartement und durchstreifte die Straßen nach Cafés, Restaurants und anderen Örtlichkeiten, die für die Bachmann interessant sein könnten. Als sich Bachmanns Ankunft verzögerte, unterhielt er einige Liaisons, die er aber nach ihrem Eintreffen zurückstellte. In Athen kam es zu einem sexuellen Abenteuer, zu einer Orgie, wie sie in "Der Fall Franza" verarbeitet ist.

Überhaupt macht uns Opel auf die realen Geschehnisse aufmerksam, die sich in literarisierter Form im Werk Bachmanns wiederfinden. Angefangen von der Reiseroute und den sexuellen Erfahrungen über Drogenkonsum, den Besuch eines Hochhausrestaurants, bis hin zur Konsultation eines alten NS-Arztes in Ägypten; alles Vorlagen für Schlüsselszenen in dem Romanfragment "Der Fall Franza". Für die literaturwissenschaftliche Forschung am Text bedeutet dies kaum etwas, für die Erkundung der Person Ingeborg Bachmann aber einiges. Doch auch die Neugier nach dem Seelenleben der Dichterin wird in diesem persönlichen Reisebericht, dem durch Telegramme, Briefe, Flugtickets und sogar Hotelrechnungen Authentizität verliehen werden soll, enttäuscht. Der Text hält sich immer diskret zurück, er will nur bezeugen und nicht offen legen. Nur selten blitzt etwas von der Intensität der Begegnung des Autors mit Ingeborg Bachmann auf, etwa auf dem Schiff zur letzten Reisestation nach Wadi Halfa, wo die beiden zum ersten Mal über Max Frisch sprachen. Und in einem schrecklichen Hotelzimmer in Wadi Halfa entdeckten sie sado-masochistische Neigungen und stiegen damit weiter aus dem Horizont einer konventionellen Liebesbeziehung aus.

Doch Adolf Opel steckt in einem Dilemma, einerseits möchte er über die gemeinsame Zeit mit Ingeborg Bachmann berichten, andererseits fühlt er sich wohl verpflichtet, diskret zu sein, geschuldet der Tatsache, dass Ingeborg Bachmanns schlimmste Verletzung auf die Veröffentlichung privater Lebensumstände zurückging. Denn von Max Frisch sah sie sich als Studienobjekt für dessen Roman "Mein Name sei Gantenbein" ausgenutzt und beraubt. Den einzigen Ausweg, das Schweigen, hat Adolf Opel schon 1996 verpasst, als er einen Band mit Ägyptenfotos von Kurt-Michael Westermann mit dem Titel "Landschaft, für die Augen gemacht sind. Mit Ingeborg Bachmann in Ägypten" in einer kürzeren Textfassung herausbrachte. Damals wurde kritisiert, dass die nachträglich entstandenen Fotos nichts mit der einstigen Bachmann-Reise zu tun hätten. Opel war der Fotoapparat kurz vor der Reise abhanden gekommen. Nun scheint es so, als wolle das neue Buch dieser Kritik gerecht werden, denn fast alle Abbildungen sind der Reiseliteratur entnommen, die Bachmann und Opel mit sich führten, darunter Gustave Flauberts "Tagebuch aus Ägypten, mit 16 Abbildungen von Maxime Du Camp". Doch diese überarbeitete und erweiterte Ausgabe enthält nichts Überraschendes zu Ingeborg Bachmann, darüber kann auch die Aufnahme von Seite 205 nicht hinwegtäuschen - das "vermutlich einzige Foto, das sie in ihrem Leben selbst gemacht hat".

Die Beziehung nach der Reise dauerte noch an. Über deren dreijährigen Verlauf berichtet Opel nur in einem stichwortartigen Abriss. So erfahren wir von einem Versuch des Zusammenlebens in Berlin, von Heiratsplänen, einer gemeinsamen Zeit in Rom und einem folgenschweren Autounfall, der zum Bruch der Beziehung führte. Das wäre Stoff für mehrere Folgebände. Ein weiterer ist auch schon angekündigt.

Kein Bild

Adolf Opel: Wo mir das Lachen zurückgekommen ist. Auf Reisen mit Ingeborg Bachmann.
Buchverlage LangenMüllerHerbig, München 2001.
216 Seiten, 17,80 EUR.
ISBN-10: 3784428304

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