Der Dichter unserer Niederlagen

Glücklich war er wohl nie. Von Anfang an gehörte Wolfgang Koeppen, der am 15. März 1996 in München gestorben ist, zu den Verstrickten und den Verzweifelten, bald schon zu den Strauchelnden und den immer wieder Stürzenden. Ein Opfer seiner Zeit? Gewiss, auch das, doch vor allem war er ein Sorgenkind des Daseins. Er selber jedenfalls machte sich in dieser Hinsicht nichts vor: Sein Leben habe er, schrieb er 1981 in einem Brief, „vertan“ und „verspielt“.[1]

Besser als andere sah er das Missverhältnis zwischen dem, was er gewollt, und dem, was er erreicht hatte. Genauer: zwischen dem, was er hätte leisten können und vielleicht auch müssen, und dem, was von ihm in seinem langen Leben tatsächlich geleistet wurde. Im Laufe der Zeit hat man Koeppen, allerdings erst in seinen späteren Jahren, mit vielen Preisen geehrt. Er nahm sie allesamt dankbar an, aber beirren konnten sie ihn nicht. Das Bewusstsein, versagt zu haben, verließ ihn nie. In einem seiner Briefe heißt es: „Ich mag mich nicht. Ich meine da alle meine Texte … Ich sehe mich, töricht und mit dem Leben spielend, auf Eisschollen balancieren in der Drift der Mündung eines großen Flusses.“[2] Ja, Koeppen hielt sich für einen gescheiterten Schriftsteller.

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Aus Marcel Reich-Ranicki: Wolfgang Koeppen. Verlag LiteraturWissenschaft.de, Marburg 2016 (Sonderausgabe von literaturkritik.de)