Gegen die linken Eiferer
Bölls Stockholmer Rede (1973)
Von Marcel Reich-Ranicki
Mit der gerade noch zulässigen Verspätung von fast einem halben Jahr hat Heinrich Böll in Stockholm seine Nobelpreisrede gehalten. Es ist ein „Versuch über die Vernunft der Poesie“, der sich selber als ein poetisches und zugleich, den clownesken Zügen zum Trotz, als ein sehr vernünftiges Prosastück erweist.
Nur vernünftig? Ich weiß, diese Vokabel steht im Deutschen nicht hoch im Kurs: Sie klingt brav, bieder und hausbacken, ordentlich und glanzlos. Denn Vernunft versteht sich in Deutschland von selbst – und ist wahrscheinlich eben deshalb so selten. Daher gehört es zu den Aufgaben der Schriftsteller, immer wieder an die Vernunft zu appellieren.
... [Weiterlesen]Der Beitrag gehört zu Marcel Reich-Ranicki: Mehr als ein Dichter. Über Heinrich Böll. Erweiterte Neuauflage.