Interkulturalität als Chance

Am Beispiel der französischen Germanistik

Von Maxime BoeufRSS-Newsfeed neuer Artikel von Maxime Boeuf

Nicht nur in Deutschland hört man, dass die Germanistik in der Krise stecke, sondern auch im Ausland. Vielleicht wäre es also Zeit, die Kluft zwischen der sog. „Inlands-“ und der sog. „Auslandsgermanistik“ zu überwinden, die meines Erachtens im Zeitalter der Internationalisierung der Universitäten und Studiengänge etwas überholt ist. Außerdem bringen diese Begriffe eine gewisse Hierarchisierung bzw. Herabwürdigung mit sich, und in der französischen Germanistik (genauso wie in anderen Ländern) sind immer mehr ProfessorInnen aus Deutschland tätig. Da wir uns alle fragen, wie unsere Zukunft aussehen wird, sollten wir eher ins Gespräch kommen, denn ich bin davon überzeugt, dass wir zwar nicht gemeinsame Lösungen finden werden,[1] aber dass wir neue Ideen finden bzw. dass wir uns von den Ideen der Anderen inspirieren lassen könnten. Genau das möchte ich hier tun, indem ich von Erfahrungen der französischen Germanistik berichte.

Aktuelle Lage der französischen Germanistik

Auffallend ist, dass die französische Germanistik schon länger als die deutsche Germanistik auf Schwierigkeiten und Fragen bezüglich ihrer Zukunft stößt. Die französischen Germanisten sind seit vielen Jahren mit der Verteidigung ihres Faches konfrontiert und für die meisten von ihnen ist es (im Gegensatz zu ihren deutschen Kollegen) klar, dass ihr Fach eine Krise durchlebt:

Die geisteswissenschaftlichen Fakultäten befinden sich allgemein mittlerweile in einer schwierigen Situation, doch um die [französische] Germanistik ist es besonders kritisch bestellt. Die Zahl der Schüler, die Deutsch lernen, ist auf ca. 15% eines Jahrgangs gesunken. Dieser Abwärtstrend spiegelt sich auch in sinkenden Studierendenzahlen wider. Im Vergleich zu anderen Disziplinen ist die Germanistik deshalb besonders bedroht und sieht sich in Forschung und Lehre oftmals gezwungen, sich größeren Gruppierungen anzuschließen. Nachdem die französische Germanistik über Jahrzehnte ihre eigene Identität besaß und diese auch nach außen vertrat, droht ihr heute ein Diasporastatus mit geringer Perzeption.[2]

Die wichtigste Krisenerscheinung in Frankreich ist also, wie Maurice Godé schreibt, die sinkende Anzahl an Studierenden, was vor allem daran liegt, dass immer weniger Studierende DeutschlehrerInnen werden möchten. In den letzten Jahren wurden aufgrund dieses Mangels an Studierenden mehrere germanistische Institute geschlossen, etwa an der Université de Savoie (Chambéry) und der Université Jean-Monnet (Saint-Étienne). Das sind natürlich kleine Universitäten, aber auch an den größeren Hochschulen, die traditionell über die größten germanistischen Institute verfügen (das sind also die Pariser Universitäten, Straßburg, Lyon, Lille, Toulouse), gibt es immer weniger Studierende. Sogar an den renommierten, typisch französischen „grandes écoles“, etwa der Ecole Normale Supérieure in Paris, kann man diejenigen, die Lehrveranstaltungen der Germanistik besuchen, an den Fingern einer Hand abzählen. Das liegt größtenteils daran, dass die deutsche Sprache, die für viele in Frankreich im Anschluss an die deutsch-französische Versöhnung als Eliten- und Intellektuellensprache galt, an Prestige verloren hat.

Die Konsequenzen dieser Krise für die sog. „enseignants-chercheurs“[3] kann man leicht ziehen: Es gibt immer weniger Stellen bzw. Professuren. An meiner französischen Heimatuniversität, der Aix-Marseille Université, wurde beispielsweise vor kurzem eine Stelle gestrichen und es ist leider zu befürchten, dass eine weitere Stelle, die seit ein paar Monaten aufgrund einer Versetzung nicht mehr besetzt ist, demnächst auch gestrichen wird.[4]

Die große Herausforderung ist natürlich, Lösungen zu finden. Eine dieser Lösungen möchte ich hier kurz vorstellen: die Interkulturalität, und zwar im Bereich der Forschung und der Lehre bzw. der Organisation der Studiengänge.

Interkulturalität in der (französischen) germanistischen Forschung

Zuerst ist es nötig, einen kurzen historischen Abriss zu zeichnen: Was haben die französischen Germanisten getan, um sich mit interkulturellen Fragestellungen auseinanderzusetzen?

Eigentlich könnte man so weit gehen, zu sagen, dass die Interkulturalität in Frankreich seit den Anfängen der Germanistik, obwohl wahrscheinlich eher unbewusst, im Hintergrund, präsent ist. Charles Andler, der als Gründervater der französischen Germanistik gilt, kam aus dem Elsass. Angesichts der besonderen Geschichte dieser Grenzregion war also sein persönlicher Hintergrund von einer interkulturellen deutsch-französischen Dimension geprägt.[5]

Aber die Interkulturalität wurde erst ab den 1980er Jahren zu einem zentralen Schwerpunkt der germanistischen Forschung. Dafür beriefen sich die Germanisten auf die von Michel Espagne und Michael Werner begründete Kulturtransfertheorie.[6] Das Wichtigste am Konzept des „Kulturtransfers“ ist die Kritik an den Grenzen der Komparatistik. Espagne und Werner schlagen nämlich vor, über die einfache Praxis des Vergleichens hinauszugehen, welche geschlossene Kulturräume voraussetzt und diese dann ‚nur‘ vergleicht, indem sie die Unterschiede und Gemeinsamkeiten auflistet:

Die systematische Untersuchung interkultureller Beziehungen ist ein relativ wenig erschlossenes Gebiet der Kulturgeschichte. Zwar liegen eine Reihe von z.T. hervorragenden Einzelarbeiten zu gewissen Aspekten des Forschungsgebiets vor; auffallend ist dagegen ein gewisses Defizit in der Erarbeitung eines theoretischen und methodischen Rahmens. Die vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft ist auf diesem Gebiet nur selten über eine traditionelle Einflußgeschichte hinausgekommen und hat der grundlegenden Schwierigkeit eines Kulturtransfers zwischen wirtschaftlich, sozial und ideologisch verschieden entwickelten Ländern nur in ungenügendem Maße Rechnung getragen.[7]

Ziel der Kulturtransferforschung ist es also, den Schwerpunkt nicht auf die Unterschiede, sondern auf die Formen von Hybridität bzw. auf die Verschmelzung von Kulturen zu legen. Wenn man vergleicht, geschieht das außerdem immer von einem nationalen Standpunkt aus. Dabei vergisst man also weitgehend, dass in Frankreich und in Deutschland das jeweils andere Land eine bedeute Rolle bei der Entstehung der nationalen Idee, Kultur und Identität einnahm. Beide Länder, sowohl Frankreich als auch Deutschland, bilden nämlich ihr eigenes Selbstverständnis als Nation[8] in den Reaktionen auf die Politik, Philosophie und Geschichte des anderen Landes. Um diese Phänomene besser zu verstehen, braucht man also keine nationalen, sondern eben interkulturelle Werkzeuge. Die Errichtung von „Nationalliteraturen“ in der europäischen Literaturgeschichtsschreibung ab dem 19. Jahrhundert ist ein interessantes Beispiel dafür: Vor Beginn der Kulturtransferforschung hatte man weitgehend vergessen, dass in Frankreich viele deutsche Intellektuelle und Schriftsteller an diesem Prozess beteiligt waren, denkt man etwa an die Rolle Heinrich Heines bei der Errichtung eines besonderen Bildes von Paris, oder an die Schriften von Walter Benjamin zur französischen Literatur und zur Pariser Architektur.

Es ist also leicht zu erahnen, dass die Kulturtransferforschung eine interdisziplinäre Dimension aufweist und auf verschiedenen geisteswissenschaftlichen Disziplinen beruht: Literatur, Philosophie bzw. Ideengeschichte, Geschichte, Linguistik, Begriffsgeschichte…

Die konkreten Auswirkungen dieser neuen Theorie sind in der Forschung klar zu sehen. Die meisten Forschungsprojekte, Promotionsthemen und viele Tagungen der französischen Germanistik drehen sich um diese Fragestellungen der Kontakte bzw. Verflechtungen zwischen den deutsch- und französischsprachigen Kulturräumen und der daraus entstehenden Austauschprozesse und/oder Konflikte. Zusätzlich werden manchmal andere Kulturräume berücksichtigt. An der Aix-Marseille Université haben wir beispielsweise eine gemeinsame Forschungsgruppe mit den Slawisten, „ECHANGES“[9] (Deutsch: „Austausch“). Es können somit gemeinsame Tagungen veranstaltet und Publikationen herausgegeben werden.

In der deutschen Germanistik wird Interkulturalität an manchen germanistischen Instituten stark berücksichtigt, etwa an der Universität Bayreuth mit dem Lehrstuhl für Interkulturelle Germanistik[10] und der Universität des Saarlandes mit dem Lehrstuhl für Frankophone Germanistik.[11] Das sind interessante Fälle, die aber Ausnahmen darstellen. Natürlich sollte nicht jedes germanistische Institut Deutschlands einen solchen Lehrstuhl haben – das würde überhaupt keinen Sinn machen –, sondern sich der Bedeutung interkultureller Themen in der Forschung bewusst werden, was die sog. „Auslandsgermanistik“ seit vielen Jahren schon gemacht hat.

Die Bilanz, die wir daraus ziehen können, ist zum einen, dass die Germanistik innerhalb der geisteswissenschaftlichen Disziplinen das Potenzial hat, sich als Vorläuferin zu positionieren; dass die Kulturtransferforschung einen Boom über die Fachgrenzen hinaus erlebte, ist der Beweis dafür. Das ist natürlich durchaus positiv. Solche interkulturellen Theorien sind also Voraussetzung für die Weiterentwicklung der Germanistik und deren Sichtbarkeit im modernen Forschungsfeld.

Zum anderen müssen wir auch als Germanisten, wenn wir der Interkulturalität einen noch höheren Stellenwert sichern möchten, mit Spezialisten anderer Disziplinen kooperieren – etwa mit Komparatisten, Anglisten, Romanisten, Historikern –, da Interkulturalität und Interdisziplinarität meines Erachtens eng miteinander verknüpft sind. Dies ermöglicht uns, unseren Forschungshorizont zu erweitern und somit neue, moderne Fragestellungen für die Forschung zu finden. Das ist nämlich eine unerlässliche Bedingung für die Germanistik, möchte sie in der Menge der geisteswissenschaftlichen Disziplinen sichtbar bleiben.

Interkulturalität in „praktischer“ Hinsicht: Lehre und Organisation der Studiengänge

Die Interkulturalität spielt, wie wir gesehen haben, heutzutage eine bedeutende Rolle in der (französischen) germanistischen Forschung. Doch wie ist sie in der Lehre und der Organisation der Studiengänge sichtbar?

Für die französische Germanistik ist das wichtigste Werkzeug in dieser Hinsicht die 1997 gegründete Deutsch-Französische Hochschule. Die DFH ist keine ‚echte‘ Universität, sondern ein Verbund von 194 Partnerhochschulen[12] in Deutschland und in Frankreich. Ihre Aufgabe ist es, deutsch-französische Studiengänge zu initiieren und finanziell zu fördern. Diese integrierten Studiengänge führen zu einem Doppelabschluss. Jeder Studiengang basiert auf einem gemeinsamen Curriculum, das deutsche und französische Hochschullehrer gemeinsam erarbeiten. Während der Auslandsphase des Studiums – also der Hälfte des Studiums, die man im Partnerland verbringt – werden die Studierenden mit sog. „Mobilitätsbeihilfen“ von 300€ pro Monat von der DFH unterstützt. Die Studiengänge sind in verschiedene Fachbereiche unterteilt; uns als Germanisten interessiert natürlich der Fachbereich „Geistes- und Sozialwissenschaften“.

In diesem Fachbereich gibt es nämlich eine ganze Reihe von Studiengängen, in denen man typischerweise auf deutscher Seite Romanisten und auf französischer Seite Germanisten findet – natürlich gibt es auch Studierende, die ein anderes Profil haben –, die also zusammen studieren. Hier sind ein paar Beispiele von Studiengängen, die interessanterweise sehr ähnliche Namen haben: „Deutsch-Französische Studien / Etudes franco-allemandes“ (Universität Bonn und Sorbonne Université), „Interkulturelle Studien – Deutschland und Frankreich / Etudes interculturelles franco-allemandes“ (Universität Freiburg und Ecole Normale Supérieure von Lyon), „Deutsch-Französische Studien / Etudes franco-allemandes“ (Universität Regensburg und Université Clermont-Auvergne), „Interkulturelle Deutsch-Französische Studien / Etudes interculturelles franco-allemandes“ (Universität Tübingen und Aix-Marseille Université).

Nun möchte ich anhand eines bestimmten Studienganges, und zwar „Interkulturelle Deutsch-Französische Studien“ in Aix-Marseille und Tübingen, ganz kurz veranschaulichen, inwiefern es sich bei solchen Studiengängen um interkulturelle Studiengänge handelt. In diesem Master werden die deutsch-französischen Kulturbeziehungen in den Fokus gestellt. Die Lehrveranstaltungen konzentrieren sich also auf den deutsch-französischen Kulturtransfer in verschiedenen Bereichen: Literatur, Geschichte, Film, Medien, Kulturpolitik, Linguistik… Wie in allen DFH-Studiengängen ist außerdem die interkulturelle Dimension nicht nur in der Lehre, sondern auch in der Organisation eines solchen Studienganges zu finden: Die Studierenden jedes Jahrganges sind in einer deutsch-französischen Gruppe gemischt und verbringen somit die Hälfte des Studiums an der Partneruniversität.

Neben diesen binationalen Studiengängen werden die Doktoranden nicht außer Acht gelassen: Es gibt 26 deutsch-französische Doktorandenkollegs,[13] darunter 9 im Fachbereich „Geistes- und Sozialwissenschaften“, wie zum Beispiel an den Universitäten Aix-Marseille und Tübingen: „Frankreich – Deutschland: Kulturkonflikte und Konfliktkulturen“.[14] Die Doktoranden können somit, wenn sie in einem Doktorandenkolleg aufgenommen werden, ihre Promotion in Form einer sog. „Cotutelle“ (Doppelbetreuung) durchführen.

Als Bilanz möchte ich also die positiven Auswirkungen der Interkulturalität auf die (französische) Germanistik noch einmal betonen: Mehr Interkulturalität heißt, es werden neue Berufschancen für die AbsolventInnen eröffnet. Da immer weniger Germanistik-Studierende Lehrer werden möchten, hat eine interkulturelle Ausbildung bzw. Erfahrung den Vorteil, dass der Arbeitshorizont etwas breiter ist, wenn diese Studierenden auf dem Arbeitsmarkt landen. Eine Alumni-Studie der DFH kam außerdem zu der Erkenntnis, dass ca. 70% der DFH-Absolventen weniger als drei Monate gebraucht haben, um eine adäquate Arbeitsstelle zu finden.[15]

Zum anderen muss ich noch sagen, da ich mich explizit auf die französische Germanistik bezogen habe, dass die ‚Zunahme‘ an Interkulturalität sehr wichtig ist bzw. gewesen ist: Für sie geht es ja ums Überleben! Und die französischen Germanisten wissen wohl, dass sie ohne die DFH-Studiengänge, ohne die vielen DFH-Studierenden aus Deutschland viel weniger Studierende hätten, was besonders für die kleinen Universitäten gilt.

Schlussbemerkungen

Die Interkulturalität ist natürlich kein Wundermittel – ich bin mir dessen bewusst: Sie allein kann nicht das Interesse an der Germanistik wiedererwachen lassen. Sie ist aber Teil einer Reihe von Maßnahmen, die meines Erachtens für die Attraktivität unseres Faches positiv wären. Außerdem muss ich auch noch sagen, dass alles, was ich geschrieben habe, vor allem die französische Germanistik betrifft – und wie ich am Anfang erklärt habe, hat die Krise der französischen Germanistik andere Ursachen als die der deutschen Germanistik, wenn letztere überhaupt eine Krise durchlebt! Allein die Tatsache, dass in Frankreich Deutsch eine Fremdsprache ist, ist eine beträchtliche Erklärung. Das spricht dafür, dass deutsche Germanisten die Erfahrungen der Germanisten aus anderen Ländern unter Vorbehalt zur Kenntnis nehmen müssen bzw. dass sie nicht alles nachahmen können!

Dennoch möchte ich mehrere Erkenntnisse betonen, die die bedeutende Rolle der Interkulturalität beweisen. Wir haben gesehen, was die Lehre und die Studiengänge betrifft, dass eine interkulturelle Ausbildung es den studierten Germanisten ermöglicht, bessere und breitere Berufschancen zu haben, sobald sie auf dem Arbeitsmarkt sind. Und denjenigen, die promovieren möchten und eventuell eine Universitätskarriere anstreben, ermöglicht sie eine exzellente Basis für ihre zukünftige Karriere, da interkulturelle Fragestellungen sowie Fremdsprachenkenntnisse und Auslandserfahrungen immer wichtiger und erwünschter werden. Gerade was die Forschung anbelangt, konnte die französische germanistische Forschung durch interkulturelle Theorien neue Forschungsthemen finden, und in puncto des deutsch-französischen Kulturtransfers gibt es sicher noch viel zu erforschen, sei es in der Literatur, Linguistik, Geschichte… Das ist natürlich ein positives Zeichen für die Zukunft der germanistischen Forschung – in Frankreich sowie in anderen Ländern –, aber natürlich unter der Bedingung, dass sie den Anforderungen der Interkulturalität entspricht.

Gewiss könnte man mir vorwerfen, dass mein Plädoyer für mehr Interkulturalität in der Germanistik nichts Neues sei, dass man das schon wisse, und dass interkulturelle Phänomene schon berücksichtigt würden. Meines Erachtens ist aber die Germanistik im Rückstand im Vergleich zu anderen geisteswissenschaftlichen Disziplinen, wie etwa der Romanistik und Anglistik, obwohl ich davon überzeugt bin, dass sie als eine interkulturelle Wissenschaft erfasst werden könnte bzw. sollte. Denn was ist im Endeffekt der Zweck der Germanistik bzw. eines Germanistik-Studiums? Früher war das ganz klar: Unser Fach wurde als Nationalphilologie konzipiert – eine Auffassung, die bei den Gründervätern unserer Disziplin zu finden ist, etwa bei den Gebrüdern Grimm. Heutzutage sind wir aber aus dieser nationalen (oder nationalistischen?) Logik herausgekommen. Wir stellen uns viele Fragen bezüglich unserer Zukunft. Vielleicht befinden wir uns eigentlich nicht in einer Krise, sondern in einem Wandel, und sind auf der Suche nach neuen Zwecken, um diese Fragen beantworten zu können. Und ich schlage eben vor, genauso wie viele im Ausland tätige Germanisten, Interkulturalität als einen der möglichen neuen Zwecke zu ergreifen.

Anmerkungen

[1] Die „Krise“ der Germanistik weist nämlich in jedem Land spezifische Erscheinungsformen auf, die z.T. sehr unterschiedliche Ursachen haben.

[2] Maurice Godé: Französische Germanistik, in: Nicole Colin, Corine Defrance, Ulrich Pfeil, Joachim Umlauf (Hgg.): Lexikon der deutsch-französischen Kulturbeziehungen nach 1945, Tübingen: Narr Verlag 2013, S. 223-237, hier: S. 237.

[3] Französische Bezeichnung für Hochschullehrer, welche die Positionen „professeur“ und „maître de conférences“ (entspricht einem englischen Assistant Professor) umfasst.

[4] Stand: Januar 2019.

[5] Charles Andler (1866-1933) besuchte das deutsche Gymnasium in Straßburg, bevor er von seinem Vater ins französische Lycée geschickt wurde, zuerst in Gray, dann in Versailles. Nach dem Studium der Philosophie an der Pariser École Normale Supérieure bestand er 1889 die agrégation für das Fach Deutsch. Seine Ernennung zum Professor für Germanistik an der Sorbonne 1904 gilt als Geburtsstunde der französischen Germanistik. Zur (Geschichte der) Germanistik in Frankreich, vgl. Elisabeth Décultot: Germanistik (études allemandes) en France, in: Elisabeth Décultot, Michel Espagne, Jacques Le Rider (Hgg.): Dictionnaire du monde germanique, Paris: Bayard 2007, S. 401-404.

[6] Zu den grundlegenden Thesen dieser Theorie vgl. Michel Espagne: Les transferts culturels franco-allemands, Paris: Presses Universitaires de France 1999.

[7] Michel Espagne, Michael Werner: Deutsch-französischer Kulturtransfer im 18. und 19. Jahrhundert. Zu einem neuen interdisziplinären Forschungsprogramm des C.N.R.S., in: Francia. Forschungen zur westeuropäischen Geschichte 13 (1986), S. 502-510, hier: S. 502.

[8] In der Bildung einer nationalen Identität in Deutschland hat übrigens die universitäre Germanistik eine bedeutende Rolle gespielt. Dies erklärt auch, warum in der französischen Germanistik im Allgemeinen nicht nur Literatur und Sprache, sondern auch Ideengeschichte und „civilisation“ (dieser Begriff, den man nur schwer ins Deutsche übertragen kann, entspricht Fächern wie Geschichte und Landeskunde) gelehrt werden: Das Ziel dieser traditionellen Auffassung ist es, die deutsche kulturelle Identität in der Gesamtheit ihrer Komponenten zu erfassen.

[9] „ECHANGES“ ist ein Akronym und steht für: „Equipe sur les cultures et humanités anciennes et nouvelles germaniques et slaves“. Das Team besteht derzeit aus 14 HochschullehrerInnen, darunter 4 ProfessorInnen (Stand: Januar 2019), und wird von Prof. Dr. Florence Bancaud geleitet. Mehr dazu unter: https://echanges.univ-amu.fr.

[10] Lehrstuhlinhaberin: Prof. Dr. Gesine Lenore Schiewer. Mehr Informationen unter: https://www.intergerm.uni-bayreuth.de/.

[11] Lehrstuhlinhaberin: Prof. Dr. Romana Weiershausen. Mehr Informationen unter: https://www.uni-saarland.de/lehrstuhl/franzabt.html.

[12] Stand: Januar 2019.

[13] Stand: Januar 2019.

[14] Das Doktorandenkolleg „Frankreich – Deutschland: Kulturkonflikte und Konfliktkulturen“ vereint Doktoranden aus verschiedenen geisteswissenschaftlichen Disziplinen, etwa (Neuere deutsche) Literatur, Komparatistik, Geschichte, Kunstgeschichte… Es wird von Prof. Dr. Nicole Colin (Aix-Marseille) und Prof. Dr. Dorothee Kimmich (Tübingen) geleitet.

[15] Vgl. https://www.dfh-ufa.org/fileadmin/_migrated/dokumente/DFH_Alumni_Studie_D_web.pdf.

Bibliographie

Décultot, Elisabeth: Germanistik (études allemandes) en France, in: Décultot, Elisabeth/Espagne, Michel/ Le Rider, Jacques (Hgg.): Dictionnaire du monde germanique, Paris: Bayard 2007, S. 401-404.

Espagne, Michel: Les transferts culturels franco-allemands, Paris: Presses Universitaires de France 1999.

Espagne, Michel/ Werner, Michael: Deutsch-französischer Kulturtransfer im 18. und 19. Jahrhundert. Zu einem neuen interdisziplinären Forschungsprogramm des C.N.R.S., in: Francia. Forschungen zur westeuropäischen Geschichte 13 (1986), S. 502-510.

Godé, Maurice: Französische Germanistik, in: Colin, Nicole/ Defrance, Corine/ Pfeil, Ulrich/ Umlauf, Joachim (Hgg.): Lexikon der deutsch-französischen Kulturbeziehungen nach 1945, Tübingen: Narr Verlag 2013, S. 223-237.