Desiderat: Debattenkultur in universitären Gremien

Das Beispiel Marburg

Von Sabine KolochRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sabine Koloch

 

Die Auseinandersetzungen von 1968 spielten sich auch in der Germanistik nicht nur in der universitären Öffentlichkeit ab, also nicht nur in den oft spektakulären Vollversammlungen, Teachs-ins, Vorlesungssprengungen und Flugblattaktionen. Es waren vielmehr die universitären Gremien, in denen um die eigentlichen Veränderungen gestritten wurde, dort, wo es um Institutsordnungen, Lehrveranstaltungen und Reformpläne ging, um die Beteiligung oder Nichtbeteiligung des Mittelbaus und von Studierenden am täglichen Leben des Instituts, um die grundlegende Gestaltung des akademischen Unterrichts („Vorlesungen oder Seminare?“, „Frontalunterricht oder Gruppenseminare?”). Und wo es, meist besonders heiß umkämpft, darum ging, wer neu auf eine Mittelbau- oder Professorenstelle berufen wird.

All das und noch mehr wurde in Institutsversammlungen, Fakultäts-/Fachbereichsräten und den Senaten verhandelt, und das meist kontrovers. In welchen Formen sich das abspielte, welche Debattenkulturen und -unkulturen die Sitzungen beherrschten, war von Institut zu Institut verschieden, je nach den jeweiligen Kräfteverhältnissen und je nach der Gesprächsbereitschaft, der auf die Zukunft gerichteten produktiven Phantasie und der Toleranzfähigkeit der Beteiligten.

Da ich das Thema für wichtig halte, habe ich mich um einen exemplarischen Beitrag bemüht. Das Germanistische Institut Am Krummbogen in Marburg schien mir dafür geeignet: Ein relativ kleines Institut in einer relativ kleinen Stadt in einem traditionell konservativen Umfeld, aber nach 1968 für Jahre weitgehend in linker Hand. Leider ist die geplante Untersuchung nicht zustande gekommen. So will ich das Thema hier wenigstens als Desiderat vermerken. Es muss nicht Marburg sein.