Sonntag, 5.4.

Palmsonntag. Santana rotiert mit 33 rpm. Im hinteren Winkel der Seele kauert eine kleine Traurigkeit. Ich setze die Sonnenbrille auf und bleibe cool…
Social distancing ist nicht nur ein Verbot, Distanz ist auch Luxus. Sagt die Philosophin Svenja Flaßböck. Ein Freiraum um den eigenen Körper herum. Nicht aufeinander hocken zu müssen, nicht aneinander kleben wie in Indien oder den Slums von Bogota. Diese erzwungene Nähe in den Flüchtlingsunterkünften. Nicht auszudenken, wenn hier das Virus ausbricht.
Allein in meiner 2-Raum-Wohnung – welche Freiheit! Bei Sonnenuntergang ins Bett gehen, um 3 Uhr nachts frühstücken, bis mittags im verschmuddelten Schlafanzug rumhängen. Leben im Homeoffice. Keiner meckert, keiner will was, keiner stört die eigenen Kreise.
Wenn ich es dann satt habe, nur um mich selbst zu kreisen, greife ich zum Smartphone. Ich hänge am iPhone wie an der Nabelschnur. Noch vor gar nicht langer Zeit habe ich den melodischen Klingelton oft als Zumutung empfunden, jetzt renne ich quer durch die Wohnung zum Gerät. „Schön, dass du anrufst!“ Diesen Ausspruch hört man in diesen Tagen öfter. Da geht es allen Corona-Geschädigten gleich: Zuviel Freiheit macht einsam.

Aus Eva Strasser: Splitter aus der Quarantäne. Ein Corona-Tagebuch. Sonderausgabe literaturkritik.de. Verlag LiteraturWissenschaft.de, Marburg 2020