Der Suhrkamp Verlag: Siegfried Unseld und die „60er Jahre“

Elemente einer Erfolgsgeschichte

Von Berthold PetzinnaRSS-Newsfeed neuer Artikel von Berthold Petzinna

 

Zuerst veröffentlicht in: Flachware. Jahrbuch der Leipziger Buchwissenschaft 6 (2020), S. 103‒126. Herausgegeben von Martin Hochrein und Eyk Henze. Dr. Ernst Hauswedell Verlag (Stuttgart 2020). (Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Berthold Petzinna und Siegfried Lokatis.)

Suhrkamp hatte und war Stil.
(Michael Krüger)

Als Peter Suhrkamp, der seinen eigenen Verlag 1950 gegründet hatte, im März 1959 starb, hinterließ er ein Unternehmen, das er auf einen kulturellen Auftrag hin konzipiert und geleitet hatte. Der 1891 geborene Sohn eines norddeutschen Landwirts war von der bürgerlichen Reform- und Jugendbewegung des Kaiserreichs dauerhaft geprägt. Dies schloss ein zumindest distanziertes Verhältnis zum ökonomischen Aspekt des Verlegerberufs ein. Sein enger Mitarbeiter und Nachfolger Siegfried Unseld bemerkt, Peter Suhrkamp hätte seinen Büchern gern den Charakter von für den Markt anzubietenden Waren gänzlich genommen.[1] Eine Positionsbestimmung des Verlegers in der unmittelbaren Nachkriegszeit stützt diese Sicht und pointiert seine elitenorientierte Aufgabenstellung:

Und Bücher, die schnell eine große Leserschar finden, sind selten oder nie erstklassige Werke. Es ist auch nur wichtig, daß in jeder Generation wenigstens der kleine Kreis da ist, die kleine Vorhut von besonders Begabten und Empfänglichen, die Elite von außergewöhnlicher Sensibilität und der Gabe, im Augenblick durch Sinne, Seele, Geist und Einbildungskraft das Neue aufzunehmen, und mit der Fähigkeit, daran zu glauben. Und hier möchte ich nun sagen, daß es unsere, der Buchhändler und Verleger Aufgabe jetzt ist, bei uns wieder neue Dichtung möglich zu machen, indem wir die Elite der Begabten pflegen, ohne welche neue Dichtung nicht möglich ist.[2]

Dieser an die Atmosphäre des Kreises um Stefan George erinnernde Tenor gehörte einer ausklingenden Zeit an.

Mit dem Stabwechsel in der Unternehmensführung hin zu Siegfried Unseld änderte sich das Profil des Verlages auch merklich, wenngleich nicht grundstürzend. Bereits im Herbstprogramm führte Unseld neue Autoren ein, etwa Ernst Bloch, Karl Krolow, Ruth Rehmann und Uwe Johnson. Rehmann und Johnson – Jahrgang 1922 bzw. 1934 – verweisen zudem auf eine Änderung im Generationenprofil des Verlags, bei dem die jüngeren Autoren zu Lebzeiten Suhrkamps mit den Ausnahmen Martin Walser und Hans Magnus Enzensberger im Hintergrund gestanden hatten.[3] Unseld – Jahrgang 1924 – vertrat zudem einen anderen Verlegertypus als Peter Suhrkamp. Die Absatzorientierung und mithin das Marketing gewannen an Gewicht und distanzierten das Frankfurter Unternehmen überdies von weiterhin nach Gutsherrenart geleiteten Häusern.[4] Man kann diese Züge als ein Bemühen um „Gleichzeitigkeit“ mit der Entwicklung der jungen Bundesrepublik und zugleich als eine ökonomische Modernisierung des Unternehmens verstehen. Bereits in der Frühzeit seiner Verlagsführung erwies sich Unseld dabei als ein erfolgreicher Netzwerker, dem es gelang, eine ihm verbundene Gruppe, einen „inner circle“, im Verlag zu etablieren.

Der wichtigste Partner war für Unseld in diesem Kreis Martin Walser, mit dem er auch persönlich befreundet war.[5] Walser kam nach Peter Suhrkamps Tod eine zentrale Rolle im Unternehmen zu. Unseld und sein Vertrauter Walser telefonierten nahezu täglich, sodass der Gedanke an eine gemeinsame Strategieplanung für den Verlag nahe liegt. Walser arbeitete in den 60er Jahren auch als Lektor für Suhrkamp.[6] Neben Walser kamen noch Hans Magnus Enzensberger und Uwe Johnson eine besondere Bedeutung in Unselds Umfeld zu. Enzensbergers literarisches Debut, der Gedichtband verteidigung der wölfe, war 1957 bei Suhrkamp erschienen. Unseld schrieb dem fünf Jahre Jüngeren einen werbenden Brief und sah dessen Erstling auch politisch-programmatisch für die gemeinsame Arbeit: „Sie haben in Ihren Gedichten das ausgesprochen, wogegen wir angehen und wofür wir eintreten müssen.“[7] Auch in seinem Fall verschliff sich die literarische Produktion mit der Lektoratsarbeit und Talentsuche sowie förderndem Engagement.[8] Anders als die beiden Westdeutschen hatte Uwe Johnson – Jahrgang 1933 – einen DDR-Hintergrund. Dies fügte seiner Rolle eine zusätzliche Dimension hinzu: Johnson galt in den 60ern als der gesamtdeutsche Romancier.[9] Sieht man von dem wesentlich älteren Schweizer Max Frisch ab, dem eine Seniorenposition zukam, so zeigt der Kreis ein generationelles Profil. Ein anderer wichtiger Mitarbeiter Unselds, Karlheinz Braun, erinnert sich pointiert: „Es war die Generation der in den zwanziger Jahren geborenen, die da zusammentraf … und Unseld als der Älteste verstand es, sie sowohl programmatisch wie emotional in die Verlagsarbeit einzubinden.“[10]

Wenn auch eher peripher und mitunter diskontinuierlich waren noch weitere Autoren an diesen Zirkel angebunden. Die Österreicherin Ingeborg Bachmann, die als einzige Frau in der Männerrunde auftrat, obwohl sie noch nicht im Verlag publizierte, war von Unseld 1959 für die neue Poetikdozentur in Frankfurt gewonnen worden. Literarisch und politisch intensiver war das Verhältnis zu Peter Weiss, der in Stockholm lebte.[11] Entfernter, aber deshalb nicht weniger wichtig, war Walter Höllerer, der bereits seit den mittleren 50er Jahren als Berater, Lektor und Herausgeber für Suhrkamp in Frankfurt tätig war, wo er damals wohnte.[12] 1959 ging der im Literaturbereich bereits einflussreiche Höllerer als Professor für Literaturwissenschaft nach West-Berlin, wo er vier Jahre darauf das Literarische Colloquium gründete: „Höllerer war der erste Literaturmanager im heutigen Sinne, er hat den modernen Literaturbetrieb gewissermaßen erfunden.“[13]

Ein weiterer Aktivposten in der Vernetzung des Verlags war seine Verbundenheit mit dem lokalen intellektuellen Milieu in Frankfurt am Main. Enge Beziehungen bestanden bereits zu Peter Suhrkamps Lebzeiten mit Theodor W. Adorno, dem strahlkräftigen Vertreter der sog. „Frankfurter Schule“. Der Philosoph nahm regelmäßig an den Empfängen des Verlags teil, 1961 las er auf einem Festabend des Verlegers zu Ehren Samuel Becketts aus seinem noch unfertigen Beckett-Essay. Vorangegangen war ein Mittagessen im Familienkreis mit Beckett bei Unseld.[14] Adorno war mit dem hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer befreundet, wie er selbst während des Dritten Reiches im Exil. Der sozialdemokratische Jurist war der Initiator des ersten Auschwitz-Prozesses, der von 1963 bis 1965 in Frankfurt am Main stattfand. Eng war auch die Kooperation zwischen Alexander Mitscherlichs Frankfurter psychoanalytischem Institut und dem Institut für Sozialforschung als Kern der „Frankfurter Schule“. Der spätere Suhrkamp-Autor war der wichtigste Verbreiter der Psychoanalyse in der Bundesrepublik, der er auch einen „demokratiepolitischen Auftrag“ zuwies.[15] Harry Buckwitz war als Generalintendant der Städtischen Bühnen in Frankfurt ein weiterer enger Vertrauensmann des Verlages. Analog zu Mitscherlich verstand auch Buckwitz seine Arbeit im Sinne eines Theaters „kulturpolitischer Prägung“.[16]

Überblickt man die den Verlag tragende Personengruppe und deren Umkreis insgesamt, so bestätigt sich die Beobachtung Karlheinz Brauns, dass ein deutlicher Schwerpunkt auf der Altersgruppe der etwa in den 1920er Jahren Geborenen liegt, ergänzt um einige Ältere – wie etwa Peter Weiss und Theodor W. Adorno, bei denen wiederum auffällt, dass Ausgrenzung/Verfolgung und Exil ihren biographischen Hintergrund bilden. Diese (männliche!) Jahrgangsgruppe wird in der Literatur häufig als „45er-Generation“ bezeichnet und als durch gemeinsame Erfahrungen geprägt und disponiert angesehen.[17] Die Etikettierung als „45er“ soll auf die einschneidende Bedeutung des Kriegsendes als generationelle Schockerfahrung über den Charakter des NS-Systems und deren Verarbeitung verweisen: „Das Betrogensein wurde zum dominanten Deutungsmuster dieser Generation.“[18] Mit den späten 50er Jahren rückten Angehörige dieser Altersgruppen im Zuge des Generationenwechsels zunehmend in Einflusspositionen auf, wobei diese Stabübernahme in den Medien und geisteswissenschaftlichen Fächern der Universitäten am ehesten erfolgte. Die Neuzugänge brachten ein anderes, politischeres und weniger staatsfixiertes Bild von Öffentlichkeit gegenüber der vorherrschenden bundesdeutschen Normallage kritisch in Anschlag.[19] Die USA bildeten häufig einen – mitunter ambivalenten – Orientierungspunkt. So war Siegfried Unseld Teilnehmer an Henry Kissingers Sommerseminar in Harvard.[20] Für diese Gruppe insgesamt kann gelten, was ein Soziologe über die um 1928 Geborenen – die sog. „Flakhelfer“ – bemerkt: diese „innnerlich viel ungesicherteren Neubürger“ hätten es sich zur Aufgabe gemacht, „der Zufälligkeit der Bundesrepublik einen Sinn zu geben.“[21]

Die noch wenige Jahre zuvor von Erich Kuby zum Ausdruck gebrachte Vorstellung von der Bundesrepublik als eines „Wartesaals“ wich zunehmend einer Beheimatung in dem neuen Gebilde, wie sie im Titel des von Wolfgang Weyrauch 1960 herausgegebenen Sammelbandes Ich lebe in der Bundesrepublik zum Ausdruck kam.[22] Im anhebenden Jahrzehnt bildeten – befördert durch den Bau der Berliner Mauer – Bundesrepublik und DDR jeweils „soziokulturell ihr spezifisches Profil als der unverwechselbar westdeutsche und der unverwechselbar ostdeutsche Teilstaat aus.“[23]

Für die Bundesrepublik wirkten sich hier zunächst seit den späten 50er Jahren drei Faktoren ineinandergreifend formierend aus: eine Abschwächung autoritätsfixierter Orientierungen und Handlungsnormen, die wachsende Akzeptanz einer sich herausbildenden Konsumgesellschaft und ein deutlicher Wandel im alltagsästhetischen Erscheinungsbild des Lebens in Westdeutschland. Es entwickelten sich die Umrisse einer spezifisch westdeutschen Mentalität, die nicht allein auf die Jugend beschränkt blieb.[24] Frank Biess fasst die Bedeutung dieser Jahre einprägsam zusammen: „Die Zeit von den späten 1950er Jahren bis in die Mitte der 1960er Jahre war eine Art westdeutsche ‚Sattelzeit‘, eine breit angelegte Transformationsperiode, während der bestimmte Erinnerungen an die Vergangenheit ihren prägenden Anspruch verloren und neue Zukünfte möglich wurden.“[25] Insbesondere diese neuen Zukunftsräume verliehen der Dekade ihre Signatur – eine um sich greifende optimistische Grundhaltung, die in der Geschichte der Bundesrepublik einzig blieb. Das Bewusstsein von gewachsenen Gestaltungsmöglichkeiten kulminierte gegen Ende des Jahrzehnts und in den frühen 70er Jahren.[26] Am Beginn dieses Zeitraums stand die Frage nach der „Demokratisierung“ der westdeutschen Gesellschaft und ihres Staates – diese Debatte erwies sich als das einigende Band, das mancherlei Einzelfragestellungen und -themen umschloss und auf einen möglichen und einigenden Entwurf hin perspektivierte, der Gegenstand der Debatten war.[27] Hierbei verschwisterten sich die Vorstellungen von Demokratie mit dem Ideal der Rationalität des politisch-gesellschaftlichen Handelns und Planens zu einem Leitbild der Modernität.[28] Ihre prägende Kraft bekam dieser Vorstellungskomplex insbesondere durch die ästhetische Gestaltung der alltäglichen Lebenswelt. Dabei wuchs dem Design neben der Architektur eine für die postfaschistische Öffentlichkeit formgebende Rolle zu.[29] Die Gestaltung der Objektwelt sollte über das ästhetische Erscheinungsbild hinaus zu einer „neuen Klarheit der Wahrnehmung beitragen.“[30]

Dass der nachwachsenden Jugend dabei eine herausgehobene Bedeutung zukam, hatte nicht allein demografische Gründe. Mit der Ausbildung von eigenständigen Ausdrucksformen und Konsummustern im Jugendbereich einher ging die Erwartung ihrer Pilotfunktion im Rahmen der bundesdeutschen Selbstfindung: „Hinter allen Vorstellungen und Projektionen, die an die neuen Jugendkulturen herangetragen wurden, stand die Suche nach einem spezifischen kulturellen Stil des Deutschen in der entwickelten Konsumgesellschaft. Was ist deutsch in einer modernen Bundesrepublik Deutschland, und wie wird dies ausgehandelt? – das sollte nicht nur politisch, sondern auch kulturell neu bestimmt werden.“[31] Im Rahmen dieser Suchbewegungen und Aushandlungsprozesse wurden die Segmente und Medien der Öffentlichkeit in einen neuen Horizont gerückt; sie wurden zusehends zu Arenen dieser Fragestellungen und Kontroversen – ein Aspekt, den Christina von Hodenberg erhellt hat.[32] Eine größere und auch richtungweisende Rolle wuchs dabei den Intellektuellen zu, die als Matadore des Disputs und Propagandisten einer Öffnung des Diskursraums in die Medien vordrangen. Zugleich änderte auch das Theater sein Profil und thematisierte seit den früheren 60er Jahren die dunkle Vorgeschichte der Bundesrepublik als Nachfolgerin des Dritten Reiches.[33] Die Gesamtheit dieser Entwicklungen blieb nicht ohne Wirkung auf das inhaltliche Profil des Buchmarkts. In der Rückschau merkt Henning Ritter zu den mittleren 60ern an: „Plötzlich gingen Sachen, mit denen Lektoren und Verleger sonst ins Abseits geraten wären.“[34] Betrachtet man die Maßnahmen und Anstöße, die von Siegfried Unseld in den ersten Jahren seiner Unternehmensführung ausgingen, so zeigt sich ein Modernisierungskurs, der über die Verjüngung des Autorenstamms hinausging, sich dem Entwicklungstrend der bundesdeutschen Gesellschaft einfügte und ihn mit prägte. Ein Ankerpunkt dieser Strategie war das bereits von Peter Suhrkamp etablierte enge Verhältnis zur Frankfurter Schule, deren Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung in den 60er Jahren kontinuierlich wuchs.[35] In zwei an Adorno gerichteten Schreiben Unselds werden Konturen seiner Vorstellungen in dieser frühen Zeit erkennbar. Das erste galt Adornos neuer Schrift Klangfiguren, die Peter Suhrkamp noch in der Buchgestaltung festgelegt hatte: „Weniger zufrieden bin ich mit dem Umschlag. Aber nachdem ihn Suhrkamp so einmal bestimmt hat, wollte ich ihn nicht ändern. Nach meiner Vorstellung sollten wir für die künftigen Opera zu entschieden härteren Lösungen kommen.“ Hier kündigte sich wenige Monate nach Suhrkamps Tod die Neigung an, das äußere Erscheinungsbild des Verlags auf eine Formenklarheit hin zu orientieren, die der Gestaltungsentwicklung des Produktdesigns allgemein entsprach. In einem weiteren Brief aus dem Jahr 1962 geht es um die Kundenorientierung:

Ich komme eben aus Tübingen zurück, wo ich mich unter anderem auch einige Zeit in den Universitätsbuchhandlungen aufhielt. Die dreizehntausend Studenten prägen das Bild Tübingens ganz neu, aber ich war über die geistige Aufgeschlossenheit dieser jungen Leute, um nicht zu sagen, über ihren Hunger, sehr erstaunt: die billigen wissenschaftlichen Reihen, die Taschenbücher und Sonderausgaben wurden fleißig examiniert und durchstöbert. Auch von diesem Besuch her weiß ich, wie richtig es ist, grundlegende philosophische Texte zu Preisen vorzulegen, die eben für den kleinen Geldbeutel erschwinglich sind.[36]

Die Zahl der Studentinnen und Studenten hatte in der Bundesrepublik zu wachsen begonnen, das sollte sich fortsetzen. Diese Kundengruppe brachte ihrerseits eine intellektuelle Orientierung mit, die auf eine Öffnung des öffentlichen Raumes zielte. Noch in jenem Jahr sollten die Proteste im Zuge der sog. „Spiegel-Affäre“ dies unter Beweis stellen. Auch mit diesen Überlegungen setzte Unseld einen von Peter Suhrkamps Bild seines Verlags stark abweichenden Akzent, wenngleich eine Elitenorientierung sich durchhielt.[37] Gleichfalls nur wenige Monate nach seinen Beobachtungen in Tübingen setzte der Verleger seine Überlegungen in dem verlegerischen Konzept einer Taschenbuchreihe um. Bei einem sommerlichen Gartentreffen in Wasserburg am Bodensee entwarf Unseld das Konzept der edition suhrkamp in seinem engeren Beraterkreis, der mit Ausnahme Walsers dem Vorhaben ablehnend gegenüberstand. Die Gründe dieser Reserve waren inzwischen zwiespältig – dem bildungsbürgerlich-hochkulturellen Ramschverdacht hatte sich ein kommerzkritisches, eher linkes Bedenken zugesellt. Ein anderer elitärer Zug verband beide.[38]

Die edition suhrkamp war früh auf die Studierenden als Zielgruppe orientiert, ihr Initiator verstand das Reihenangebot als Forum literarischer und philosophischer Texte für eine jüngere Leserschaft.[39] Die edition brachte im literarischen Bereich mit Jürgen Beckers Felder erstmals eine Originalausgabe als Taschenbuch heraus und schuf damit einen erleichterten Marktzugang für schwergängige Titel und unbekannte/junge Autoren.[40] Im philosophischen Segment wurde Unseld durch den guten Absatz von Ludwig Wittgensteins Tractatus logico philosophius ermuntert, dieses Engagement weiter zu verfolgen. Dem philosophischen Angebot benachbart waren die sozialwissenschaftlichen Bände der edition, die durch die Titel aus der Autorenschaft der „Frankfurter Schule“ ein deutlich oppositionelles Profil gewann und im nachwachsenden Bildungsbürgertum auf Resonanz stieß.[41]

Dabei war die Konzeption der Reihe – wobei ihr faktischer Herausgeber Günter Busch der Garant blieb – nicht auf die Addition einzelner Titel, sondern auf die Versammlung eines intellektuell fundierten politischen Kosmos orientiert und zielte darauf ab, zerstreute Kenntnisse zusammenzufügen und hierdurch zur Geltung zu bringen.[42] Der ehemalige Suhrkamp-Lektor Urs Widmer beleuchtet diesen Umstand mit seiner rückblickenden Einschätzung, die edition habe in ihrer wirkmächtigsten Zeit eine bewusste Normierung einer im weiteren Sinne linken Begriffssprache betrieben.[43] In einer wichtigen Dimension zutreffend, wenn auch in der Formulierung mehr als nur „etwas zugespitzt“ ist die These, die Reihe habe „die Nationalliteratur der Bundesrepublik Deutschland hervorgebracht“.[44] Impliziert ist in dieser Charakteristik nämlich, dass die edition suhrkamp einen weiteren Rahmen etablierte, in dem sich die Selbstanerkennung und Ausformulierung der Bundesrepublik als eigenständiger gesellschaftlicher Raum vollziehen konnte, in dem er gleichsam eingeübt wurde. Dieser neue „Rahmen“ wurde durch das serielle Erscheinungsbild der Bände entscheidend gestützt, die ein „Gesamtklima“ schufen und damit Teil der Suhrkamp-Produktfamilie wurden. Die Anmutung der Reihe sollte „vernünftig, zweckmäßig, einfach sein“.[45]

Mit Willy Fleckhaus fand der Verleger einen kongenialen Gestalter, der bereits bei der Zeitschrift twen Maßstäbe des modernen Layout gesetzt hatte und seinem Auftraggeber auch im gesellschaftlich-politischen Verständnis seines Tuns nahe stand.[46] Bereits in twen hatte Fleckhaus Flächen als eigenständige Elemente der Gestaltung genutzt und die Zeitschrift als integriertes Gesamtkunstwerk inszeniert.[47] Bei Suhrkamp setzte er den Zug ins Offene und Klare fort und entsprach damit den durch das Nachkriegsdesign gesetzten Tendenzen. Durch die in der Gestaltung der edition gewählte Vorlage der Regenbogenfarben strahlte die Objektivität der Formen noch mehr auf den Geltungsanspruch der Werke ab. Adorno fügte dieses Erscheinungsbild in seine Hoffnungen auf Wirkung beim Leser ein:

Daß die edition suhrkamp Dinge von mir bringt, ist mir besonders lieb. Die Form dieser Publikationsreihe sagt mir sehr zu. Sie vereint äußere Anspruchslosigkeit mit Strenge des sachlichen Anspruchs. Diese Verbindung leiht dem Unternehmen unscheinbare Würde. Es ist so angelegt, daß es in jeglicher Hinsicht dem Leserkreis sich anmißt, den Autoren wie ich jedenfalls sich wünschen müssen.[48]

Adornos Wendung von der „unscheinbare(n) Würde“ der Reihe verwies zugleich auf eine weitere Dimension in der Wirkung der Regenbogen-Bände – ihre Funktion als Distinktionsmerkmal. Damit rückte die Präsenz der edition im Bücherregal gerade der jungen Generation der 60er Jahre der zuvor in bildungsbürgerlichen Kreisen gepflegten Repräsentation des eigenen Anspruchs durch die aufwendigen Buchausgaben an die Seite.[49] Dass hiermit eine Spannung zwischen dem aufklärerisch-politischen Anspruch und der Ausformung eines elitären Konsumverhaltens ins Spiel kam, liegt auf der Hand. Die edition suhrkamp funktionierte als „eine Art von Markenartikel“.[50] Damit war die Möglichkeit eröffnet, über das Verlagsangebot zur Identitätsfindung einer jugendlichen Protestkultur beizutragen. Ein Teilnehmer erinnert sich an den Ausklang des Jahrzehnts: „Suhrkamp-Bände und Ostermarschierer-Plaketten wurden angeschafft und sooft das Geld für die Fahrkarte reichte, fuhr man zu Demonstrationen nach Frankfurt, wo wir in den Genossen des SDS neue Bezugspersonen trafen, mit denen wir uns identifizieren konnten.“[51]

Die Reihe partizipierte mit diesen Zügen überdies an den Charakteristika der sich in jenem Jahrzehnt weiter konsolidierenden westdeutschen Konsumkultur, in der Kunststoffe eine auch ästhetisch bedeutsame Rolle einnahmen. In den 60er Jahren war die Gestaltung der Konsumgüter insgesamt „durch Paradigmen wie Ratio und Rationalität, Planbarkeit und Machbarkeit, Modernität und Internationalität durchdrungen.“[52] Diese Orientierung erstreckte sich auch auf den Bereich der Gestaltung von Möbeln, wo Klarheit im Aufbau und Gradlinigkeit der Linienführung „mit Modernität codiert wurden“.[53] Es lag daher nahe, in die Produktwerbung für solche Einrichtungsensembles Bände der edition zu integrieren, um diese symbolische Dimension des Angebots zu unterstreichen.

Das in der Präsentation des Verlags angelegte allgemeine Modernitätsversprechen durchzog auch die inhaltliche Programmgestaltung. Ein Schwerpunkt lag auf den Autoren der Gruppe 47 die seit 1959 – dem Jahr der Übernahme der Verlagsleitung durch Unseld – generell ein größeres Interesse bei Verlegern fanden.[54] Neben der zunehmenden öffentlichen Resonanz der Gruppe auch als Versammlung kritischer Köpfe – was einen CDU-Politiker zu der Bemerkung von einer „geheime(n) Reichsschrifttumskammer“ verleitete – gab es eine weitere Eigentümlichkeit, die eine Affinität zu der Leitungsgruppe des Verlags, mit der sie sich zum Teil personell überschnitt, begründete. Wie der „inner circle“ um Unseld wies auch die Gründung Hans Werner Richters ein deutliches generationelles Profil auf, das ihr Wir- Bewusstsein speiste.[55] Unselds durchaus offensive Form, unterstützt von den Seinen die Verlagsinteressen im Rahmen der Gruppentagungen zur Geltung zu bringen, wurde mitunter als anstößig und der Sache schädlich moniert. Der seinerzeitige Nachwuchsautor Hubert Fichte gibt ein (polemisches) Streiflicht:

Hans Christoph Buch ging drei Tage lang mit großen Schritten, Pfeife im Mund neben Dr. Siegfried Unseld durch die Tagung. Genie und Mentor. Aber alle wollen bei Unseld verlegen und keiner kann ihn ausstehn. Fritsch sagt, Bobrowski hat letztes Jahr den Preis der Gruppe nur gekriegt, weil Peter Weiss bei Unseld verlegt.“[56]

Jedenfalls gelang es der Suhrkamp-Gruppe, Autoren zu werben und die Tagungen deutlich zu prägen, wenn nicht gar zu dominieren.[57] Die Nähe zur Gruppe schärfte das Verlagsprofil zusätzlich.

Eine weitere, spezielle Profilierung ermöglichte verlagsintern die Theatersparte. Die Förderung und schließlich die Durchsetzung Bertolt Brechts in der Bundesrepublik war das nahezu alleinige Verdienst des Verlages, der dabei auf den Frankfurter Intendanten Harry Buckwitz zählen konnte. Die 20-bändige Brechtausgabe im Taschenbuch erschien zur Hochzeit der Protestbewegung Ende der 60er Jahre und erschloss auch hiermit die nachwachsende Generation – 80 % der Käufer waren Schüler und Studenten. Auch ein Triumph der verlegerischen Strategie mit dem Ziel der Breitenwirkung zu erschwinglichem Preis.[58]

Die Reichweite der Theaterangebote Suhrkamps ging weit über Brecht hinaus und schloss auch hier an einen Generationenwechsel an, diesmal im Bereich der Studentenbühnen. Dort hatte sich die Verjüngung der Trägerschaft Ende der 50er in einer Anlehnung an Brecht sowie die Orientierung auf gesellschaftlich-analytische Inszenierungen vollzogen, was zum Vortrab der Politisierung der bundesdeutschen Theaterlandschaft im Folgejahrzehnt wurde. Karlheinz Braun wurde „mit seiner Forderung nach einem ‚Theater des kritischen Bewußtseins‘ eigentliches Agens für diesen neuen Theatertypus.“[59] Braun wurde Leiter der überaus erfolgreichen Theatersparte bei Suhrkamp und war auch als Mitbegründer der experimenta und in den Produktionen seiner Autoren von großem Einfluss.[60] Zum Nutzen des Verlages konnte Braun in der Rückschau zu den späten 60ern festhalten: „In diesen Jahren waren deutschsprachige Theaterstücke mit gegenwärtigen Themen auf den Bühnen der Bundesrepublik präsent wie kaum je zuvor – und die meisten kamen aus dem Hause Suhrkamp.“[61] Das Bemühen des Verlags um Gleichzeitigkeit mit der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung in Westdeutschland triumphierte auch in Peter Handkes Publikumsbeschimpfung, einem Stück, das eine rebellisch-popkulturelle Authentizität verströmte und von Braun der Atmosphäre der seinerzeitigen kreativen Demonstrationsformen zu Recht an die Seite gestellt wird. Handke wurde damit, so Braun, „der erste Popstar unter Deutschlands Dichtern“.[62]

Mit der Pflege seines jüdischen Autorenstamms war der Verlag auf eine bittere Weise ebenfalls auf der Höhe der Zeit. An die bereits unter der Leitung Peter Suhrkamps erfolgte Publikation Walter Benjamins – in enger Kooperation mit dem Suhrkamp verbundenen Adorno – wurde um weitere jüdische Theoretiker und Intellektuelle wie etwa Ernst Bloch und Siegfried Kracauer angeknüpft. Einen anderen Akzent setzte der in diesem Programmsegment persönlich stark engagierte Unseld mit Person und Werk Gershom Scholems. Der Verleger, dessen Initiativen Suhrkamp zu „einem Hauptzeugen der Remigration jüdischer Intellektueller“ werden ließ, zog Scholem und Jacob Taubes als Berater in den engeren Kreis der Profilbildung seines Unternehmens. Auch hier bewährte sich Unselds Strategie der Netzwerkbildung und Stiftung von Verbundenheit im Feld des Verlages und seiner Autoren.[63] Im Bereich der Lyrik stießen Paul Celan und die nach Schweden emigrierte Nelly Sachs hinzu, um die sich Enzensberger besonders intensiv bemühte.[64]

Mit Peter Weiss stand ein ebenfalls nach Schweden emigrierter und von Enzensberger bei Suhrkamp geförderter Autor mit teils jüdischem Familienhintergrund deutlich direkter im politischen Anspruch des Verlages und auf der Bühne der Öffentlichkeit. Der von Fritz Bauer in Frankfurt angebahnte und auf jüngere Mitarbeiter gestützte erste Auschwitz-Prozess wurde der Ausgangspunkt für Weiss’ Stück Die Ermittlung, dessen eindringliche Klassizität bei Sparsamkeit in den Mitteln in der Bundesrepublik große Wirkung entfaltete und auch in der DDR simultan uraufgeführt wurde. Unseld verband mit dieser Arbeit die Hoffnung, im Kontext der Debatte um die Verjährung von NS-Verbrechen eine politische Rolle zu spielen und zog auch Fritz Bauer bei der Entstehung des Stückes hinzu.[65] Widerhall fand auch Martin Walsers Essay Unser Auschwitz, der in der ersten Nummer der neuen Suhrkamp-Zeitschrift Kursbuch erschien.

Das 1965 erstmals erschienene Kursbuch wurde – obwohl anders gedacht – bald zum zweiten politischen Flaggschiff des Verlags neben der edition. Der Akzent lag jedoch nicht auf dem Nationalsozialismus bzw. dessen Aufarbeitung, sondern auf der gegenwärtigen politischen Richtungsdiskussion, insbesondere Fragen der sog. „Dritten Welt“, die sich im Zuge der Entkolonialisierung in Umrissen konstituierte. Unter der Herausgeberschaft Enzensbergers und im Fleckhaus-Design gehalten wurde das Kursbuch schnell zum zentralen Bezugspunkt der Neuen Linken mit themensetzender Kraft, so dass man versucht sein kann, die Zeitschrift als Ausgangspunkt dieser Formation zu sehen.[66] Die problematische Stellung der Zeitschrift, die als Periodikum ein markanteres politisches Profil bildete als andere Publikationen des Hauses, und ihr Wechsel zu Wagenbach 1970 verweist dabei auf interne Spannungen, die das Unternehmen zum Ende des Jahrzehnts erschütterten und die zwar aus betrieblichen Gründen erwuchsen, unterschwellig jedoch aus der politischen Dynamik des Modernisierungsprojekts, in dem der Verlag seinen Platz fand, gespeist wurden.

Deren doppeltes Motiv der Modernisierung als Rationalisierung und zugleich Demokratisierung war deutbar und konnte Spannungen erzeugen.[67] Die Privilegierung des überlegt-planerischen, dabei emotional distanzierten Vorgehens fand im Wissenschaftler, insbesondere im Sozialwissenschaftler ein Leitbild. Diese Leuchtturmfunktion trug nicht nur den im Verlag starken theoretisch-soziologischen Programmanteil. Sie wirkte zugleich als richtungweisend hin zur gesellschaftlich-politischen Entwicklung – nicht zum Umsturz und der mit ihm verbundenen emotionalen Hitze. Daher trafen die altrechten Aufbrüche im Kontext der 1964 gegründeten NPD und ihre Erfolge auf Länderebene auf Abwehr, aber auch der neulinken Emphase der APO galt ein Vorwurf der Irrationalität. Gabriele Metzler resümiert diesen Zusammenhang:

Aus der Diskurskoalition zwischen wissenschaftlichen und politischen Akteuren – es dominierten Sozialwissenschaftler, Intellektuelle im weiteren Sinne und Sozialdemokraten – gingen in den sechziger Jahren die maßgeblichen Konzeptionen von Staat, Politik und Demokratie hervor. Getragen wurde die Diskurskoalition von identischen Interessen und Wertvorstellungen, die durch teils gemeinsame generationelle Prägungen noch verstärkt wurden. Nicht alle, aber auffallend viele ihrer Mitglieder zählten zur Generation der „45er“ …[68]

Gesellschaftlich verankert wurde diese große Koalition der Modernisierer jedoch mehr noch von einer in den 60er Jahren dominant werdenden Umwälzung der materiellen und in der Folge auch habituellen Lebenswelt. Der Wandel im Ideal des alltagsästhetischen Erscheinungsbilds kann als eine Form der ästhetischen Entproletarisierung beschrieben werden. Insbesondere die aufkommende Popkultur erwies sich als Vehikel eines Lebensstilwandels.[69] Schlaglichtartig verdeutlicht dies eine Verschiebung im Kleidungsstil der männlichen Bevölkerung: während 1958 fast durchweg Oberhemden auf Baumwollbasis getragen wurden, erreichten Synthetikhemden 1962 bereits einen Produktionsanteil von 40 %.[70] Dem korrespondierte vielfach eine Verschiebung im Repertoire gesellschaftlich handlungsorientierender Leitbilder hin zum Typus des Konsumbürgers mit einem stärker auf die Gegenwart orientierten Zeitbewusstsein – ein nicht auf die Bundesrepublik in Westeuropa beschränkter Trend. Die französische Schriftstellerin Annie Ernaux bemerkt zu diesem Zeitraum: „Das immer schnellere Aufkommen neuer Produkte drängte die Vergangenheit zurück.“[71] In den Beobachtungen Ernauxs zeigt sich das Ineinander von politischer Aufbruchstimmung und wachsender Konsumorientierung. Als Klammer beider Tendenzen wirkte die Funktion der Markenartikel in diesem Jahrzehnt der „explosiven Sortimentserweiterung“.[72] Markenartikel, die seit den 50er Jahren an Zahl zunahmen, strukturierten die zunehmende Komplexität des Angebots und rückten in eine wichtige soziale Ordnungsfunktion ein. Sie vermittelten Dauerhaftigkeit in einer Zeit rapiden Wandels und bildeten in ihrer Gestaltung ein Versprechen auf zuverlässige Qualität ab. Diese komplexe Symbolik machte Markenartikel gleichsam zu Leuchtfeuern für die individuelle Selbstdefinition und zu sozialen Kommunikatoren. Und sie waren dabei keineswegs unpolitisch: „Die kommerziellen Produktkommunikationen machten in der Tat umfassende kulturelle reorientation-Angebote, widerspiegelten gesellschaftliche Ideale und wiesen zuverlässig die dorthin einzuschlagenden Konsum-Wege.“[73] Diese Doppelung von politischer Identität und bzw. durch Konsumentenidentität traf auch auf das Produktangebot des Suhrkamp-Verlags zu. Der Verleger Lothar Menne erinnerte sich an eine untergründige Spannung in den bundesdeutschen Universitäten zu Beginn der 60er Jahre und fährt fort:

Wenig später eroberten kleine Bücher in schillernden Regenbogenfarben die demonstrativ schlichten Regale studentischer Wohnungen; die ‚edition suhrkamp‘ wurde zum dekorativen Ausweis kritischer Gesinnung. Noch heute kann ich mit geschlossenen Augen – und ohne in die Bibliothek zu linsen – aufsagen, welcher Titel in welcher Farbe steckt. Natürlich ging es um Bewußtsein, nicht um Design, aber daß die Bändchen so gut aussehen und sich so angenehm anfassen, erleichterte den Zugang zu einer neuen Gedankenwelt, die das Wissen um Schuld und die Kritik an gesellschaftlicher Betonierung in gescheite Zusammenhänge stellte.[74]

Claus Kröger sieht in der edition zu Recht „eine Art von Markenartikel“.[75] Die Verklammerung von politischer Positionierung und Lebenstil-Signalelement weitete sich im Zuge der Ausbildung von Jugend- und subkulturellen sowie systemkritischen Milieus im Fortschreiten des Jahrzehnts aus.[76]

Diese Ausdifferenzierung der politisch-kulturellen Milieus auch an einer nun aufbrechenden Generationenlinie entlang wurde durch die im Dezember 1966 gebildete Große Koalition zwischen CDU/CSU und SPD auf Bundesebene aktualisiert. Die zuvor tragende Allianz der Modernisierer, wie sie sich auch auf der Leitungsebene des Verlags dargestellt hatte, löste sich in zwei zunehmend antagonistische Flügel auf – die Gruppe der weiterhin in einem (links)liberalen Sinne zuversichtlichen Reformer und eine systemoppositionell gewordene Gruppierung, die das bundesdeutsche System als geschlossen repressiv insgesamt verwarf.[77] Unterhalb dieser politisch-programmatischen Differenzen hatte die expansive Entwicklung des Unternehmens auch innerbetrieblich Reibungszonen geschaffen. Gegenüber Max Frisch wies Unseld auf einen Trend in der Arbeitsorganisation hin: „Diese Arbeiten sind in den letzten Jahren so spezifiziert worden, daß es nicht mehr möglich ist, daß einer, außer meiner Person, sie noch ganz übersieht.“[78] So gesehen war jenseits persönlicher Temperamente und Ansprüche eine wachsende Hierarchisierung und Parzellierung des Betriebsablaufs die zwangsläufige Folge, wollte man nicht eine gänzlich andere Leitungsstruktur installieren. Ansonsten blieb eine Tendenz zur „Entfremdung“ der Produzenten im Produktionsprozess, die sich mit dem politischen Profil des Verlags schlecht vertrug. Es waren insbesondere Titel des Suhrkamp-Programms, die eben diese Schwerpunktthemen der Protestbewegung teils verbreitet, teils geradezu gesetzt hatten. Neben den Klassikern der Frankfurter Schule waren weitere Autoren an der Etablierung zentraler Begriffsfelder und Theoreme beteiligt. Alexander Mitscherlich etwa griff in Die Unwirtlichkeit unserer Städte die architektonische Erscheinungsweise der Anonymisierung als „Entfremdung“ auf. Das Thema war gleichsam die Kehrseite des Modernisierungsprozesses, der Westeuropa zu prägen begann und ein mitlaufendes Thema des Jahrzehnts bildete.[79] Auf dieser Ebene kollidierten die Arbeitswirklichkeit des Verlages und der Anspruch des Programms.

Die Distanz der nachwachsenden Protagonisten des APO-Lagers zur Mentalität der Reformer tat ein Übriges, um die Konfrontation zu verschärfen.[80] Dies schloss nicht weiter bestehende Verbindungen, politische und berufliche Berührungspunkte und gemeinsame Initiativen aus. Die Bewegung gegen die von der Bonner Großen Koalition geplanten Notstandsgesetze führte die unterschiedlichen Strömungen zusammen. Im Kuratorium „Notstand der Demokratie“ fanden sich politisch unterschiedlich profilierte Autoren des Suhrkamp-Kreises wie Habermas, Walser, Mitscherlich und Enzensberger. Doch die am Vorabend der Gesetzgebung abgehaltene Versammlung mit Unseld als einem Einladenden im großen Sendesaal des hessischen Rundfunks war bereits von internen Auseinandersetzungen geprägt.[81] Den Endpunkt setzte der vielfach beschriebene sog. „Lektorenaufstand“ im Verlag im Herbst 1968. Der ausscheidende Cheflektor Walter Boehlich entfaltete gegenüber Ingeborg Bachmann das Tableau der aufgelaufenen Differenzen:

Also: es ging nicht mehr mit Unseld und mir. … Zum Schluss gab es kaum noch etwas, worin wir übereingestimmt hätten, ganz gleich ob es sich um die innere Organisation des Verlages, um den Besuch der Leipziger Messe, sein Auftreten während der Frankfurter Messe, sein Wirken in allen möglichen Gremien, meine Arbeit und vor allem um die unüberbrückbare Kluft zwischen der Ideologie unseres Verlagsprogrammes und der Arbeitswirklichkeit des Verlages und seinem Handeln handelte.[82]

Das war der Abgesang auf eine auch politische Arbeitsgemeinschaft. An ihrem Anfang stand die kulturelle und lebensweltliche Dynamik des Jahrzehnts, die zum Medium einer stark generationell getragenen mentalen Transformation weiter Teile des westdeutschen Bürgertums wurde. Gerade die an fordistische Produktionsmuster angelehnte, seriell ausgerichtete und mit den Eigenschaften der neuen Werkstoffe verbundene Ästhetik war dabei ein Vehikel der neuen Selbstfindung und -darstellung. Das Werk Andy Warhols war für diesen Trend charakteristisch, und es ist daher kein Zufall, dass der New Yorker Porträtist Unselds stark auf den Block der edition suhrkamp reagierte, den er in Frankfurt sah.[83] Diese zukunftsorientierte Perspektivierung erklärt auch den geringen Stellenwert, den klassische historische Themen im Programm einnahmen – mit der einen Ausnahme des Komplexes NS und Judentum. Doch auch hier war der Horizont einer Fundamentierung eines neuen Aufbruchs zumindest eine starke Komponente der Zuwendung. Die Ambivalenz dieses Prozesses der Modernisierung als beschleunigter Entfremdungsprozess wurde dabei nicht ausgespart: Hier wurde eine Bruchstelle im Lager der „Modernisierer“ sichtbar. Trotz der kritischen Grundhaltung wirkte die ästhetisch vermittelte Stabilisierung eines neubürgerlichliberalen Habitus zugleich als Kanalisierung und Bremse gegen eine weitere Radikalisierung, wie sie den systemkritischen Vertretern der Neuen Linken auch im Verlag am Herzen lag. Gerade die als Lebensstil vermittelte kritische Bürgerlichkeit und der dabei etablierte Raum einer euroatlantischen intellektuellen Öffentlichkeit trugen dazu bei, die Attraktivität des westlichen Lagers im Systemkonflikt des Kalten Krieges im Sinne einer „soft power“ zu stärken. Die starke Stellung, die Suhrkamp auf der DDR-Buchmesse in Leipzig zukam, zeugt davon.

Anmerkungen

[1] Siegfried Unseld: Der Marienbader Korb. Über die Buchgestaltung im Suhrkamp Verlag. Willy Fleckhaus zu ehren. Hamburg 1976, S. 14. In diesem Sinne urteilt auch Claus Kröger, der Suhrkamp den Verlag als eine „tendenziell antiökonomische Institution“ sehen lässt. Ders.: „Establishment und Avantgarde zugleich?“. Siegfried Unseld und der Börsenverein des deutschen Buchhandels 1967/68, in: Ingrid Gilcher-Holtey (Hrsg.): Positionskämpfe europäischer Intellektueller im 20. Jahrhundert. Berlin 2006, S. 311‒331, hier S. 321.

[2] Peter Suhrkamp: Verleger und Leserschaft, in: In memoriam Peter Suhrkamp. Frankfurt am Main 1960, S. 126f.

[3] Friedrich Voit: Der Verleger Peter Suhrkamp und seine Autoren. Kronberg im Taunus 1975, S. 94, 99.

[4] Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Die Gruppe 47. Ein kritischer Grundriß. München 1980, S. 209.

[5] Hellmuth Karasek beschreibt sie als „zwei lebensfrohe Kumpane, die gemeinsam Ski fuhren und die literarischen Partys beherrschten.“ Er setzt hinzu, dass Walsers Freunde „immer auch seine Rivalen“ gewesen seien. Ders.: Auf der Flucht. Erinnerungen. Berlin 2004, S. 374f.

[6] Vgl. Jörg Magenau: Martin Walser. Eine Biographie. Reinbek 2008, S. 152, 245.

[7] Unseld an Enzensberger, 25.6.1957, in: Siegfried Unseld: Briefe an die Autoren. Frankfurt am Main 2004, S. 12.

[8] Siehe zu Enzensbergers Zeit als Lektor Jörg Lau: Hans Magnus Enzensberger: Ein öffentliches Leben. Berlin 1999, S. 107ff.

[9] Vgl. Die Katze Erinnerung. Uwe Johnson – eine Chronik in Briefen und Bildern, zusammengestellt von Eberhard Fahlke. Frankfurt am Main 1994.

[10] Karlheinz Braun: Herzstücke. Leben mit Autoren. Frankfurt am Main 2019, S. 85.

[11] Vgl. Magenau: Walser, S. 155f.

[12] Vgl. Helmut Böttiger: Elefantenrunden. Walter Höllerer und die Erfindung des Literaturbetriebs. Berlin 2005, S. 78.

[13] Böttiger: Elefantenrunden, S. 8.

[14] Stefan Müller-Doohm: Adorno. Eine Biographie. Frankfurt am Main 2003, S. 709, 543.

[15] Tobias Freimüller: Alexander Mitscherlich. Gesellschaftsdiagnosen und Psychoanalyse nach Hitler. Göttingen 2007, S. 230.

[16] Zitiert nach: Harry Buckwitz. Schauspieler, Regisseur, Intendant 1904–1987. Hrsg. von der Stiftung Archiv der Akademie der Künste Berlin. Berlin 1998, S. 44.

[17] Vgl. hierzu und zum Folgenden Christina von Hodenberg: Konsens und Krise. Eine Geschichte der westdeutschen Medienöffentlichkeit 1945–1973. Göttingen 2006; sowie Dirk Moses: Die 45er. Eine Generation zwischen Faschismus und Demokratie, in: Neue Sammlung 40 (2000), S. 233–263.

[18] Hodenberg: Konsens und Krise, S. 253.

[19] Christina von Hodenberg: Konkurrierende Konzepte von „Öffentlichkeit“ in der Orientierungskrise der 60er Jahre, in: Matthias Frese, Julia Paulus, Karl Teppe (Hrsg.): Demokratisierung und gesellschaftlicher Aufbruch. Die sechziger Jahre als Wendezeit der Bundesrepublik. Paderborn 2003, S. 205‒226, hier S. 208.

[20] Siehe zu dieser Einrichtung Niall Ferguson: Kissinger. Der Idealist 1923–1968. Berlin 2016, S. 312, 318. Auch Walser, Ingeborg Bachmann und Walter Höllerer gehörten zu den Absolventen.

[21] Heinz Bude: Bürgertumsgenerationen in der Bundesrepublik, in: Manfred Hettling, Bernd Ulrich (Hrsg.): Bürgertum nach 1945. Hamburg 2005, S. 111–132, hier S. 122.

[22] Vgl. Ulrich Herbert: Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert. Bonn 2014, S. 760. Erich Kubys Buch Das ist des Deutschen Vaterland. 70 Millionen in zwei Wartesälen erschien 1957.

[23] Anselm Doering-Manteuffel: Eine neue Stufe der Verwestlichung? Kultur und Öffentlichkeit in den 60er Jahren, in: Axel Schildt, Detlef Siegfried, Karl Christian Lammers (Hrsg.): Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften. Hamburg 2000, S. 661‒672, hier S. 661.

[24] Vgl. Axel Schildt: Ankunft im Westen. Ein Essay zur Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik. Frankfurt am Main 1999, S. 100ff.

[25] Frank Biess: Republik der Angst. Eine andere Geschichte der Bundesrepublik. Bonn 2019, S. 158f.

[26] Vgl. Axel Schildt: Die 60er Jahre – eine Dekade im Schatten des Mythos von ’68, in: Monika Estermann, Edgar Lersch (Hrsg.): Buch – Buchhandel – Rundfunk. 1968 und die Folgen. Wiesbaden 2003, S. 9–29, hier S. 26.

[27] Vgl. Moritz Scheibe: Auf der Suche nach der demokratischen Gesellschaft, in: Ulrich Herbert (Hrsg.): Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisierung 1945–1980, S. 245‒277.

[28] Gabriele Metzler: Konzeptionen politischen Handelns von Adenauer bis Brandt. Politische Planung in der pluralistischen Gesellschaft. Paderborn 2005, S. 209ff.

[29] Vgl. Paul Betts: The Authority of Everyday Objects. A Cutural History of West German Industrial Design. Berkeley e. a. 2004, S. 9: „Like other postwar reformers, this new design culture was inspired by the idea of transforming the wreckage of the past into a brave new world of postfascist modernity.“ Siehe auch ders.: Ästhetik und Öffentlichkeit. Westdeutschland in den fünfziger Jahren, in: Bernd Weisbrod (Hrsg.): Die Politik der Öffentlichkeit – Die Öffentlichkeit der Politik. Göttingen 2003, S. 231‒260.

[30] Wolfgang Ruppert: Zur Konsumwelt der 60er Jahre, in: Axel Schildt u. a. (Hrsg.): Dynamische Zeiten, S. 752‒767, hier S. 757.

[31] Detlef Siegfried: Vom Teenager zur Pop-Revolution. Politisierungstendenzen in der westdeutschen Jugendkultur 1959 bis 1968, in: Axel Schildt u. a. (Hrsg.): Dynamische Zeiten, S. 582‒623, hier S. 585f.

[32] Vgl. Hodenberg: Konsens und Krise.

[33] Jörg Magenau resümiert: „Die sechziger Jahre waren das heroische Zeitalter der Intellektuellen.“ Ders.: Walser, S. 167. Zum Theater vgl. Braun: Herzstücke, S. 110.

[34] Henning Ritter: Der Autor, der nicht schreibt. Für Günter Busch zum 60. Geburtstag, in: Rebekka Habermas, Walter H. Pehle (Hrsg.): Der Autor, der nicht schreibt. Versuche über den Büchermacher und das Buch. Frankfurt am Main 1989, S. 181‒191, hier S. 188.

[35] Vgl. etwa Clemens Albrecht: Die intellektuelle Gründung der Bundesrepublik. Eine Wirkungsgeschichte der Frankfurter Schule. Frankfurt am Main 1999.

[36] Unseld an Adorno, 12.6.1959 bzw. 25.2.1962, in: „So müßte ich ein Engel und kein Autor sein“. Adorno und seine Frankfurter Verleger. Der Briefwechsel mit Peter Suhrkamp und Siegfried Unseld. Frankfurt am Main 2003, S. 314, 414.

[37] Peter Michalzik bemerkt treffend: „Die gesamte Gesellschaft mit Gesellschaftskritik überziehen: So konnte Unseld Suhrkamps elitäres Konzept aufweichen, ohne es zu verraten.“ Ders.: Unseld, S. 130.

[38] Ironischerweise war es nach Unselds Bekunden gerade Enzensberger, der in seiner Kritik der Bewußtseinsindustrie „in mir jene Hemmung beseitigt (hat), die mich bis dahin hinderte, selbst Taschenbücher zu machen.“ Unseld: Der Marienbader Korb, S. 26.

[39] Siegfried Unseld: edition suhrkamp – Geschichte und Gegenwart, in: „Macht unsre Bücher billiger!“ Die Anfänge des deutschen Taschenbuchs 1946–1963. Bremen 1994, S. 101‒113, hier S. 102.

[40] Arnold: Die Gruppe 47, S. 172

[41] Schildt: Die 60er Jahre, in: Estermann, Lersch (Hrsg.): Buch – Buchhandel – Rundfunk, S. 22.

[42] In diesem Sinne Jürgen Habermas: Über Titel, Texte und Termine oder Wie man den Zeitgeist reflektiert – Ein Glückwunsch, in: Habermas, Pehle: Der Autor, der nicht schreibt, S. 3‒6, hier S. 6.

[43] Urs Widmer: 1968, in W. Martin Lüdke (Hrsg.): Nach dem Protest. Literatur im Umbruch. Frankfurt am Main 1979, S. 14–27, hier S. 22.

[44] So Clemens Albrecht: Die Intellektuelle Gründung der Bundesrepublik, S. 307.

[45] So Unseld über die Gestaltung der Bücher des Verlags: Der Marienbader Korb, S. 90, bzw. ders.: edition suhrkamp – Geschichte und Gegenwart, in: „Macht unsre Bücher billiger!“, S. 104.

[46] Sein twen-Kollege Adolf Theobald äußerte zu Fleckhaus: „In der Gruppe, die sich bei twen zusammenfand, hatten alle den Eindruck, sie seien in den vierziger Jahren um ihre Jugend betrogen worden. Fleckhaus bereits in den dreißiger Jahren. Er war noch Soldat gewesen und fand das gar nicht lustig. Von daher kam auch sein Engagement: So etwas darf nicht mehr passieren. Er hatte einen großen Nachholbedarf an Jugend“, zitiert nach Michael Koetzle, Carsten M. Wolff: Fleckhaus. Deutschlands erster art-director. München/Berlin 1997, S. 137.

[47] In diesem Sine auch Koetzle, Wolff: Fleckhaus, S. 44.

[48] Adorno an Unseld, 9.5.1963: „So müßte ich ein Engel und kein Autor sein“, S. 446.

[49] Vgl. Koetzle, Wolff: Fleckhaus, S. 167.

[50] Claus Kröger: „Establishment und Avantgarde zugleich?“, in: Gilcher-Holtey (Hrsg.): Positionskämpfe europäischer Intellektueller im 20. Jahrhundert, S. 322.

[51] Frühe Unordnung und spätes Leid – Ein Antiautoritärer aus der Provinz wird „Parteikader“, in: Wir warn die stärkste der Partein … Erfahrungsberichte aus der Welt der K-Gruppen. Berlin 1977, S. 88.

[52] Rainer Gries: Der Vertrieb von Vertrauen. Überlegungen zu Produktkultur und politischer Öffentlichkeit, in: Bernd Weisbrod (Hrsg.): Die Politik der Öffentlichkeit – Die Öffentlichkeit der Politik. Göttingen 2003, S. 261–283, hier S. 278.

[53] Wolfgang Ruppert: Zur Konsumwelt der 60er Jahre, in: Axel Schildt u. a. (Hrsg.): Dynamische Zeiten, S. 760.

[54] Magenau: Walser, S. 185.

[55] Friedhelm Kröll: Die Gruppe 47. Soziale Lage und gesellschaftliches Bewußtsein literarischer Intelligenz in der Bundesrepublik. Stuttgart 1977, S. 135.

[56] Hubert Fichte: Der Kleine Hauptbahnhof oder Lob des Strichs. Frankfurt am Main 1988, S. 206.

[57] Kröll: Gruppe 47, S. 182; Arnold: Gruppe 47, S. 166.

[58] Siegfried Unseld: Bertolt Brecht und seine Verleger, in ders.: Der Autor und sein Verleger. Vorlesungen in Mainz und Austin. Frankfurt am Main 1978, S. 111‒171, hier S. 150f. Unseld an Helene Weigel, 19.9.1967, in ders.: Briefe an die Autoren, S. 57.

[59] Marlies Hübner: Studententheater im Beziehungsgeflecht politischer, gesellschaftlicher und kultureller Auseinandersetzung, mit einem Ausblick auf die Theaterszene der sechziger und siebziger Jahre. Phil. Diss. Erlangen-Nürnberg 1988, S. 91. Vgl. auch Dorothea Kraus: Theater-Proteste. Zur Politisierung von Straße und Bühne in den 1960er Jahren. Frankfurt am Main 2007.

[60] Siehe etwa die gallige Bemerkung des Regisseurs Peter Zadek: „Karl-Heinz Braun hat viele Autoren beeinflußt – was er alles verdorben hat, kann man gar nicht mehr zurückchecken. Aber vielleicht wäre Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats, dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade ohne diese Verderbnis nicht so ein großer Erfolg gewesen.“ Ders.: My Way. Köln 1998, S. 457.

[61] Braun: Herzstücke, S. 193.

[62] Braun: Herzstücke, S. 140f.

[63] Liliane Weissberg: Über Haschisch und Kabbala. Gershom Scholem, Siegfried Unseld und das Werk von Walter Benjamin. Marbach am Neckar 2012, S. 20f., 29.

[64] Vgl. Ruth Dinesen: Nelly Sachs. Eine Biografie. Frankfurt am Main 1992, S. 274ff.

[65] Vgl. Rainer Gerlach: Die Bedeutung des Suhrkamp-Verlags für das Werk von Peter Weiss. St. Ingbert 2005, S. 167. Irmtrud Wojak: Fritz Bauer 1903–1968. Eine Biographie. München 2009, S. 354ff.

[66] Vgl. Peter Hamm: Opposition – am Beispiel H. M. Enzensberger, in: Joachim Schickel (Hrsg.): Über Hans Magnus Enzensberger. Frankfurt am Main 1970, S. 252–262, hier S. 254f. Henning Marmulla: Das Kursbuch: Nationale Zeitschrift, internationale Kommunikation, transnationale Öffentlichkeit, in: Martin Klimke, Joachim Scharloth (Hrsg.): 1968. Handbuch zur Kultur- und Mediengeschichte der Studentenbewegung. Bonn 2008, S. 37–47, hier S. 37.

[67] Siehe zum Folgenden Metzler: Konzeptionen politischen Handelns, S. 270ff.

[68] Metzler: Konzeptionen politischen Handelns, S. 423.

[69] Beispielhaft für die Symbiose von Unterhaltungskultur und Fortschrittszugewandtheit stehen zwei Hits, die den technischen Fortschritt und die Erschließung des urbanen Lebensraums feiern: „Telstar“ von den Tornados und „Downtown“ von Petula Clark.

[70] Arne Andersen: Der Traum vom guten Leben. Alltags- und Konsumgeschichte vom Wirtschaftswunder bis heute. Frankfurt am Main 1997, S. 102.

[71] Wolfgang Ruppert: Um 1968 – Die Repräsentation der Dinge, in: ders. (Hrsg.): Um 1968 – Die Repräsentation der Dinge. Marburg 1998, S. 11‒45, hier S. 14f. Annie Ernaux: Die Jahre. Frankfurt am Main 2019, S. 92.

[72] Andersen: Traum vom guten Leben, S. 61.

[73] Rainer Gries: Produkte als Medien. Kulturgeschichte der Produktkommunikation in der Bundesrepublik und der DDR. Leipzig 2003, S. 576. Vgl. zu diesem Aspekt auch Kai Uwe Hellmann: Fetische des Konsums. Studien zur Soziologie der Marke. Wiesbaden 2011.

[74] Lothar Menne: Lebensgeschichte in überfüllten Regalen, in: Verleger als Beruf, Siegfried Unseld zum fünfundsiebzigsten Geburtstag. Frankfurt am Main 1999, S. 101.

[75] Claus Kröger: „Establishment und Avantgarde zugleich?“, in: Gilcher-Holtey (Hrsg.): Positionskämpfe europäischer Intellektueller im 20. Jahrhundert, S. 322.

[76] Pointiert formuliert durch Elizabeth Heineman: Jörg Schröder. Linkes Verlagswesen und Pornographie, in: Sven Reichardt, Detlef Siegfried (Hrsg.): Das Alternative Milieu. Antibürgerlicher Lebensstil und linke Politik in der Bundesrepublik Deutschland und Europa 1968–1983. Göttingen 2010, S. 290–312, hier S. 293.

[77] Vgl. Biess: Republik der Angst, S. 238.

[78] Unseld an Frisch, 1.2.1966, in: Siegfried Unseld: Briefe an die Autoren, S. 45.

[79] Auch im Film. Deutlich wird die Entfremdungsthematik bei Michelangelo Antonioni entwickelt. Bezeichnend auch die entsprechenden Bildfolgen zu Isolation und Stadtraum in Alexander Kluges Abschied von gestern.

[80] Vgl. Christina von Hodenberg: Konkurrierende Konzepte von „Öffentlichkeit“ in der Orientierungskrise der 60er Jahre, in: Frese u. a. (Hrsg.): Demokratisierung und gesellschaftlicher Aufbruch, S. 222ff.

[81] Boris Spernol: Notstand der Demokratie. Der Protest gegen die Notstandsgesetze und die Frage der NS-Vergangenheit. Essen 2008, S. 85f.

[82] Boehlich an Bachmann, Dezember 1968, in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20.10. 2010.

[83] Unseld: edition suhrkamp – Geschichte und Gegenwart, in: „Macht unsre Bücher billiger“, S. 106.