Leichen im Ausverkauf

(1969)

Von Marcel Reich-RanickiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Marcel Reich-Ranicki

So nachlässig können Sie schreiben, wenn Sie berühmt geworden sind; jetzt müssen Sie sich noch Mühe geben“, soll Voltaire einem Anfänger gesagt haben.

Daß schon ein bißchen Ruhm genügt, um viele Autoren milde gegen sich selber zu stimmen – wen kann das wundern? Von Rezensenten gelobt, von Verlegern bedrängt, von Redakteuren hofiert, sind sie oft bereit, halbfertige Arbeiten zu liefern und sogar Manuskripte hervorzuholen, die sie selber oder andere noch vor wenigen Jahren entschieden verworfen hatten: Liegengebliebene Ware soll – meist zu ermäßigten Preisen – an den Mann gebracht werden. Diese beliebten schriftstellerischen Saisonausverkäufe erinnern uns alljährlich an den schönen Musil-Titel „Nachlaß zu Lebzeiten“. Ein Grund zur Aufregung? Nein, ganz gewiß nicht. Nur geht es darum, das Kind sehr deutlich beim Namen zu nennen.

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