Eine Stimme von drüben

Franz Fühmann: „Stürzende Schatten“ (1959)

Von Marcel Reich-RanickiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Marcel Reich-Ranicki

Die Flut der pseudoliterarischen Produkte, die in der Zone gedruckt, gerühmt und sogar preisgekrönt werden, sollte uns nicht den Blick für die wenigen nennenswerten Bücher verbauen, die man dort mitunter veröffentlicht. Ein vor kurzem erschienenes Novellenbändchen zeugt nicht nur von der bemerkenswerten Begabung eines jüngeren Schriftstellers, sondern macht gleichzeitig auf erschreckende Weise deutlich, wie gering der Spielraum ist, der jenseits der Elbe der künstlerisch ehrgeizigen Literatur zugebilligt wird.

Franz Fühmann, Jahrgang 1922, ist im Grunde von einem einzigen Thema besessen: der Auseinandersetzung mit dem Kriegserlebnis. Und damit sind bereits die Schwierigkeiten, mit denen er in der Zone zu kämpfen hat, angedeutet. Da nämlich den Kulturpolitikern vor allem an der linientreuen Verherrlichung der Verhältnisse in der sogenannten DDR gelegen ist, wird der Autor, der die Kriegszeit behandelt, in der Regel der Flucht in die Vergangenheit verdächtigt. So ließ sich auch Fühmann aus seiner Thematik verdrängen und schrieb erst 1955 (als sich eine vorübergehende Entspannung spürbar machte) die recht gute, an der Ostfront des Jahres 1941 spielende Novelle „Kameraden“.

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