6.-8.11.2018 – niedergeschmettert

 

6.11.2018

Wieder sind 30 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Wie oft habe ich nicht davon gesprochen.
Fast immer. Und so wird es weitergehen. Die Scham wird mich überleben, die Empörung nicht. 

Mamadou! Er hat gedacht, ich würde den Camion – ich weiß noch immer nicht, was für ein Auto er meint – bezahlen, wenn er ihn aussucht. Er hat schon alles mit einer Malierin in Frankreich organisiert, das Geld sollte direkt an den Verkäufer gehen.
Ich habe sofort geantwortet, um das Missverständnis aufzuklären, ihn gefragt, wie er das verstanden hat, als ich gerade letzte Woche wieder einmal geschrieben habe: Ich kann nicht mehr als 200 € im Monat schicken.
Er sagt, er habe das nicht verstanden. Als ich gesagt habe, er muss sich selbst darum kümmern, hat er gemeint: um das Auto, nicht um das Geld. Bezahlen würde ich. 

Ich bin fassungslos. Was habe ich falsch gemacht? Und was kann ich tun? Ein Kredit?
Für ein Auto?!? Wie lange wird es fahren können? Wie oft wird es nicht fahren können?
– Wenn du so denkst, wird es nie was!
Aber ich möchte doch noch schlafen können! Das ist mein letztes Argument, dagegen kann noch keiner was sagen. Außer mir.

Mamadou ist bouleversé – niedergeschmettert, schreibt er. Er habe schon geträumt, jetzt hat er eine Hoffnung verloren.
Er weiß nicht, wie er es den Leuten sagen soll, er meint, wir müssen über die Frage nachdenken. Er weiß nicht, was in der Zukunft sein wird. Er denkt, wenn ich dazu komme, dieses einmal für ihn zu machen, wird es besser werden und er wird mich nicht mehr belästigen. Er versteht, dass es eine große Summe ist.
Und wer bezahlt dann die Ersatzteile?

Mein Tag ist nicht mehr mein Tag. Wie soll ich einfach so weiterleben, wenn es dort nicht mehr weiter geht. Und ich könnte es ändern.
Könnte ich nicht. Aber ich will noch schlafen können.

Das war gestern.
Ich konnte schlafen. Heute spüre ich Ärger. Warum sagt einer zu mir: Kauf mir ein Auto!
Warum muss ich mich schuldig fühlen, wenn ich es nicht tue?!?

Zurück zur Internet-Idee: ein altes Auto für Timbuktu?
Ich werde den Freund fragen, der den Platz für ohnesinn.net für mich im Netz reserviert hat. Das ist es.
Und den anderen anrufen, der mich nach Afrika gebracht hat, als er mich nach Ouaga an die Uni gelotst hat.

Jetzt habe ich das Gefühl: Es geht etwas weiter. Aber Mamadou sage ich noch nichts.
Für mich denke ich: Wenn etwas geht, werde ich die Verbindung mit Mamadou unterbrechen. Würde nicht wissen wollen, was dann nicht mehr geht. Will keine Enttäuschung mehr, auch nicht häppchenweise.

Ich gehe mit dem Tagebuch an den Anfang zurück im Dezember 2002, als ich zum ersten Mal nach Timbuktu kam. Da ist von Mamadou noch gar nicht die Rede, dabei hat er uns tagelang die Stadt gezeigt. Er war ein guter Guide. Zum Abschied fragten wir ihn, was er sich wünschen würde, er meinte: eine Uhr. Das war alles. 

Mali 29.12.2002

Timbuktu
Fünf Tage und Nächte mit Ibrahim und Mohammad. Am Heiligen Abend sind wir hinausgegangen in die Wüste: Heute kehren wir nach Timbuktu zurück.

31.12.2002 

Um 22.00 in Timbuktu. Eine Gruppe von Menschen läuft mit schnellen Schritten von rechts nach links über unseren Weg. Die ersten tragen ein langes weißes Stoffpaket. Ein Kind ist gestorben. Es ist ein Begräbnis. Sie gehen zum Friedhof. Zwei Stunden später bringt man es unter die Erde. So eine Eile.

1.1.2003

Wieder auf dem Fluss. Timbuktu ade.
12 Tage sind wir schon unterwegs und ich hatte kaum oder kein Bedürfnis, etwas aufzuschreiben. Dabei bin ich aber sehr da. So sehr da, dass es manchmal fast schmerzt, wenn ich dieses Land in meinen Körper aufsteigen fühle. Ein Strom von Kraft und Leben verbindet mich hier mit der Welt.
Das macht nur Afrika mit mir. Überall wo wir waren, konnte ich mich hinsetzen, hinlegen und sein. Auf diesem Boden, im Sand, auf dieser Erde. In Timbuktu haben die alten Häuser einen Boden aus feinem Sand.
Geborgenheit im Dunkel, auf der Erde, im Netz der Stimmen, das sich über die Stadt legt und in den ersten Sanddünen festgesteckt ist. Geborgenheit und Vertrauen.
Und meine Angst? Die Angst ist mir geblieben von dem Krebs. Dass es zu Ende sein könnte, bevor ich genug davon habe.
Wovon? Von einem Essen, einem Tag, einem Leben?
Angst und Gier sind keine guten, keine heilsamen Gefühle. Ich möchte sie auflösen in dem Weltvertrauen, das mir dieses Land gibt. Die offenen Arme Afrikas, in die ich falle, im Wind, im Sand, auf dem Wasser.

 3.1.2003

Die Sterne haben sich im Niger gespiegelt. Die Grillen und die Vögel haben die Ohren überlaufen lassen. So tief war ich noch nie in der Welt.

12.1.2003

Wieder hier.
Nach der Roten Düne bei Gao ist es fast unmöglich, die Augen über das Gesehene zu schließen. Ich krieg die Augen nicht mehr zu.
Mali ist ein wunderschönes Land. Es zeigt mehr, als ich sehen kann.
Und ich konnte mehr sehen, hören, fühlen als überall. Den Boden unter den Füßen, aus dem die Häuser wachsen. Der offene Schoß dieser Erde. 

24.1.2003

Ich brauche das Schreiben nicht. Nicht mehr oder noch nicht wieder.
Heute ist ein freier Freitag. Ich habe angefangen, die Wäsche zu waschen, die schon seit Afrika und seit vorigem Jahr im Keller wartet, damit mein Bett zu meinem sechzigsten gut riecht. Sonst brauche ich nichts.
Das Trinken der afrikanischen Bilder, um noch einmal und immer wieder die offene Erde in mir zu fühlen, macht mich froh in der Erinnerung an das Glück, das ich erlebt habe. Hier nehme ich die ersten Vogelstimmen nehme mit in ein neues Leben.
Der lauteste Vogel am Niger kam mir am nahesten von allen in der Nacht, wo ich an glücklichsten war, als ich einschlief.

Ich kann verstehen, aber nicht verständlich machen, dass ich etwas zurückgeben möchte.
Mein Ärger ist weg. Ich telefoniere.

7.11.2018

Das habe ich gemacht und es ging mir besser. Hoffentlich kann ich das weitergeben.
Etwas tun. Viel ist es nicht, und ich warte noch auf zwei Rückrufe. Trotzdem. Ich weiß nicht, woher ich diese Zuversicht habe. An Mamadou kann ich – noch? – nichts weitergeben, der würde sich sofort zu große Hoffnungen machen.
Immerhin kann er von dem leben, was er von mir bekommt.
Er hat gestern noch einmal geschrieben. 
„Ich denke dass wir im Wandel der Zeiten noch einmal darüber nachdenken müssen, ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Meine Zukunft macht mir große Sorgen, ich weiß nicht, wann Sie nicht da sind“ …??? 
Hier geht es durcheinander und wird unverständlich. Vielleicht ist es die Sorge, dass es mich nicht mehr geben könnte. Wie immer grüßt er mich und die Familie und alle, auch wenn er nur zwei Sätze schreibt.
Wie er auch immer damit anfängt, dass er fragt, ob es mir gut geht, und er hofft, dass alles gut läuft. 

Ich bin weiter dabei, einen Weg zu suchen, wie man ein altes Auto, das man hier „entsorgen“ muss, weil es keinen TÜV mehr bekommt, nach Timbuktu kriegt, wo es vielleicht noch fünf Jahre herumfahren kann.
Dort gibt es auch einen TÜV, aber der geht anders: Bei rostenden Teilen leiht man sich neuere, baut sie ein und nach dem TÜV wieder aus.
Gestern dachte ich: Internet – aber wie? Telefoniere und warte auf Rückrufe.
ebay-Kleinanzeigen. „Altes Auto für Timbuktu. Geländewagen mit Allradantrieb oder Kleintransporter.“ usw. Auch kein Rückruf.

So – jetzt habe ich den „Fehler“, den ich nicht verstehe: Obwohl die time machine ein Backup gemacht hat, ist das, was ich geschrieben habe, nicht da. Das ist die Stunde für apple care, denk ich, ich habe die Einführung für den neuen Rechner noch nicht in Anspruch genommen. So soll es jetzt sein.
apple care. Die Frau, mit der ich angefangen habe zu sprechen, ist sofort wieder weg. Nochmal, jetzt ist es ein Mann. Ich zeige ihm mein Problem. Und ich sage, ich hätte jahrelang nicht gespeichert und das Gesuchte immer in der time machine gefunden. Dass das gar nicht geht in dem System, sagt er. Ich bleibe störrisch. Der hält mich für blöd. Kann ja sein, aber „gute Frau!“ muss er nicht nach jedem Satz zu mir sagen. Das sollten sie ihm abgewöhnen.
Es hilft alles nichts: Ich muss einsehen, dass ich die time machine falsch verstanden habe. Bin wieder in eins meiner vielen Löcher gefallen. Habe ich meistens, fast immer, gespeichert, ohne es zu merken?
Ich bin der Hoffnung aufgesessen, dass es eine Maschine gegen das Vergessen gibt. Wieder nix.
Der apple-Mann wollte mich dann schnell loswerden: Soll wieder anrufen, wenn ich konkrete Fragen habe, eine Einführung brauche ich nicht, wenn ich doch schon mit der time machine umgehen kann.
Soll ich mich da jetzt freuen?
Immerhin werde ich mich nicht mehr ärgern müssen, nur speichern.

8.11.2018

Klingt ziemlich blöd. Sollte irgendwann jemand das alles lesen, könnte er zusammenfassen: präzises Protokoll einer beginnenden Demenz.
Ja, danke. Wenigstens ein bisschen Anerkennung hätte ich gern für meine Mühe.
Aber das „Gute-Frau!“ ärgert mich heute auch noch.
Da hab ich recherchiert und hatte Recht: Die time machine speichert automatisch jede halbe Stunde.
Die gute Frau hat sich ins Bockshorn jagen lassen, das liegt ja immer schon bereit.
Dabei hatte der gute Mann keine Ahnung von der time machine. Mein Problem habe ich immer noch.

Wieder ein Schlag gegen das Küchenfenster. Nein!
Ich finde keinen Vogel am Boden, höre ihn in der Thuja neben dem Fenster und sehe da einen Kleiber herumhüpfen. Er muss es gewesen sein. Aber mit weniger Schwung, weil der Fensterladen halb geschlossen ist. Den schließe ich jetzt fast ganz. Wenn ich nur wüsste, was die Vögel immer wieder hier wollen – wenn es nicht eine Flucht ist.

Immer noch kein Rückruf. Man erspart sich wohl den Kommentar: du spinnst!

Ich komme nicht in meinen Text. Bin wieder einmal eine Enttäuschung. So wie ich es in Timbuktu zuletzt war und nie wieder sein wollte. Jetzt erwischt sie mich richtig. Habe sie mitgenommen, als ich die Verbindung zu Mamadou gehalten habe.
Wie konnte ich gestern noch so fröhlich und zuversichtlich sein?!? Alles nur Abwehr? Bis mich meine Ungeschicklichkeit stutzig macht, nichts finde ich, nichts läuft. Da stimmt was nicht.
Die Enttäuschung über mich ist angekommen.
„Ich hätte mir auch ein lieberes Kind gewünscht“– hat sie gesagt. Wer? Die Mutti natürlich.
Und jetzt Mamadou, der aus mir eine liebere Mutter machen möchte.
In den ersten Jahren in Timbuktu habe ich es noch nicht so gespürt, aber die Enttäuschung muss immer schon dabei gewesen sein. 

Als ich das zweite Mal nach Timbuktu kam, war ausgemacht, dass ich bei auf dem Dach von Mamadous Haus schlafen würde, wenn ich in der Stadt war. Es gab ja inzwischen diese neue Verbindung: Western Union. Als Babus Mutter krank war, habe ich zum ersten Mal Geld geschickt . So ist es zu der Abmachung gekommen.

Mali 28.12.2004

12 Stunden zu spät in Gao angekommen, stehen wir im Dunkeln auf, um die Baraka über den Niger zu nehmen. Geschlafen habe ich nicht auf dem Dach in Gao, es wäre schade gewesen, das Glück nicht zu fühlen, hier angekommen zu sein. Diese Welt hören, diesen Himmel sehen, diese Erde fühlen, aus der der Boden gewachsen ist, auf dem ich liege, oben auf dem Dach. Angekommen aufgenommen. Die Sonne taucht blass über dem Fluss auf. Dann nach Hombori. Von dieser Seite kenne ich den Weg noch nicht. Es ist Afrika, wie ich es liebe: ohne Zäune. Diese Unendlichkeit in der Weite und Tiefe. So muss es sein. Nachdem ich in Namibia war, weiß ich, dass das in Afrika nicht selbstverständlichIch warte gespannt auf die Tafelberge zwischen Gao und Hombori.
Dann ist es fünf. Bin glücklich, als Himmel und Erde erst blass und dann immer klarer auftauchen. Auf die Piste nach Timbuktu. Wenn der Fahrer nur nicht so rasen und es uns nicht immer so herumwerfen würde. Dafür warten wir dann zwei Stunden auf die letzte Baraka, wo wir die Letzten sind. Sie muss alle, die nach Timbuktu wollen, wieder auf die andere Seite bringen. Da lege ich mich zum ersten Mal auf den Boden, die Erde, den Sand, unter die Sterne, die weniger werden, als der Mond über den Fluss kommt. 

Timbuktu. Schon allein dieses Wort schreiben zu wollen, erregt mich. So laufe ich hier herum. Es ist wie Liebe. Es ist Liebe.In ihren besten Zeiten hat sich Liebe für mich nicht besser angefühlt.

Das habe ich schon einmal – 2017 – geschrieben. Es gehört auch in diese Zeit.

30.12.2004

Und morgen war Silvester.
Heute ist keine Karawane angekommen.Der erste Quadratmeter Sonne auf der Hotelterrasse, wo ich Kaffee trinken will. Dahin stellt der Kellner einen Stuhl und einen Tisch, nachdem ich seiner schmalen Gestalt eine dunkle Treppe hinauf gefolgt bin. Die Trockenmilch flockt im Kaffee. Ach ja – man darf sie nicht ins heiße Wasser tun. Es fällt mir wieder ein. Es ist ein Sechs-Sterne-Hotel. Schon wieder Liebe. Sie liegt in dieser Welt und kommt durch die Menschen auch in mich. Durch Asoko, der mir das Warten erleichtert auf Mano, der später kommt, dafür dann aber mit mir in die Dünen fährt, mir die Sterne zu Füßen und mich (62!) in den Sand legen wollen würde. Nur eine schöne Erinnerung. Als solche nehme ich sie an und sie wird Freude.

Überhaupt soviel Freude. Es fing an mit dem Leuchten in den Augen von Amadou, dem „kleinen Bruder“ von Babu, als er sagte: Du bist bei Babu! Babu ist nicht da, übermorgen kommt er aus Mopti zurück. Hotel? Nein! Du bist bei Babu. So nennen sie alle Mamadou.
Dann werde ich abgesetzt. Der kleine Bruder, es ist jetzt der richtige, kein Cousin, wartet schon auf mich, er schließt Babus Wohnung für mich auf, erklärt mir die umständliche Technik der verschiedenen Schlösser, zeigt mir das Klo, die Dusche und die Terrasse, auf der ich schlafen werde. Amadou legt sofort eine Matratze hinaus. Er ist „zu meiner Verfügung“, er zeigt mir ein Restaurant, wir essen zusammen Omelettes. 

Dabei stehe ich unter Schock. Denke: Wie komme ich da wieder heraus? Babus Wohnung. Diese Armut. Dieses Nichts. Der Dreck
im Haus, die Abfälle in den Ecken. Das stinkende Klo. Bitte hier keinen Durchfall! Ich nehme gleich eine vorbeugende Kapsel. Ich bin noch immer unter Schock über diese Armut. Drei Schaumstoffmatratzen auf Plastikmatten. Besteck, das sich bei jeder Bewegung verbiegt, ein verstaubter Teller, eine schmutzige Tasse ohne Henkel, nichts. Ist es Armut? Ich halte es fast nicht aus. Darauf war ich nicht gefasst. Wie komme ich da wieder raus. Es wird nur durch Schreiben zu machen sein. Ich darf nicht sagen: Ich halte es hier nicht aus.
Ich schlafe auf der Terrasse, viel Mond, wenig Sterne. Staub hängt über der Stadt. Aufwachen mit dem Sonnenaufgang. Wie gewohnt. Einer klopft alte Bleche zu neuen Dingen. Nichts ist mehr schlimm. Die Abschreckung hat sich in Nähe verwandelt. Viel Nähe, fast Intimität. Dass ein Mensch sich mir so zeigt mit seinem Nichts, macht mich fast ehrfürchtig.
Aber es kommen noch viele Fremde in diese Räume, intim ist da gar nichts. 

Ich steige hinunter, schließe auf und hinter mir wieder zu und gehe in die Stadt, um Bekanntes wiederzufinden, Märkte, Moscheen, und vielleicht mache ich einen Abstecher zum Hotel Bouctou – ob Ibrahim da ist?
Es ist Nachmittag, als ich komme. Obwohl ich weiß, dass Ibrahim inzwischen ein Handy hat, rufe ich vorher nicht an. Er soll da sein, wo ich ihn mir denke: im Kreis seiner blauen Freunde im Sand zwischen Hotel und Kamelen.
Und so ist es! Er kommt mit offenen Armen die Düne herauf, sein Blau umweht ihn, seine Augen leuchten – welche Freude!

Mohammads Kopf ist nicht mehr bloß, er trägt jetzt einen Schesch, den er abwickelt, als ich zweifelnd schaue, ob er es ist. Er hat kurzgeschnittene Haare und ein blau gefärbtes Gesicht. Er ist jetzt 18, ein Mann, der sich vor den Frauen verbirgt. Er rollt den Schleier über den Mund hinauf und zeigt nur noch die Augen mit den unvergleichlichen Wimpern. Mano ist sein Vater.
Ich setze mich neben ihn in den Sand, es ist fast ein Liegen, als wir auf Ibrahim und Oumar warten, die gleich, sofort kommen werden. Komisch, wie zweifellos man die Bewegungen eines einzelnen Menschen wiedererkennt, der die Kamele in der Dünenkuhle absattelt.
Da war es auch wieder, das: Ja Ja Ja Ja Jaaa!!! Nur schwächer, weil vertraut, fast erwartet. Auch eine Intimität. 

Babu ist in Timbuktu allgegenwärtig. Ich bin beschützt und aufgehoben, wenn ich sage: Ich bin bei Babu. Jeder würde mich zu seinem Haus begleiten und manche tun es dann auch. Der kleine Bruder – er ist größer als ich, vielleicht 20 – erwartet mich fast immer und die Mutter schickt mir eine Mahlzeit zu Mittag. Wie gut der Reis schmeckt.
Die Liebe in dieser Luft erinnert mit an etwas, das noch nicht war. Ich wüsste nicht wo, ich wüsste nicht wann. War es so, dass ich mir gewünscht habe, dass es so wäre? Das gewiss. Ich liebe. Und es fühlt sich an wie Geliebtwerden. Es war überall in Afrika. Dass es mich so beutelt, verdammt nochmal, hätte ich nicht gedacht.
Das Warten auf Babu. Noch ein letztes Mal ruft der Muezzin. Dann wird Babu da sein. Es tut gut, zu einem Mann zu gehören. Es hat etwas Erotisches, wenn ich auf die Frage, wo ich wohne, antworte: bei Babu. Es ist, als sagte ich: bei meinem Mann.
Eine Verbindung, ein Zusammengehören, ohne zusammenzugehören und verbunden zu sein. Eine Vertrautheit liegt in der Luft zwischen uns. „Babu wird kommen.“ Morgen Nachmittag.
Mein Mann in Timbuktu. 

Wenn ich diese Anfänge wieder lese, verstehe ich mich heute besser. Leichter wird es trotzdem nicht.