Der Poet als Zeuge

Friedrich, ein junger Mann, liebt leidenschaftlich, aber, allem Anschein nach, auch hoffnungslos eine Schauspielerin namens Sibylle. Immerhin erreicht er es, dass sie sich zu einer gemeinsamen Italienreise bereitfindet. Sie kommt jedoch nicht zum Bahnhof, sondern schickt ihm im letzten Augenblick eine Stellvertreterin. Er ist verblüfft und enttäuscht, allein, er akzeptiert die neue Partnerin ohne Widerspruch. Wenig später kreuzt Sibylle, nicht zufällig, Friedrichs Weg in Venedig. Es wird wiederum für beide eine Begegnung ohne Erfüllung.

Diese Geschichte erzählt Wolfgang Koeppen in dem Roman „Eine unglückliche Liebe“ (1934). Das Buch, mit dem der Achtundzwanzigjährige seine literarische Laufbahn begann, nimmt schon einige entscheidende Motive seines späteren Werkes vorweg: Ungeachtet aller Makel und Schwächen, trägt der Erstling bereits die Merkmale des reifen Koeppen.

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Aus Marcel Reich-Ranicki: Wolfgang Koeppen. Verlag LiteraturWissenschaft.de, Marburg 2016 (Sonderausgabe von literaturkritik.de)