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Die Wittgenstein-Dekomposition

Von Frank-Peter Hansen


Martin A. Hainz schrieb uns am 26.03.2019
Thema: Frank-Peter Hansen: Die Wittgenstein-Dekomposition

Mit seiner Wittgenstein-Dekomposition hat Hansen ein Buch vorgelegt, dem man nicht absprechen kann, höchst amüsant zu sein. Ebenso zweifelsfrei ist allerdings, dass er sich wenig um Gerechtigkeit schert, das Buch ist so bösartig wie darum nur manchmal treffsicher.

Das Buch beginnt schon mit jener Bereitschaft zum Missverständnis, wo man immerhin auch Subtilitäten heraushören könnte, wenn Hansen den berühmten Schluss des Tractatuswovon man nicht sprechen könne, darüber müsse man schweigen – so deutet, dass Unlogik das Resultat ist. Das könne nur ein „Verbotssoll“ meinen, vielleicht auch ein psychologisches Problem, das Gebot, sich erst zu informieren, oder, es ließen sich „empirisch nicht verifizierbare Spinnereien“ nicht sagen; doch nichts davon stimme. Wie aber, wenn der Satz im Sinne Gödels meint, dass eine Sprache nicht über sich und das, was sie nicht leisten kann, sprechen kann, ohne gegen „sich“ zu verstoßen? Diesen Ebenenwechsel vom „wovon“ zum „darüber“ hat die Sekundärliteratur verschiedentlich bemerkt und daraus mehr Nutzen gezogen, als es der Spott Hansens tut.

Natürlich sind viele Einwände begründet. Ist der Aufbau des Tractatus immer begründet? Schwerlich. Ist der Identitätsbegriff Wittgensteins hilfreich? Nein, wobei genau dies immerhin auch Wittgenstein andeutet. Hier trifft Hansen übrigens auch Popper, und durchaus besser: Wenn, so schreibt Hansen, Schwäne als weiß definiert wären, dann wären schwarze Schwäne nicht Anlass, das Konzept Schwan zu rekalibrieren, sondern sie wären keine Schwäne – Popper aber habe „nolens volens [,] zu Protokoll gegeben, dass er irgendwie schon eine Ahnung davon hat, was einen Schwan zu einem solchen macht“, und zwar nicht die Farbe.

Auch das Bild als eine „der Differenzierung entbehrende einfache Repräsentationsform“, wie Hansen es skizziert oder skizziert sein lässt, aufgrund der Autorfiktion seines Buchs, die natürlich zur Kenntnis genommen wurde, umreißt er spannend und exakt; es leiste nicht ein „abstraktes Identifizieren“; die „geistfreie Verbildlichung“ wird vielmehr vielleicht vollzogen. Und auch der Hinweis, dass Wittgenstein dem, was „in jedem Mathematiklehrbuch geschrieben“ stehe, nicht genügt, ist manchmal höchst angebracht.

Dennoch wäre der Gesamteindruck besser, wenn Hansen manchmal nicht wohlwollender, sondern nur um Angemessenheit bemüht das geschrieben hätte, was so Wittgenstein zu oft verfehlt, um die Dekomposition zu sein. Hansen schreibt, seinen fragwürdigen Auftakt aufgreifend, Wittgenstein hätte sich ans Diktum halten sollen. „Si tacuisses“  – aber das gilt dann vielleicht noch mehr von ihm, vielleicht sogar nur von Hansen; weshalb ich dem Verfasser hier nicht zustimme, ich las ja auch ihn trotz mancher Ungenauigkeit oder Inkohärenz mit Vergnügen.

PS: Wie Wittgenstein schreibt Hansen weiter, inzwischen ist ein zweiter Band der Wittgenstein-Dekomposition erschienen.

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