Leserbriefe zur Rezension

Als Don Quijote ins Reich der Freiheit

Lothar Schröder erkennt in Albert Vigoleis Thelens Figur Vigoleis einen "Wiedergänger Don Quijotes"

Von H.-Georg Lützenkirchen


Klaus Hollerbach schrieb uns am 21.05.2008
Thema: H.-Georg Lützenkirchen: Als Don Quijote ins Reich der Freiheit

Die durchaus kundige Dissertation Schröders stellt der langen  Reihe der bisher gebetsmühlenhaft wiederholter Würdigungen Albert Vigoleis Thelens endlich eine mehr literrisch orientierte Analyse der beiden großen Texte "Insel" und "Bahßetup" entgegen. Das ist ein großes Verdienst und eine Herausforderung an die Forschung, einige immer noch brachliegende Felder endlich zu beackern.
Einen Anstoß gab auf der Münsteraner Thelen-Tagung vom 21./22.11.2003 der linguistisch, ästhetisch, theologisch und politisch kenntnisreiche Wolfgang Ullmann, dessen ohne Redemanuskript freihändig gehaltenes Referat leider nicht mitgeschnitten wurde. Die Textfassung im Berichtsbuch Albert Vigoleis Thelen, Mittler zwischen Sprachen und Kulturen von Heinz Eickmans und Lut Missinne, Niederlande-Studien Band 38, Münster 2005, gibt den Inhalt nur unvollständig wieder. Da ist neben der vehementen Nationalsozialismus- und Faschismus-Kritik Thelens das heutzutage noch brisanter gewordene Thema der weltweiten Fischereirechte, die im Haager Gericht  vom Oktober bis Dezember 1951 verhandelt wurden und damals den norwegischen Fischern gegen die Englische Klage höhere Fangquoten bescherten. Diese Verhandlung ist ja Auslöser der Ereignisse, die Thelen mit seinem "Südergast" im "Schwarzen Herrn Bahßetup" auf Trab halten und genau so wenig zum Ziel kommen lassen wie den Autor und Erzähler mit seinem "Spiegel" dessen, was sie gemeinsam erleben und sich erzählen und was dem Erzähler alles überm und übers Schreiben einfällt.
Zwei Randbemerkungen: Wann lösen sich die Wissenschaftler und Laien endlich von der Tieck´schen Fehlübersetzung des Beinamens Don Quijotes? Falsch und irreführend ist es vom "Ritter von der traurigen Gestalt" zu sprechen.  Das spanische "de la triste Figura" bedeutet anders als die naheliegende Vermutung (über "Figur" zu "Gestalt") eben nicht die Gestalt, sondern das Antlitz. Übersetzer nennen solche Fehl-Übersetzungs-Versuchungen "false friends" Richtig ist, wie selbst dem nicht eben tiefschürfenden Kindler-Literaturlexikon aufgefallen ist,  "Der Ritter von dem (oder mit dem) traurigen Gesicht". So bekommt Thelens Insel-Epos  mit seinem vieldeutigen Titel "Die Insel des zweiten Gesichts"  eine zusätzliche engere Beziehung zu Cervantes  Roman und dessen Helden.
Also, ran, Ihr Experten, es gibt noch so viel zu entdecken, zu entschlüsseln und zu genießen bei Vigoleis, und zweitens endlich auch einmal zu kritisieren, wo ihm, dem Sprachverliebten und Sprachmächtigen sprachliche Flops unterlaufen sind, die ein guter Lektor ihm bereinigt hätte, aber das ist wieder so ein Thelen-Tabu-Thema, zumal Thelen sich von unverständigen Lektoren nie am Narrenseil von seinen mäandrischen Gedankengängen  in den Mainstream ziehen ließ, das besorgte er lieber selbst oder ließ das Wort stahn, wie er  es gefunden oder neugeprägt hatte.
Klaus Hollerbach, 21.05.08