Leserbriefe zur Rezension

Pünktlich überarbeitet

Zum 60. Todestag erscheint Gordon Burgess' Biografie Wolfgang Borcherts

Von Kay Ziegenbalg


Dr. Eckhard Ullrich schrieb uns am 06.12.2007
Thema: Kay Ziegenbalg: Pünktlich überarbeitet

Doch, es gibt einen Satz in diesem kruden, in diesem seltsam dreisten, ahnungslosen Elaborat, das vorgibt, eine Biographie zu besprechen, dem man eine gewisse Wahrheit nicht absprechen kann. Es ist der Satz ziemlich am Ende von der notwendigen Distanz, die Jugendschriften fast immer fehlt. Kay Ziegenbalg hat verräterisch früh enthüllt, wo sein Problem liegt: Borchert als Einmaleins des Lehrpensums an Schulen. Dergleichen muss man irgendwie abarbeiten, doch muss ein Medium wie Literaturkritik.de dafür den Platz herreichen? Sollte ihm selbst dieselbe Distanz aus selbigen Gründen fehlen?
Hätte der vermutlich sehr junge Mann, der wahrscheinlich von seinem Vokabular a la „Heimatgedöns“ ähnlich begeistert ist wie es Borchert von seinen frühen epigonalen Gedichten war, seine schräge MTV-VIVA II-Aggressivität gegen den guten alten Safranski gerichtet, der in der Tat PÜNKTLICH arbeitet und alle Feuilletons spielen für ihn gesamtdeutsche Marketing-Union, dann hätte es vielleicht noch ein wenig Nährwert gehabt im so genannten Literaturbetrieb. Man kann derartigen Unfug auch in einer der von Klaus Bittermann verzapften Autoren-Vernichtungs-Textsammlungen unterzubringen versuchen, aber hier, hier??
Was soll diese vollkommen absurde Eigenlesart zu Borchert, was soll also dieses Niederschreiben eines Dokumentes der eigenen Inkompetenz? Das fast nebenher auch der gesamten deutschen literaturwissenschaftlichen Tradition widerspricht, die bekanntlich in geradezu idealer Weise den Beleg liefert für den Begriff „Wissenschaftlhuberei“ von Karl Kraus, dieses selbstmörderische Begehren, erst alles gelesen haben zu müssen, was es zum Gegenstand gibt, ehe man endlich in den Fußnotenkrieg ziehen darf. Soll es nun also revolutionär heißen: Du musst gar nichts gelesen haben, Du musst in der Schule einen Horror gewonnen haben, den Du abreagieren darfst, wenn Du zeigen möchtest, was Du „drauf“ hast, denn „kannst“ wäre ja eine unverzeihliche Schönfärberei?
Satz für Satz ließe sich die Absurdität dieser Nicht-Besprechung vorführen, für die nicht einmal die genaue Lektüre der Biographie notwendig war. Denn hätte der vermutlich junge Herr Ziegenbalg auch nur die ersten Seiten genau gelesen, dann wäre ihm beispielsweise ein gravierender historischer Fehler aufgefallen, der gerade in einem ehemaligen Ost-Verlag (Aufbau) doppelt unverzeihlich ist. Burgess verlegt den Tod von Liebknecht und Luxemburg volle zwei Monate vor und niemand merkt es (übrigens auch der „Rezensent“ in „Neues Deutschland“ vom 19. November nicht).
Vorurteile blinder Borchert-Verehrer hat Peter Rühmkorf in seiner immer noch hervorragenden rororo-Bildmonographie längst überführt. Bernd Meyer-Marwitz hat eben das Gesamtwerk Borcherts nicht erst zwei Jahre nach der Wiederbewaffnung auf den Buchmarkt gebracht, er sprach schon zur Urnenbeisetzung am 17. Februar 1948, er veröffentlichte schon 1948 in Hamburg, vor der ersten 49er Ausgabe des Gesamtwerks, sein „Wolfgang Borchert“. Oder sind wirklich neuerdings ausschließlich Fanclub-Seiten im Internet seriöse Quellen für Germanisten-Nachwuchs???
Als Angehöriger jenes Geburtsjahrganges, dem auch Thomas Anz angehört, der doch wohl immer noch die Verantwortung trägt für Literaturkritik.de, empfehle ich dringendst, von eventuellen nachwuchspädagogischen Überlegungen bei der Vergabe von Besprechungaufträgen abzusehen, wenn da nicht Substanz zu erwarten ist. Durchaus denkbar, dass auch Herr Ziegenbalg eines Tages einen solchen Auftrag rechtfertigt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Eckhard Ullrich
98693 Ilmenau
Keplerstraße 2
e-mail: Ullrich-Eckhard@web.de


Jan Pütz schrieb uns am 10.12.2007
Thema: Kay Ziegenbalg: Pünktlich überarbeitet

Kurz und knapp  zum Leserbrief von Eckhard Ullrich vom 6.12.2007:
Mich macht MTV und VIVA auch Aggressiv.
Aber diese Aggressivität und den Verdruss über meinen fortgeschrittenen körperlichen Verfall lasse ich nicht an dem offensichtlich für sein Alter mehr als überdurchschnittlich belesenen Kay Ziegenbalg aus.
Auf MTV oder VIVA werden freilich keine Bücher besprochen.
Aber wenn doch, würde man nie etwas wie "Ich hab aber schon mehr gelesen wie Du!" zu hören bekommen.
Das wäre selbst hier zu kindisch.
Einer Kritik, mit der man nicht leben kann sollten Argumente folgen, die die Kritik des anderen widerlegen.
Stattdessen weist der Autor des Leserbriefs vor mir dezent auf seine Beziehungen zur Chefetage aus alten Schultagen hin.
Plump und inhaltslos.
So wie die lauten bunten Sachen, die Viacom in unsere Wohnzimmer pustet, wenn wir den falschen Knopf erwischt haben.