Leserbriefe zur Rezension

Ist die Evolutionstheorie atheistisch?

Bemerkungen aus Anlass von Richard Dawkins' Buch "Der Gotteswahn"

Von Karl Eibl


Ed Dellian schrieb uns am 05.04.2008
Thema: Karl Eibl: Ist die Evolutionstheorie atheistisch?

1. Unbestreitbar ist die Evolutionstheorie atheistisch, insofern und weil sie unstreitig auf dem Dogma des "methodischen Atheismus" beruht. Das kann man z.B. in dem bekannten "Lehrbuch Evolution" der Autoren Junker/Scherer nachlesen - die übrigens beide sich als gläubige "Christen" bekennen. Methodischer Atheismus heißt keineswegs, dass Gott zur Erklärung des Entstehens neuer Arten usw. "nicht benötigt" würde, sondern, dass eine Erklärung durch göttliche Schöpfung "methodisch nicht zugelassen" wird. Es handelt sich also bei der scheinbaren Abwesenheit Gottes in der Evolutionslehre um eine willkürliche methodische Ausschließung des Arguments "intelligente Schöpfung", nicht um naturwissenschaftliche Erkenntnis.
2. Die Evolutionstheorie hat deshalb in Wahrheit auch keinerlei "Erklärungslücken geschlossen", sondern sie versucht, Lücken der Kausalerklärung mit bloßen Wörtern zu füllen.  "Mutation", "Selektion", "Gentransfer" und was dergleichen "Evolutionsmechanismen" noch sind, sind in Wahrheit nichts als neue Wörter für komplexe materielle Sachverhalte, die ihrerseits keine Ursachen für irgend etwas, sondern komplexe Wirkungen sind, deren Ursachen unerklärt bleiben!
Siehe dazu www.neutonus-reformatus.de Nr. 31 (Brief an die Herausgeber des Lehrbuchs Evolution - bis heute unbeantwortet).
3. Die Behauptung, seit Darwin sei Gott "nicht mehr vernunftnotwendig",
erliegt dem Irrtum, Darwins "Mechanismen" der Evolution seien wirkliche
Ursache-Wirkungszusammenhänge. Bei näherem Hinsehen kann auch der Laie erkennen, dass hier nirgends wirklich schöpferische Ursachen erkannt, sondern eben nur beobachtbare Wirkungen als Ursachen ausgegeben werden. In Wahrheit ist deshalb die Erklärungskraft der Darwin'schen ebenso wie der neuen Evolutionstheorie gleich Null.  
Ed Dellian, Bogenstr. 5, 14169 Berlin, Tel./Fax 030-84714564.


Herbert Huber schrieb uns am 20.04.2008
Thema: Karl Eibl: Ist die Evolutionstheorie atheistisch?

Anmerkungen zur Besprechung
1) Die Evolutionstheorie ist atheistisch, „insofern Gott kein Gegenstand dieser Theorie“ ist, aber nicht so wie die Automobilindustrie oder die zweite Lautverschiebung. Mir ist niemand bekannt, der das neue BMW-Modell oder die zweite Lautverschiebung dem direkten Einfluß eines höheren Wesens zuschreibt. Wohl aber gab es vor Darwin gute Karten für die Vertreter der Schöpfungstheorie. Diese Karten sind seitdem – das argumentiert Dr. Eibl gut heraus – unnötig. Wer sie immer noch ausspielt, arbeitet mit überflüssigen Karten.
2) Die zweite Anmerkung gilt mehr Herrn Schönborn, denn dem Rezensenten. Herr Schönborn sagte: „Die Evolution im Sinn einer gemeinsamen Abstammung aller Lebewesen kann wahr sein, ...“, womit er wissenschaftstheoretisch sicher recht hat: alles Wissen ist nur Vermutungswissen, oder wie Dr. Eibl formuliert: all unser Wissen ist immer nur vorläufig. Doch gerade vom Vertreter einer Organisation, die behauptet, die Wahrheit zu kennen und anderen Religionen diese abspricht, und die behauptet, dass man etwas mit Gewissheit erkennen kann (zitierter Katechismus der Katholischen Kirche, Abs. 50) klingt das provozierend, wenn nicht gar widersprüchlich.
Woher Herr Schönborn anschließend sein Diktum: „aber die Evolution im neodarwinistischen Sinn - ein zielloser, ungeplanter Vorgang zufälliger Veränderung und natürlicher Selektion - ist es nicht.“ nimmt liegt im Dunkel. Warum gilt nicht auch dafür zumindest: „kann wahr sein“?
Dann folgt ein Übersetzungsfehler (seines eigenen Artikels in der New York Times oder schon bei der Übersetzung ins Englische). Das englische „evidence“ ist keine Evidenz, sondern ein Beleg. Desdemonas Taschentuch in Cassios Händen ist ein Beleg (engl. „evidence“), jedoch keine Evidenz für seine Schuld. Othello übersieht das leider auch. Für einen Plan im Universum oder auf der Erde gibt es allenfalls Belege (ich sehe sie nicht), aber keine „überwältigende Evidenz“.
Die Evolution im Sinn einer gemeinsamen Abstammung ist also – so Schönborn – möglicherweise wahr; doch Evolution in einem anderen Sinn „ist Ideologie, nicht Wissenschaft“. Und: „Das Dasein eines Schöpfergottes lässt sich dank dem Licht der menschlichen Vernunft aus seinen Werken mit Gewissheit erkennen“.
Ich meine, wer so seiner Auffassung Gewissheit zuschreibt, wissenschaftlich überwältigend belegte Theorien dagegen nur für möglicherweise wahr hält, urteilt ideologisch.
3) Dawkins und andere halten heute die Religion für schädlich. Wenn von Dawkins' 18 Beispiele eines mit Buddha-Statuen schwach ist – so Dr. Eibl –, dann ziehen die anderen 17 immer noch. Fast zweitausend Jahre Christentum, der 11.9. und die AIDS-Tragödie in vielen Ländern, mit verursacht durch striktes katholisches Kondomverbot, müßten die Schädlichkeit für jeden ausreichend belegen.
Diese Schädlichkeit schließt nicht aus, dass Furcht vor dem Gott des Blitzes (um nur einen religiösen Aspekt zu nennen), einmal überlebensförderlich war. Es bleibt also nicht nur die Nebenprodukt-Vermutung, sondern die Veränderung in der Zeit: ein Pfeiler der Evolution. Die Selektion funktioniert bezüglich der Religion nicht mehr, da die Menschen allgemein Methoden entwickelt haben, die natürliche Selektion zu überlisten. Würde man den religiösen Organisationen die vielfachen Vorteile und Bevorzugungen entziehen, die sie heute geniessen, könnte die Selektion vielleicht auch hier wieder greifen. Zu wünschen wäre es.

Nachdem Dr. Eibl im Grossen und Ganzen Dawkins zustimmte, kam mir sein Fazit „ein Produkt von ungebremster Redseligkeit, ein Stenogramm von Mensa-Geplauder und Hotelbar-Anekdoten“ etwas überraschend.