Leserbriefe zur Rezension

Brauchen wir so etwas?

Heike Schmoll schließt sich mit "Lob der Elite" aus dem Elitediskurs aus

Von Franz Siepe


Dr. iur. Gabriele Wurzel, Rechtsanwältin, Staatssekretärin a.D. schrieb uns am 19.05.2008
Thema: Franz Siepe: Brauchen wir so etwas?

Ja, wir brauchen es!
Im Mai 1959 hat Theodor W. Adorno auf dem Deutschen Soziologentag seinen großartigen Vortrag mit dem Titel „Theorie der Halbbildung“ gehalten. Darin findet sich von bleibender Gültigkeit der folgende Satz: „Das Halbverstandene und Halberfahrene ist nicht die Vorstufe der Bildung, sondern ihr Todfeind.“ Diesen Satz sollte sich der Rezensent und selbsternannte Sprachberater Franz Siepe hinter seinen narzisstischen Spiegel stecken. Denn was Siepe an sogenannter Rezension über Heike Schmolls Essay „Lob der Elite“ loslässt, erschöpft sich in Verbalinjurien und in einem nicht einmal ansatzweise verbrämten, spießigen Anti-Elitismus. Vor allem im letzten Absatz seines Textes outet sich Siepe wohl ungewollt, wenn er sich dort über (s)ein Bild von Herrschaftselite auslässt, die angeblich Exklusionsprozesse forciere. Welch kleinkariertes Bild von Elite ist das, mit dem Siepe meint, Heike Schmolls umfassendes Verständnis von Eliten (Plural) aushebeln zu können! Oder geht es dem Rezensenten vielleicht nur darum, zur Gouvernanten-Elite gerechnet zu werden? Das Halbverstandene ist der Todfeind der Bildung. Richtig, aber weil Siepe das nicht weiß, ist er sich nicht einmal zu schade dafür, der renommierten Bildungsjournalistin Heike Schmoll Plagiat vorzuwerfen – ohne auch nur im entferntesten den Beweis für diese ungeheuerliche Behauptung anzutreten. Bewiesen hat Siepe mit seinem Rundumschlag freilich eines: wie wichtig und mutig Heike Schmolls „Lob der Elite“ ist.


Franz Siepe schrieb uns am 25.05.2008
Thema: Franz Siepe: Brauchen wir so etwas?

Die Lektüre des Leserbriefs von Gabriele Wurzel (vom 19.05.2008) hatte immerhin die Wirkung, daß ich Adornos „Theorie der Halbbildung“ noch einmal hervorgeholt und gelesen habe; darin u.a. über den „Antagonismus wirtschaftlicher Macht und Ohnmacht“ oder über „professionell qualifizierte Gruppen, die sich selbst gern als Eliten feiern“. Der Text paßt also ausgezeichnet zum Thema.
Mit seinem Begriff der Halbbildung wollte Adorno ein Moment des notwendig falschen (fetischhaften) gesellschaftlichen Bewußtseins „inmitten der repressiven Totalität“ kenntlich machen, und man handelt daher nicht sonderlich verständig, wenn man ihn zum Mittel arroganter Diffamierung vermeintlich Dümmerer verkommen läßt. Frau Dr. iur. Gabriele Wurzel, Rechtsanwältin, Staatssekretärin a.D. sei daran erinnert, daß Adorno in dem von ihr genannten Vortrag ebenfalls von der „Idee der Bildung“ sprach, welche die Idee „eines Zustands der Menschheit ohne Status und Übervorteilung postuliert“. Nun frage ich mich, wie wohl Leserin Wurzel das antielitaristische Bildungsverständnis des von ihr bewunderten Theodor W. Adorno beurteilen mag.