Leserbriefe zur Rezension

Mütter und Ossis: Auf den Weg gebracht zum Selberdenken

Ein Kommentar zur Taschenbuchausgabe von Annegret Stopczyks Buch über "weibliches Philosophieren"

Von Anika Waldorf


Annegret Stopczyk schrieb uns am 22.08.2001
Thema: Anika Waldorf: Mütter und Ossis: Auf den Weg gebracht zum Selberdenken

Danke für die Rezension. Sie war leider selbst von der schnellen gut-böse
Machart, die an mir kritisiert wurde, die bei mir aber ein differenziertes
Konzept ist... Schade.
Annegret Stopczyk


Annegret Stopczyk-Pfundstein schrieb uns am 06.05.2004
Thema: Anika Waldorf: Mütter und Ossis: Auf den Weg gebracht zum Selberdenken

Thema: Rezensionen zu meinen Büchern

Anmerkungen zu Rezensionen bei Ihnen über meine Bücher: „Nein danke, ich denke selber“ und „Philosophin der Liebe –Helene Stöcker“. In beiden Rezensionen wird darauf empfindlich reagiert, dass ich die mütterpolitische Seite für die Analyse der Lage von Frauen und Männern  einbringe. Das gilt in Deutschland unter gewissen Intellektuellen schon als Stufe oder Vorstufe eines Mutterkultes der Nazis und als antifeministisch. Resultat auch davon ist, dass in Deutschland im Unterschied zu anderen westlichen Ländern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und auch manche Männer kaum lebbar ist und eine gesellschaftliche Diskussion darüber tabuisiert ist. Das verbreitete Frauenbild ähnelt noch in der inneren Struktur dem der Nazis. Entweder eine Frau ist emanzipiert, feministisch, beruflich engagiert und kinderlos, oder aber sie brütet als dumpfe folgsame Mutter die Kinder aus und darf das Haus kaum verlassen. Bei den Nazis war sie im ersten Falle tüchtige BDM-Frau und im zweiten Falle eine Frau, die den Mutterorden erhält. Die Deutschen können nichts dafür, dass nach 1945 keine Kriegstraumatarbeit  geleistet werden konnte, so wie in heutigen Nachkriegsgebieten, weil es ein Wissen um psychische und intellektuelle Kriegsfolgen nicht gab, aber heute ist es möglich, Kriegsfolgen und Folgen eines Terrorregimes psychisch und fachlich begleitet zu bearbeiten. Daß, wer das Wort „Mutter“ im deutschsprachigen theoretischen Kontext positiv benutzt, mit der Nazikeule traktiert wird, deutet darauf hin, dass intellektuelle Traumataarbeit notwendig ist.
In der Rezension über mein Buch zu Helene Stöcker mokiert sich der Rezensent darüber, dass ich einen inhaltsleeren weiten Philosophiebegriff benutze, der ihn dazu veranlasst, meine Arbeit herablassend darzustellen. Dabei verfälscht er meine Begrifflichkeit, die im Buch ausführlich von Immanuel Kant und  Gernot Böhme hergeleitet wird, das erwähnt er mit keinem Wort, sondern zieht aus den verschiedenen Kategorien Einzelsätze hervor, die er dann als Bloßstellung sensationsheischig darbringt. Ebenso gibt er falsch an, im Buch sei es im erheblichen Teil um Nietzsche gegangen. 40 Seiten von 330 Seiten beträgt dieser Teil. „Steil“ ist ihm die von mir mit verschiedenen Nachweisen dargelegte Einschätzung, dass Nietzsche nicht der Frauenfeind war, für den er heute gern ausgegeben wird. Womit dann auch unverständlich wird, warum so viele intellektuelle Frauen um 1900 Nietzscheanerinnen waren, sie waren schließlich keine Masochistinnen. Der Rezensent hat offensichtlich das Bedürfnis, dieses Klischee über Nietzsche zu bedienen. Dafür stellt er verfälschend dar, ich hätte mich immer wieder auf seine Schwester berufen, die als Nazianhängerin sowieso als fragwürdig gilt. Das wäre genauso, als dürfe man Heideggers Werk auch vor seiner Nazizeit nicht mehr erwähnen, und jeder ein verkappter Nazi ist, der überhaupt mit seinen Texten arbeitet. Daß wir Nietzsches Werk überhaupt zugänglich haben, liegt am Fleiß seiner Schwester, die alles zusammen getragen und aufgehoben hat, weil niemand sich sonst damals darum gekümmert hat. Sie hat es dann später zwar für ihre Zwecke instrumentalisiert, aber dass wir heute überhaupt dieses Werk haben, ist ihr zu verdanken. Diese von mir ausgesagte Tatsache wird in der Rezension dazu genutzt, meine Arbeit zu disqualifizieren. Gänzlich abstrus und verworren wird die Rezension, wenn es darum geht, meine differenzierten Ausführungen über das Konzept der „Neuen Frau“ von Helene Stöcker  einzuordnen. Stöcker spricht sich hier gegen das „nur-Mutter-Sein“ und seine Mystifizierung aus. Als freie Frau zu leben und die eigene Aufgabe im Beruf zu erfüllen und das wiederum mit Mutterschaft vereinbaren zu können ohne deswegen auf das Nur-Mutter sein zurückgeworfen zu werden, das ist ein Ziel. Das ist aber nur zu verwirklichen, wenn die Beziehung  zwischen Mann und Frau damit vereinbar wird – eine reziproke Partnerschaft. Diese beiden Seiten, Beruf und Kindhaben zusammenzudenken, scheint dem Rezensenten eine Ungeheuerlichkeit zu sein. Von Helene Stöckers philosophischen Ansatz die „Neue Ethik“ hat er kein Verständnis gewinnen können, ebensowenig von der  reichen und differenzierten intellektuellen Situation im deutschsprachigen Raum um 1900 und den damaligen verschiedenen Strömungen der Frauenbewegung und der Sexualreformbewegung bis 1914, die ich in meinem Buch dargelegte. Mir ist unverständlich, wie eine Redaktion eine derart verworrene Rezension in so einem überheblichen Tonfall überhaupt abdrucken kann. Intellektuelle Redlichkeit ist hier nicht erwiesen. Übrigens war diese Arbeit über das philosophische Werk von Helene Stöcker die erste Doktorarbeit im Fach Philosophie über diese Philosophin und sie ist mit gut bewertet worden. Ich denke, dass die Professorenkommission diese Arbeit gründlicher beurteilte als der Rezensent. Schade ist nur, dass die Leserinnen und Leser dieser Rezension keinen Einblick erhalten können über dieses Buch. Das Nietzschekapitel gilt übrigens bei einigen Kolleginnen und Kollegen als das glänzendste Kapitel das sie zu diesem Thema über Nietzsche je gelesen haben.
Mit freundlichen Grüßen
Annegret Stopczyk-Pfundstein