Leserbriefe zur Rezension
Kämpfe um die Moderne
Hinweise zu einem nach wie vor umstrittenen Begriff und zu neueren Beiträgen der Forschung
Von Thomas Anz
Thomas Anz schrieb uns am 31.12.2011 Zu dem „Fall Benn“, auf den mein Artikel eingeht, hier noch eine Nachbemerkung: Holger Hof hat inzwischen in seine Biografie „Gottfried Benn. Der Mann ohne Gedächtnis“ einen langen, bisher unveröffentlichten Brief Benns vom April 1938 im Umfang von gut vier Seiten abgedruckt, der ein bezeichnendes Licht auf seine Situation in dieser Zeit wirft. Benn war im März auf Betreiben des völkischen Malers Wolfgang Willrich aus der Reichsschriftumskammer ausgeschlossen worden. Das kam einem Publikationsverbot gleich. Joachim Dyck schreibt in seiner 2008 erschienenen Einführung zu Benns Leben und Werk, Benn habe „zu keinem Zeitpunkt einen Einspruch ins Auge gefasst“. In der Tat hat er nicht versucht, den Ausschluss aus der Reichsschriftumskammer rückgängig zu machen. Aber in der Befürchtung, der Ausschluss könnte auch seine berufliche Existenz als Arzt in der Wehrmacht gefährden schrieb er am 1. April an seinen Vorgesetzten, „dass von einer Gegensätzlichkeit zwischen meinen Büchern und im Nationalsozialismus keine Rede sein kann“ und „dass ich 1933, 1934 ein leidenschaftlicher Anhänger der Bewegung war“. Er verweist dabei auf seine Essay-Bände „Der neue Staat und die Intellektuellen“ (1933) und „Kunst und Macht“ (1934) sowie auf seinen Zeitungsartikel aus dem Jahr 1928 über die Erschießungen der Edith Cavell, in dem er sich „national, militärisch und offiziersmäßig“ gezeigt habe, betont darüber hinaus, in seiner „Herkunft und Familie“ gebe es „keinen Bolschewismus“ und er stehe „mit keiner, aus welchem Grund immer emigrierten Person in irgendeiner Verbindung“. Weiterhin beteuert er: „meine Bücher haben immer nur einen kleinen Kreis von Lesern beschäftigt, sie gehören einer vergangenen Epoche an.“ Der Rezensent von Hofs Biographie in der F.A.Z. (29.10.11) schreibt dazu: Benn „katzbuckelt vor der Macht. […] Benn tat damals alles, um zu überleben“ Wie weit ist ihm dies vorzuwerfen? Und enthält der Satz, dass er „1933, 1934 ein leidenschaftlicher Anhänger der Bewegung war“, nicht ein deutliches Signal der späteren Distanzierung? Die Debatte über den „Fall Benn“ nimmt kein Ende. |