Leserbriefe zur Rezension

Geschmackssache

Selbstprofilierung im Internet durch Literaturkritik

Von Simone Schwalm


Oliver Gassner schrieb uns am 27.12.2010
Thema: Simone Schwalm: Geschmackssache

Zunächst:
http://carpelibrum.com ist keine meiner Webseiten.

Und Rezensionen schreib ich deswegen nicht mehr, weil ich nicht mehr dafür bezahlt werde bzw. weil ich mich nicht mehr um Rezensionsjobs bemühe, mangels Zeit und der Relation von Aufwand und Ertrag - wenn man 4 Leute ernä#hrt, muss man sehen, was man sich leisten kann. (Daher die Idee mit den '5 Büchern in 10 Minuten', was ich aber auch nicht mehr geschafft habe nach Folge 2 ;)
Ich sehe mich in der Tat inzwischen eher als Administrator solche Projekte. Da sind meine Talente durchaus akzeptabel gut aufgehoben. Man muss nicht alles beliebig lange machen. Kann sich auch mal wieder ändern.


Veit Feger schrieb uns am 28.12.2010
Thema: Simone Schwalm: Geschmackssache

Sehr geehrte Frau Schwalm,

ich empfinde Ihre Kritik an den "Laienkritikern" übel moralisierend und unfair.
Ihre Annahme, dass Laienkritiker von einem Selbstdarstellungsbedürfnis motiviert seien - wohl in einem gravierenden Unterschied  und im Gegensatz zu anderen Literaturkritikern  - geht an der Lebenswirklichkeit des gesamten Kritikerwesen sicher vorbei.
Aus dem Wunsch nach Geltung folgt nicht, dass ein bestimmter kritischer Text  SCHLECHT ist. Dieses Urteil kann nur folgen aus einer Analyse der jeweiligen Kritik im Vergleich zum kritisierten Buch oder ähnlichem .
Wer jemals einen der  - meines Empfindens zu Recht  - angesehensten Kritiker der Bundesrepublik, Marcel Reich-Ranicki, im Fernsehen beobachtet hat, kann sicher nicht umhin, diesen Kritiker als im höchsten Maß eitel und darstellungsbedürftig zu empfinden. Dies tut der Brillanz seiner Literaturkritiken keinen, aber auch gar keinen  Abbruch.
Warum sollten nicht die allermeisten unserer Literaturkritiker von einem Darstellungsbedürfnis motiviert sein?
Nochmals:  Wollte man aus der Motivation auf die Qualität des Produkts schließen, ginge man sicher in vielen Fällen entschieden irre.

Schwierig wird es auch, zwischen "Laienkritikern" und anderen Kritikern zu unterscheiden. Eben jener oben zitierte MRR hat nie eine Dissertation geschrieben (unfreiwillig, klar, aber es ist nun mal so)  und er hat lange Jahre seine Kritiken für die ZEIT als Freier Mitarbeiter verfasst, bevor ihn die FAZ fest anstellte. Waren seine Kritiken deshalb schlecht, weil er sie als "Freier" schrieb?  Niemand wird das behaupten wollen.

Wie oft habe ich bei der Lektüre "professioneller" Literaturkritiken die Empfindung, deren Autor habe das rezensierte Werk nicht vollständig und nicht mit Muße gelesen. Wie sollte er auch, bei der Fülle und dem Umfang der Neuerscheinungen und der ihm zur Verfügung stehenden Zeit finanziell schlechter ausgestatteter Redaktionen!
Sehr sehr häufig muss ich bei der Lektüre von Rezensionen von Sachliteratur feststellen, dass die Rezensenten FRÜHERE Veröffentlichungen zu einem bestimmten Thema nicht kennen und  unfähig sind, über einen weiteren Zeitraum von Erscheinungen VERGLEICHEND zu urteilen.
Des öfteren hab ich bei der Lektüre von Rezensionen in angesehenen Zeitungen die Empfindung von Gefälligkeitsrezensionen und Clubs zur gegenseitigen Rühmung!

Nichts Belehrendes für mich als die Website "Perlentaucher". Ich kann sofort und ohne Mühe die Rezensionen EINES Buches durch verschiedene Kritiker lesen und VERGLEICHEN. Des öfteren stellt sich da bei mir die die Empfindung ein, es handele sich um VERSCHIEDENE rezensierte Objekte.   Und wenn ich das rezensierte Buch selbst lese, stellt sich mir öfters die Empfindung ein: Ich sollte SELBST  noch eine Rezension schreiben, und sie wäre dann erneut  anders als die vier anderen, die ich zuvor bei "Perlentaucher" las.
Ein Buch  ist kein erkennbares "Ding an sich", sondern ein Ergebnis des Zusammenstoßes eines Buchs mit einem INDIVIDUUM - dementsprechend verschieden fallen Rezensionen geradezu "automatisch" aus. Selbst langjährige formalisierte Bildungsprozesse ändern an der Verschiedenartigkeit der Wahrnehmung und Beurteilung nur wenig.

Angenehmerweise bringt die neueste "Literaturkritik" auch einen Text von Thomas Anz, der die Breite der Internet-ermöglichten Kritik POSITIV  wertet. Vielleicht sollten Sie, Frau Schwalm,  sich mal mit Herrn Anz unterhalten :-).

Noch ein Wort zu Ihrer sehr kritischen Behandlung der Website "Musagetes" und ihres Verantwortlichen:  Ich kenne wenige so brilliante, trotz aller Kürze inhaltsreiche und witzige Literaturkritiken wie die von Musagetes-Betreiber Dr. Marius Fränzel.
Diese Rezensionen stellen  eine eigene Form reizvoller Literatur dar, die man lesen, verstehen und genießen kann, ohne das Objekt der Kritik zu kennen.

Ich selbst habe einige kritische Textchen auf einer eigenen Website stehen.
Ein Motiv, diese Website zu kreieren, war, dass ich NICHT mehr Redaktionsleiter bin und nicht mehr dieselbe Zugangschance zur zeitungsmäßigen Veröffentlichung von Texten habe wie früher. Aber das ist doch noch kein Grund, dass diese Texte, weil sie nun nur auf einer Website stehen, deshalb schlechter wären .-)
Unterm Aspekt der Selbstdarstellung betrachtet, bringt mir diese Website nicht sehr viel: Ich erhalte  pro Jahr ein bis zwei Rückmeldungen inhaltlicher Art :-)

Veit Feger
http://veit-feger.homepage.t-online.de/


Cornelie Müller-Gödecke schrieb uns am 06.01.2011
Thema: Simone Schwalm: Geschmackssache

Frau Schwalm,

ich habe lange nachgedacht, warum Sie mit Ihrem Aufsatz so falsch liegen, habe auf Buchbestattung auch etwas dazugeschrieben, aber ganz kurz und einfach:

Sie verwechseln Leser mit Kritikern.

Das ist ein derber Fauxpas. Und deshalb treffen Sie so großartig daneben mit Ihrer "Analyse"