Leserbriefe zur Rezension

Der Tod als Gevatter und guter Nachbar

Wer ihn zum Freund hat, dem kann’s nicht fehlen

Von Dirk Kaesler


Marianne Bruaux schrieb uns am 13.05.2012
Thema: Dirk Kaesler: Der Tod als Gevatter und guter Nachbar

Als Kinder fuhren meine Eltern mit uns wir fast jeden Sonntag zum Friedhof, mit dem Bus ! Da lagen unsere Großmutter, Tanten, Onkel und viele viele Unbekannte. Die Fahrt dorthin war wie ein Ausflug, der Friedhof für uns ein großer Garten, im Sommer flitzten Eidechsen über die Steine und Mäuerchen und es gibt sogar Fotos von uns in diesem Friedhof. Die Mutter erzählte uns Geschichten von ihrer Mutter, wir durften Wasser holen, Blumen gießen und am Ende ein paar Augenblicke am Grab verweilen. Der Platz war uns ein vertrauter Ort.

Jeder reagiert anders dem Sterben und dem Tod gegenüber, hat seine Gefühle und Ängste, die respektiert werden sollten. Aber manche Leute könnens einfach nicht glauben, dass der dürrbeinige Gevatter wirklich alle holt, ob arm oder reich …
Und dann fallen Wörter wie « Sichtschutz », « Stimmungsdruck » « Immobilienwert », « Prozess » …
Und warum soll ich nicht bis zum letzten Moment mit allen Sinnen unter den Lebenden bleiben dürfen ?

Ein französisches Chanson fällt mir ein, es heißt « Déranger les pierres »
(ich weiß, Übersetzungen können Texte töten, ich probiers trotzdem mal…)

Ich will meine Augen in euren Augen
Ich will meine Stimme in eurem Ohr
Ich will die frischen Hände des Windes
Ich will noch den Schmerz der Liebe spüren
den Schmerz von alldem, was entzückt
Ich will noch leise weiterbrennen
Zwei Schritte von der Sonne entfernt

Und ich will die Steine bewegen
Das Gesicht meiner Nächte verändern
Den Schlüssel zu deinem Geheimnis finden
Und die Zeit, das soll meine Sache sein

Ich will dein Lachen in meinem Mund
Ich will deine Schultern, die zittern
Ich will langsam stranden
in  einem verlorenen Paradies.
Ich will mein Doppel wiederfinden
Den Ursprung der Verwirrung
Will das Unbekannte streicheln

Und ich will die Steine bewegen….

Ich will sterben an einem Sonntag
Im ersten Zittern des Frühlings
Unter der großen Sonne Satans
Ich will sterben ohne Angst
Versunken in einen bleiernen Schlaf
Ich will sterben mit offenen Augen
Das Gesicht dem Himmel zugewandt,
wie ein Bettler

Und ich will die Steine bewegen …..