Leserbriefe zur Rezension

Was geantwortet werden muss

Wie Günter Grass sein Gedicht „Was gesagt werden muss“ bereits 1990 in seiner Frankfurter Poetikvorlesung ankündigte – mit einem Exkurs zu seiner Novelle „Im Krebsgang“ (2002)

Von Jan Süselbeck


Prof. Dr. Juergen pelzer schrieb uns am 01.05.2012
Thema: Jan Süselbeck: Was geantwortet werden muss

Zu diesem glänzenden, stringenten und vor allem höchst notwendigen Artikel kann ich Ihnen nur gratulieren, Herr Süselbeck!  Sie haben, ähnlich wie dies F.C. Delius im Falle Martin Walsers getan hat, die Rhetorik und diversen Volten des Autors unter die kritische Lupe genommen und damit deutlich gezeigt, wie der sekundäre Antisemitismus funktioniert. Ich wünschte nur, eine Kurzfassung könnte irgendwo an prominenter Stelle veröffentlicht  werden.

Prof. Dr. Jürgen Pelzer, z. Zt. Berlin


Jürgen Kiel schrieb uns am 01.05.2012
Thema: Jan Süselbeck: Was geantwortet werden muss

Eine überzeugende Analyse von Jan Süselbeck!
Vor allem den Hinweis auf Adorno halt ich für außerordentlich wichtig. Grass ist, so auch hier, bisher vor allem als Repräsentant eines sekundären Antisemitismus kritisiert worden, also als bekannte Persönlichkeit, die für die problematische Haltung vieler steht. Mehr in die Tiefe gehend ist aber, wie in diesem Artikel angedeutet, das genuin künstlerische Problem, das der Holocaust bedeutete für die Schriftsteller der Nachkriegsgeneration, die mehr sein wollten als gute Unterhaltungskünstler.
Die Frage musste sich stellen, wie nun nicht nur ein Gedicht, sondern überhaupt noch auf Deutsch geschrieben werden konnte. Wenn man einmal annimmt, dass für Grass (und ebenso für Martin Walser) ihr Künstlertum das Wichtige ist und nicht ihre politische Position, so musste ihr „Vorwurf an die Juden“ (d.h. an Adorno) lauten: „Es kann doch nicht sein, dass diese schrecklichen Ereignisse bewirken, dass ich kein bedeutender Schriftsteller sein darf, der so schreibt wie ich es will und wie ich es kann!“
Die Antwort lautet möglicher Weise: genauso ist es. Was nicht bedeutet, dass nicht andere Autoren eine angemessene Form gefunden haben.
Das Spezifische künstlerischen Schreibens zeigt sich m.E. weniger am „gut schreiben können“ (was immer man sich darunter vorstellen mag), sondern an der Reflexion der Geschichtlichkeit von Sprache, die sich im Stil zeigt. Wer hier limitiert ist oder sich selbst limitiert, ist bei aller Anerkennung im Feuilleton bestenfalls ein mittlerer Autor, was am Ende die Zeit erweisen wird, die noch stets der beste Rezensent gewesen ist.


Volker Dittrich schrieb uns am 01.05.2012
Thema: Jan Süselbeck: Was geantwortet werden muss

Ein sehr erhellender, interessanter und informativer Beitrag zur Debatte um das Gedicht "Was gesagt werden muss" von Günter Grass. Vielen Dank, Jan Süselbeck!


Martin Runow schrieb uns am 01.05.2012
Thema: Jan Süselbeck: Was geantwortet werden muss

Diese sog. tiefgründige Analyse Jan Süsselbecks, die von drei Leser, die sich offensichtlich wie der Analytiker Süsselbeck selbst für die Spitze des deutschen Bildungsbürgertums halten, geht m.E. von völlig falschen Prämissen aus.
Alleine, wenn ich in Süsselbecks sog. "Analyse" des Grass Gedichtes Sätze lese wie jenen: "Der Ex-SS-Rekrut Grass schreibt...", dann weiß ich sofort und spätestens hier, wes Geistes Kind der Verfasser dieser feinen "Analyse" ist.
Es ist schon bedeutsam, wie dekadent sich diese deutsche Nation heute präsentiert.
Wehe dem, es folgt einer, der nicht nur in Deutschland Rang und Namen hat - Günter Grass - nicht dem Mainstream der von den Springer-Medien intonierten Melodie. Es wird Adorno ins Feld geführt - welchen Bezug hat der eigentlich zu dem Grass Gedicht bzw. Grass zu Adorno? -, aber an der Realität politischen Geschehens und gesell-schaftlicher Entwicklung geht man geflissentlich vorbei. Warum schaut Herr Süsselbeck nicht mal in die Kladde israelischer Politik und Wirk-lichkeit? Vielleicht verstände er dann nicht nur die Welt ein wenig besser, sondern auch Grass' Gedicht?
Mich erstaunt schon sehr, daß die Mainstream-Medien, voran all jene Journalisten, die sich gerne als frei und unabhängig  bezeichnen, durch-weg "Was gesagt werden muß" zertreten und verdammen, aber an den wahren Zusammenhängen, auf die Günter Grass mit seinem Gedicht so eindringlich  aufmerksam macht, nicht eingehen, ja, sie nicht einmal ansprechen.
Man schaue sich die Namen jener Leute einfach  mal an, die sich als Apologeten eines neoimperialen Landes, zu dem das unsere bereits wieder geworden ist, gebärden. Jan Süsselbeck reiht sich da nur ein neben anderen. Das ist traurig, aber wahr.
Wer meine Anmerkungen nun hier lesen wird, vorausgesetzt, man stellt sie tasächlich hier ein, wird mich sicher als Feind Israels brandmarken oder eine Israel-Phobie bei mir ausmachen. Alles Unsinn! Ich bin weder ein Feind des israelischen Volkes noch ein Antisemit oder Judenhas-ser. Ich bin ein freier Bürger dieses Landes und  habe mir nur meinen unabhängigen Verstand bewahrt und schaue auf die israelischen Politiker mit kritischem Blick - wie G. Grass eben auch. Ist das denn nicht mehr opportun?


Frank Custodis schrieb uns am 02.05.2012
Thema: Jan Süselbeck: Was geantwortet werden muss

Es gehört zum Standardverfahren, zu dem jeder Antideutsche greift, wenn er einen vermeintlichen Antisemiten ausgemacht hat,  diesen mit Halbwahrheiten und Diffamierungen zu überhäufen, die stets den Zweck verfolgen, den Hitler im ausgespähten Delinquenten – hier Günter Grass – aufscheinen zu lassen und ihn mundtot zu machen. Je nach Bildungsgrad und intellektuellem Anspruch fällt die Art und Weise des Kritikübenden verschieden aus, bleibt aber im Kern immer einseitig und despektierlich. Auch Jan Süselbeck macht hier keine  Ausnahme. Dennoch muss ich ihm zu der gelungenen realsatirischen Pointe mit dem Adorno-Schlenker gratulieren, dass ist kabarettistisch nicht zu toppen.  Ich hoffe aber, dass in Marburg die Realität nicht auch schon nur noch als Belästigung wahrgenommen wird, wie derzeit von einigen Studierenden in Frankfurt, Berlin und Leipzig, die bereits gezwungen sind, ihren Traum von der einzig wahren Schuldabtragung militant zu erhalten….

http://www.wsws.org/de/2012/apr2012/leip-a26.shtml

Kurz gesagt: Was Sie hier versucht haben, Herr Süselbeck, ist die Neufassung  des Grimm’schen Märchens  “Des Kaisers neue Kleider“ für heutige intellektuelle Erwachsene. Allerdings ohne die Stelle des Originals, an der das unschuldige Kind die Wahrheit ausspricht, auf einen 84jährigen Literaturnobelpreisträger zu aktualisieren.