Leserbriefe zur Rezension

Unheilbare Lebensmelancholie

Karlheinz Deschner hat den letzten Band seiner „Kriminalgeschichte des Christentums“ publiziert

Von Franz Siepe


Gabriele Röwer schrieb uns am 04.08.2013
Thema: Franz Siepe: Unheilbare Lebensmelancholie

Wie gern hätte ich Franz Siepe gedankt für diese Rezension, unter den auf www.deschner.info veröffentlichten Resonanzen wohl singulär in ihrer - auch durch die ungewöhnlich ausführliche, zudem kommentarlose Zitierung des fulminanten Finale von Deschners "Kriminalgeschichte des Christentums" - unverkennbaren existentiellen Berührtheit.
Doch dann lese ich bei Wikipedia vom Tod Franz Siepes am 1. Juli 2013. Fragen über Fragen seither.
Hier nur die nach einem möglichen Meta-Sinn seiner Rezension:
Denn welcher Leser begegnete hierzulande einst im Schulunterricht tatsächlich einem derart aufrüttelnden Geschichtsbuch, wie von Siepe skizziert, voller Berichte über "verfolgte Unschuld und triumphierend grinsende Schuld", Urgrund "unheilbarer Lebensmelancholie"? War es nicht vielmehr - auch bei Franz Siepe? - die von Deschner wieder und wieder angeklagte Geschichtsschreibung aus der Sicht der Herrschenden, deren zig Daten von Schlachten und Siegen dann in den Schulen auswendig zu lernen waren, ohne dass, wie es Schopenhauer von der Philosophie fordert, auch nur im mindesten "die Tränen, das Heulen und Zähneknirschen und das furchtbare Getöse gegenseitigen allgemeinen Mordens" jemals wirklich beklemmend spürbar wurden? Jedenfalls nicht annähernd so spürbar wie bei Deschner, der, im Kontrast zu den Aberhunderten Apologeten, bewusst "cum ira et studio" schreibt, konsequent einseitig aus der Sicht der Opfer klerikaler und weltlicher (christlicher!) Potentaten, aus der Sicht jener also, die das alles erlitten?
Das o.g. Schluss-Zitat in Deschners Werk wie in Franz Siepes Rezension lässt mich, im Sinn der Überschrift, deren Meta-Sinn ahnen für einen hochsensiblen und ethisch überaus anspruchsvollen Katholiken, dessen religionsphilosophisches Fragen immer wieder um jenen uralten manichäischen Dualismus kreiste...
Wie gern hätte ich auch darüber noch mit Franz Siepe gesprochen.