Leserbriefe zur Rezension

Guter und braver Soldat

Jaroslav Hašeks „Švejk“ liegt in einer Neuübersetzung vor, die vieles ändert. Nur die Absurdität des Kriegs bleibt, wie sie war

Von Walter Delabar


Arndt Frommann , Beim Paulskloster 15, 28203 Bremen schrieb uns am 04.01.2015
Thema: Walter Delabar: Guter und braver Soldat

Sehr geehrter Herr Delabar,
gerade halte ich die neue Schwejk-Übersetzung in den Händen, deren Nachwort, Übersetzungshinweise und Kommentare ich schon mit großem Interesse verschlungen hatte, bevor ich mich nun - auszugsweise - an die neue Fassung von Herrn Brousek machte.
Der Schwejk - also in der Fassung von Frau Reiner - ist eines meiner Lieblingsbücher, schon über Jahrzehnte. So war meine Vorfreude auf eine weitere, auf andere Weise erbauliche Neulektüre groß. Aber ebenso ist es meine Enttäuschung nach Lektüre einiger ausgewählter Kapitel. Wenn mein erster Eindruck sich bestätigen sollte, ist diese Ausgabe sprachlich kein Gewinn. Die Tatsache allein, dass der Schwejk ein gutes Umgangstschechisch spricht, während der ihn umgebende österreich-deutsche Militärwahnsinn ein radebrechendes Tschechisch, kann meines Erachtens nicht allein die Aufhebung des "böhmmakelnden" Sprechstils von Schwejk (also Reiner) rechtfertigen. Eine kraftvolle, bilderreiche altertümliche Sprache des deutschen Sprachraums vor dem Vergessen bewahrt zu haben und damit einen wesentlichen Teil der untergegangenen k.u.k. Monarchie erscheint mir geradezu als ein zusätzlicher Verdienst der Übersetzerin, ja mehr noch: ein Geniestreich. Wir Leser wissen ja, dass man den Schwejk aufgrund dieses verrotteten Staatsgebildes untergehende Monarchie zwingt, im Umgang mit den Deutschen nicht seine Sprache zu sprechen. Und so behält eben - und das ist die Entscheidung von der Reiner - der Schwejk diese, ihn eigentlich diskriminierenden Sprache bei, ohne dabei seine "sprachliche" und seine sonstige Würde zu verlieren. Er richtet sich geradezu gemütlich darin ein. Wir Leser sind uns mit ihm einig, dass es eine Scheingemütlichkeit ist. Wenn Tucholsky von der unmöglichen Übersetzung spricht, bei der uns wer weiß wie viel vom Sprachwitz des Originals verloren geht, so kann ich mir nicht vorstellen, dass der die neue Übersetzung im Umgangsdeutsch als kongenial beurteilt hätte. Wie dem auch sei, ich hatte vor Jahren, als ich in Pension ging, die Idee, dass man den Reiner-Schwejk mit einem ausführlichen Glossar, Übersetzungskommentar und einem Nachwort herausgeben müsste. Aber dafür wäre der Markt wohl nicht da gewesen. Aus dem Internet erfahre ich nun, dass der Verlag an einer  neuen umgangssprachlichen Übersetzung interessiert war, weil er Chancen gesehen hat, dies Ausgabe auf der Welle des hundertsten Jahrestages des 1.Weltkriegs gut verkaufen zu können. Der Übersetzer ist kein Literat, sondern Berufsrichter, der seine Übersetzungsproben bis dahin vergeblich an Verlage geschickt hatte. Spät, erst 2013 erhielt er den Auftrag, innerhalb kurzer Zeit die 1000 Seiten zu übersetzen. Er hat sie direkt in sein Richter-Diktiergerät aus dem Tschechischen übertragen. Wenn das stimmt, kann das Ergebnis eigentlich nicht befriedigend ausfallen. Ich denke an die neue, so überaus sorgfältige Übersetzung der Madame Bovary. Die ist wirklich ein literarischer Leckerbissen.    
Zum Schluss das Beispiel einer schlechten Neuübersetzung aus dem Kapitel 9 "Schwejk im Garnisonsarrest" (Brousek-Ausgabe S.99): Die im Militärgefängnis einsitzenden "Unterhosen"-Gefangenen stehen vor der Kanzel des Feldkurats, um dessen Predigt zu hören. Reiner übersetzt: "Er verstand es so schön, von der unendlichen Gnade Gottes zu faseln, die  
v e r l o t t e r t e n Arrestanten und  e n t e h r t e n  Männer geistig zu erbauen." In der neuen Übersetzung heißt es: "Er konnte so schön von der unendlichen Güte Gottes faseln und so die  v e r k o m m e n e n  Arrestanten und  d i e s e  M ä n n e r  o h n e   E h r e  geistig
erbauen." Nie würde Schwejk seine Mitgehangenen ehrlos oder verlottert nennen. Im Gegenteil: das ganze Drumherum ist eben mit diesen Worten genau beschrieben.
Was halten Sie von meinen Überlegungen? Vielleicht täusche ich mich ja auf die Länge. Aber, ehrlich gesagt, mir ist die Lust vergangen, den mir vertrauten Schwejk und seine Sprache in ein gutes und geglättetes Umgangsdeutsch übertragen zu lesen. Haben Sie es getan?
Ich würde mich über eine Antwort freuen, und sei sie noch so kurz.
Mit herzlichen Grüßen
Arndt Frommann