Dr. Karl Corino schrieb uns am 12.04.2015
Thema: Peter Mohr: Gralshüter des Sozialismus
Der Artikel von Peter Mohr ist im Allgemeinen recht informativ, transportiert aber immer noch eine Reihe von Mythen.
Dazu gehört, Hermlin sei der Sohn großbürgerlich-wohlhabender Eltern. Der Vater David Leder hatte bis zu seiner Internierung als feindlicher Ausländer während des I. Weltkriegs laut Chemnitzer Adressbuch ein Geschäft für Woll- und Baumwollabfälle. Der staatlich eingesetzte kommisarische Verwalter teilte der Mutter Hermlins, Lola Leder, während der Kriegsjahre so wenig Geld zu, dass sie ihm drohte, ins Wasser zu gehen. Ungerührt stellte er ihr frei, dies zu tun (Bericht von Hermlins Schwester Ruth Frenkel). So also sah die großbürgerliche Herkunft Hermlins aus.
Zu den von Peter Mohr transportierten Mythen gehört auch der Eintritt Hermlins in die KPD. Bezeugt ist durch die Schwester Ruth Frenkel und durch Hermlins Jugendfreund Hobsbawm, dass Hermlin in den frühen 30er Jahren Mitglied des Sozialistischen Schülerbunds war. Von seiner Schwester dafür geworben warb er auch Hobsbawm und veröffentlichte in der Zeitschrift dieses SSB "Der Schulkampf". Wegen eines Artikels vom Januar 1932 wurde er vom Gymnasium relegiert. Die Verfolgten des Naziregimes in der DDR konnten in einem Gutachten aus dem Jahre 1957 keine Verbindung Hermlins mit der KPD in den Jahren 1933 - 36 feststellen.
Zu den Mythen Hermlins gehört weiterhin, seine Beziehung zu Honecker stamme aus dem gemeinsamen antifaschististen Widerstand. Wie die Verfolgten des Naziregimes in einem Gutachten von 1957 feststellten, habe ihre Recherche ergeben, dass Hermlin bis zur Emigration 1936 n i c h t "am organisierten Kampf gegen den Faschismus teilnahm". Die Beziehung zu Honecker stammte nach dessen Erinnerung aus Begegnungen bei der FDJ in den späten 40er Jahren. Wegen dieses ausdrücklichen Nicht-Engagements ist es logisch, dass die VdN die Verleihung eines Ordens an Hermlin für antifaschistische Verdienste ablehnte.
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Reiner Lenz schrieb uns am 08.09.2015 als Antwort auf einen Leserbrief
Thema: Re: Peter Mohr: Gralshüter des Sozialismus
Carl Corino hat offenbar bis heute, immerhin 36 Jahre nach Erstveröffentlichung, nicht begriffen, dass Stefan Hermlins literarisches Alterswerk Abendlicht, auf das er sich im Wesentlichen bei seiner Behauptung Hermlin habe seinen Lebensmythos erlogen bezieht, eine fiktionale Erzählung und eben keine Autobiographie ist. Es gibt in Abendlicht auch keinerlei Anzeichen aus denen sich die zwingende Schlussfolgerung ergibt, hier läge eine Autobiographie vor. Wenn ein Teil der Leser Hermlins dieses Werk dennoch als Autobiographie verstanden wissen wollte, so erscheint es absurd Hermlin für die Gedanken und Empfindungen Dritter in Haftung nehmen zu wollen. Auch Corinos Behauptung Hermlin wäre den falschen Interpretationen seines Textes nicht entgegengetreten, entspricht schlichtweg nicht den Tatsachen. Eindeutig und unmissverständlich lässt sich im Einband des Buches lesen, dass hier keine Autobiographie vorliegt.
Zitat:
Ein eigentümliches Buch aus der Rückschau gewonnen und doch keine Autobiographie
Zitiert aus dem Bucheinband der Erzählung Abendlicht von Stephan Hermlin, Verlag Phillip Reclam Junior Leipzig Ausgabe 1983
Ich meine das ist allemal Entgegentreten falscher Interpretationen von Abendlicht genug und füge dennoch einen Auszug aus Metzlers Lexikon DDR Literatur hinzu. Unter Stefan Hermlin heißt es…
Zitat:
Im Zeit Dossier (4.10.1996) veröffentlichte Carl Corino einen Artikel unter dem Titel Die Dichtung in eigner Sache indem er Hermlin der Lebenslüge bezichtigte. Er unterstellte Ihm ungerechtfertigte Behauptungen, etwas dass sein Vater in Sachensenhausen ermordet worden sei ( er war zu der Zeit Häftling dort ) , dass Hermlin Offizier im spanischen Bürgerkrieg gewesen sei ( er war nur kurz als Bote in Spanien ) usw. Corino berief sich dabei im Wesentlichen auf den …fiktionalen…Text Abendlicht und nicht auf nachweisliche Behauptungen Hermlins.
Zitat Ende.
Also auch diesem Lexikon ist eindeutig zu entnehmen, dass es sich bei Abendlicht um eine fiktionale Erzählung handelt.
Zu guter Letzt noch ein Zitat aus der Magisterarbeit des Germanisten Wolfram Mach mit dem Titel Stephan Hermlin 1958 – 1989 Versuch einer geistigen Existenzform im Sozialismus, darin heißt es.
Zitat:
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Autor und Werk erfolgte bislang in einem überschaubaren Rahmen. Einige der Arbeiten gehen unter einem jeweils besonderen Fokus gattungsbezogen vor (Ertl, Sobotka, Ohlerich ), versuchen eine Generalisierung (Werner), untersuchen Aspekte der Rezeptionsgeschichte (Ende) oder nähern sich dem Autor biographisch (Schlenstedt, Corino).
Es fehlen mithin neue Forschungen über diese zentrale Figur in der DDR-Kultur, insbesondere dezidierte Analysen über Hermlins offizielles wie inoffizielles kulturpolitisches Wirken, eine systematische Erschließung seines Nachlasses, textkritische Analysen neueren Datums ebenso wie rezeptionsgeschichtliche Arbeiten.
In diesem Zusammenhange sind die widersprüchlichen Angaben über die Biographie Hermlins bemerkenswert.
Weder Schlenstedt noch Corino genügen hierbei wissenschaftlichen Standards. Die Biographie Schlenstedts, die wohl eher eine Werk-Monographie genannt werden muß, nähert sich Hermlin vornehmlich politisch-ideologisch. Mit dem Ende des Bezugssystem ist jedoch diese Biographie selbst historisch geworden. Corino wiederum blickt ebenfalls durch eine (wenn auch anders gefärbte) ideologische Brille auf seinen Untersuchungsgegenstand. Durch die Gleichbehandlung ästhetischen und dokumentarischen Materials und der recht tendenziösen Heranziehung subjektiv gefärbter Quellen läßt er sich zu menschlich desavouierenden Passagen hinreißen, die weder Hermlin noch dem Begriff Biographie gerecht werden.
Zitat Ende
Nachzulesen unter www.hermlin.de
Ich meine hierzu Folgendes. Niemand weiß was Herrn Corino der dereinst einen guten Ruf als Kenner der DDR Literatur genoss, bewogen hat, diesen Ruf für die Rolle eines demagogischen Denunzianten einzutauschen, er täte sich aber durchaus einen Gefallen, wollte er mit der Demontage seiner Selbst, nicht bis in alle Ewigkeit fortfahren.
Reiner Lenz
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