Leserbriefe zur Rezension

Kaum mehr als ein Steinbruch

Johannes Dillinger trägt Material zur „Uchronie“ zusammen

Von Patrick Wichmann


Dillinger schrieb uns am 17.12.2015
Thema: Patrick Wichmann: Kaum mehr als ein Steinbruch

Man sollte als Autor eigentlich nicht auf Rezensionen antworten. Wenn sie aber von derartig geringer Qualität sind, muss man reagieren.
Der Herr Rezensent scheint wie ein schlechter Student wesentliche Teile des Buches, nämlich die Einleitungskapitel und den Schluss, nicht gelesen zu haben. So erklärt sich, dass er die Fragestellung und Zielsetzung des Buches so völlig missversteht. Es geht mir keineswegs darum zu belegen, dass Uchronie nützlich ist, wie der Rezensent unterstellt. Ziel des Buches ist eine Geschichte der Uchronie. Ich frage, wie uchronische Gedankenspiele in der Vergangenheit genutzt wurden. Aus dieser Rückschau ziehe ich am Ende u.a. den Schluss, dass Uchronie, wenn sie sorgfältig auf eine genau überlegte Fragestellung angewandt wird, in der Geschichtswissenschaft methodisch sinnvoll eingesetzt werden kann.
Das Buch ist der erste große Überblick über Uchronie von den Anfängen bis zur Gegenwart in Geschichtswissenschaft, Belletristik, Film und Design. Der Rezensent ist überfordert von der Fülle des Materials, die das Buch bietet. Er hält das Buch für unstrukturiert, da er die strikte Einteilung in große Kapitel und Unterkapitel übersieht. Das ist erstaunlich: Man kann das im Inhaltsverzeichnis nachlesen. Aus seiner eigenen wirren Lektüre entsteht beim Rezensenten offenbar auch der Eindruck, dass nicht klar zwischen Geschichtswissenschaft und Belletristik unterschieden wird. Das sind nun aber die Themen der ersten beiden großen Kapitel, die separat besprochen werden. Bei der oberflächlichen Lektüre entgehen dem Rezensenten die vielfältigen Erläuterungen zu den chronologischen Abläufen, dem historischen Kontext und den inneren Zusammenhängen in jedem dieser Kapitel. Einige Kernargumente z.B. über den Interrelationen zwischen Uchronie und Krisenerleben, Uchronie und Ideologiekritik, Uchronie und Aufklärung entgehen dem Rezensenten. Daher ist seine Behauptung, dass das Buch keine Schlüsse aus seinem Material ziehe, auch schlicht falsch. Das Schlusskapitel hätte Verständnishilfen für sehr eilige Leser wie den Rezensenten geboten. Ebenso unzutreffend ist die Unterstellung, die Ursprünge von uchronischen Gedanken würden nicht untersucht. Sie befremdet, da der Rezensent ja selbst einräumen muss, dass das Buch das Phänomen von den Anfängen der Geschichtswissenschaft an verfolgt. Die Motive einzelner Autoren – seien sie Belletristen oder Historiker – für den Beschäftigung mit Uchronie gibt das Buch immer wieder konkret an.
Was wäre geschehen, wenn der Rezensent das Buch sorgfältiger gelesen hätte? Das uchronische Argument, dass die Rezension dann von besserer Qualität gewesen wäre, ist plausibel.
Johannes Dillinger