Leserbriefe zur Rezension

Der Wolf und die acht Jahrzehnte deutscher Geschichte

Wolf Biermann erzählt den Roman seines Lebens auf die Art, die man von ihm kennt – unterhaltsam, ironisch und nicht ganz ohne Eitelkeit

Von Dietmar Jacobsen


Bernd Nitzschke schrieb uns am 02.12.2016
Thema: Dietmar Jacobsen: Der Wolf und die acht Jahrzehnte deutscher Geschichte

In der Rezension von Dietmar Jacobsen heißt es über den damals 16jährigen Biermann: „Als von Eleven der Gadebuscher Internatsschule, die er von 1953 an besucht, verlangt wird, der evangelischen Jungen Gemeinde, der sie als Christen angehören, den Rücken zu kehren, weigert sich ein einziges Mädchen und wird daraufhin vor der versammelten Schülerschaft bloßgestellt. Allein Biermann wagt den Widerspruch: „Ich bin Kommunist … Ich bin gegen die Kirche … Ich weiß, Religion ist Opium fürs Volk! … Aber das, was hier gemacht wird, das ist … kein Kommunismus… Dafür ist mein Vater nicht in Auschwitz gestorben“, begehrt der Sechzehnjährige auf. Es ist der erste Schritt auf einem Weg, der bis zu seiner Ausbürgerung …“
Hoppla, das ist ja wohl ein schlechter Witz? Biermann verklärt sich in seiner „Autobiographie“ als frühreifer Held – und der Rezensent glaubt ihm jedes Wort!

Auf seinem weiteren Lebensweg kam der tapfere Held dann allerdings noch einige Male ins Straucheln. Ich führe nur einige wenige Beispiele an:
1. Der 29jährige Biermann pries zwölf Jahre nach dem Tod des Massenmörders Stalin dessen „harten Besen“ (diese Metapher psychoanalytisch zu deuten, das wäre wohl zu platt). Und so sang Biermann 1965: „Die DDR, mein Vaterland / Ist sauber immerhin / Die Wiederkehr der Nazizeit / Ist absolut nicht drin / So gründlich haben wir geschrubbt / Mit Stalins hartem Besen.“ Das sang Biermann nicht, wie der Rezensent schreibt, „im Osten ... hinter verschlossenen Türen im kleinen Kreis“, nein, das posaunter er, so wie er das stets tat, in alle Welt hinaus. Biermann stand schließlich stets auf der „richtigen“ Seite. Jedenfalls war die Seite solange richtig, solange Biermann sie nicht wechselte.
2. 1972 spendete Biermann das Preisgeld, das er für den Fontane-Literatur-Preis erhalten hatte, Rechtsanwalt Horst Mahler. Als Biermann gefragt wurde, ob er es nicht bedauern würde, wenn dieses Geld in der RAF-Kasse landen würde, antwortete er auf hohem Ross sitzend „[…] aber Sie erwarten doch sicherlich nicht von mir, daß ich mich von der Roten Armee Fraktion distanziere? Ich will nicht in den Orden linker Hoher Priester aufgenommen werden, die der Baader-Meinhof-Gruppe ihren Segen vorenthalten. … Die Kommunisten in der Baader-Meinhof- Gruppe werfen ihr Leben in die Waagschale ...“
3. Auch dem heiligen „Comandante Che Guevara“. blieb es nicht erspart, vom „Schmieren- und Kitschaggressor“ Biermann (Wiglaf Droste in der Süddeutschen Zeitung vom 09.04.2005) besungen zu werden – und zwar gründlich auf diese Weise: „Und bist kein Bonze geworden / Kein hohes Tier, das nach Geld schielt / Und vom Schreibtisch aus den Held spielt. […] Jesus Christus mit der Knarre / – so führt Dein Bild uns zur Attacke.“ WOW!
4. Es dauerte einige Jahre – und Biermann blies wieder zur Attacke, diesmal für Bush & Blair – blieb selbst aber zuhause sitzen. Über die von ihm so genannten „Nationalpazifisten“ (dabei hat man den von Biermann beabsichtigten bösen Wortklang sofort im Ohr), die den Irakkrieg ablehnten, schrieb Biermann 2003 im SPIEGEL: „Die entpolitisierten Kids der Spaßgesellschaft finden Frieden irgendwie geiler als Krieg. Und obendrein bläst auch Gottes Bodenpersonal beider Konfessionen todesmutig in die Anti-Bush-Trompete.“

Jakob Moneta, zeitlebens ein Mann mit aufrechtem Gang, organisierte als IG-Metaller 1976 die Einladung zum Konzert in Köln, das zum Anlass der Ausbürgerung Biermanns aus der DDR wurde. Nach diesem Konzert nahm Moneta Biermann bei sich zuhause auf und lernte ihn so aus nächster Nähe kennen. Moneta „zerfreundete“ sich gründlich mit Biermann. Ein Jahr nachdem Biermann von Springer zum „Chef-Kulturkorrespondent“ erhoben ward, schrieb Moneta über diesen Dauer-Opportunisten in der Sozialistischen Zeitung, er wolle ihm „einen Spruch aus meiner jiddischen Muttersprache“ mitgeben: „Nicht gedacht soll seiner werden.“
Es hat nicht sollen sein. Oder hat die List der Vernunft am Ende doch noch gesiegt? Schließlich gedachte man Biermann, als er achtzig Jahre alt wurde, landauf, landab so, wie er es bezüglich seiner eigenen Person vorgemacht hat: mit Pauken & Trompeten. Dietmar Jacobsen hat das in seiner Besprechung der „Autobiographie“ Biermanns einfach nur nachgemacht.