Leserbriefe zur Rezension

Relativ gelungen

Stefan Descher legt eine Untersuchung zu Interpretationstheorien vor

Von Karin S. Wozonig


Christian Milz schrieb uns am 05.08.2019
Thema: Karin S. Wozonig: Relativ gelungen

Wenigstens aus nichtakademischer Perspektive muss diese Rezension schon nachdenklich machen. Wozonik setzt eine Prämisse (jede Interpretationshypothese sei per definitionem relativistisch, nämlich vom individuellen Textverstehen abhängig), die weder empirisch haltbar noch korrekt ist, denn sie verwechselt subjektiv mit relativ. Ein Seitenblick auf andere Sprachformen, Mathematik, Musik, Malerei, Architektur usw. und überwältigende empirische Belege für intersubjektive übereinstimmende Urteile, (Hits, Bestseller, Klassiker, Denkmäler usw ...) belegt das auf den ersten Blick. Und was soll das, eine aus der gesamten Figurenrede Hamlets herausgepickte Passage mit der Figur überhaupt und dann noch mit Shakespeare zu identifizieren, dessen Rezeption der These des Relativismus geradezu ins Gesicht springt, genauso wie der Dialog der Schriftsteller und Künstler untereinander, denen bei aller von ihnen selbst in Anspruch genommenen Subjektivität nichts ferner liegt, als die geistige Substanz von ihnen studierter und besprochener Werke in nebulösem Relativismus aufzulösen. Anders auch als beispielsweise die Philosophen habe sie es nicht nötig, ihr eigenes Werk auf den Trümmern ihrer Vorgänger aufzubauen. Gleichwohl dürfte die Rezensentin mit dem Begriff "hermeneutischer Abwehrzauber" den Nagel auf den Kopf getroffen haben: nur scheint selbiger vielmehr unerwünscht eindeutig-mehrdeutigen Sinnzusammenhängen zu gelten bzw. den hierzulande unerwünschten Versuchen die Literaturtheorie unter der Prämisse von Transzendenzoffenheit weiterzuentwickeln. Denn da liegt wohl der Hase im Pfeffer.