Leserbriefe zur Rezension

Nur bedingt überzeugend

Carlo Masalas militärpolitische Aussagen in „Bedingt abwehrbereit“ liefern über einige erhellende Einblicke in die Strukturprobleme der Bundeswehr hinaus kaum etwas Neues

Von Marcus Neuert


Karl-Josef Müller schrieb uns am 27.02.2024
Thema: Marcus Neuert: Nur bedingt überzeugend

Beim Lesen einer Rezension sind wir darauf angewiesen, dass der Rzensent Geist und Inhalt des besprochenen Textes glaubwürdig widergibt. Bevor wir nicht selbst das besprochene Werk gelesen haben, sind wir auf eben diese Glaubwürdigkeit angwiesen.
Carlo Masala kenne ich aus mehreren Auftritten im TV. Er erweckt den Eindruck zu wissen, wovon er redet. Und das gesteht Marcus Neuert ihm auch zu, wenn es um den Zustand der Bundeswehr geht.
Dass es in diesem Buch in erster Linie um den brutalen Angriffskrieg des Potentaten in Russland geht, verwundert mich nicht. Aufgrund aller Informationen, die mir über öffentliche seriöse Medien zugänglich sind, gibt es für diesen Krieg keinerlei Rechtfertigung.
Anders sieht dies offensichtlich Marcus Neuert. Darf man es perfide nennen, wenn er die intellektuelle Unabhängigkeit Masalas nicht offen, aber doch hinter kaum vorgehaltener Hand anzweifelt, indem er ihn einen "Staatsbediensteten" nennt? Nebenbei bemerkt: Meines Wissens sind alle Professorinnen und Professoren, egal welcher Fachrichtung, eben solche Staatsbedienstete. Er zieht Masalas Unabhängigkeit gegenüber "seinem Arbeitgeber" in Zweifel.
Damit bereitet Neuert das Feld für seine These, die ja nun auch nicht gerade neu ist, von der "allzu einseitigen Schuldzuweisungen an die Adresse Russlands bezüglich der langjährigen Entwicklungen um die Ukraine". Weiter: "Dass jedoch auch die Ukraine kein echtes Interesse an der Umsetzung von Minsk II hatte, wird höflich verschwiegen." Offensichtlich ist Herr Neuert bestens informiert über die komplexen Zusammenhänge, die schließlich in letzter Konsequenz zum Massaker von Butscha führten.
Ein Land wird angegriffen und ein Teil seines Staatsgebietes vom Feind besetzt. Es folgen Friedensverhandlungen, die in eine Abkommen münden, das den Feind quasi belohnt, indem er nicht gezwungen wird, die widerrechtlich eroberten Gebiete zurückzugeben. Wir würden gerne belegt wissen, dass die Ukraine "kein echtes Interesse an der Umsetzung von Minsk II hatte", und wir würden von Herrn Neuert gerne wissen, was genau er unter der "allzu einseitigen Schuldzuweisungen an die Adresse Russlands" versteht. Handelt es sich hier nicht um das mittlerweile nur zu bekannte Phänomen der Täter-Opfer-Umkehr?
Ich erspare mir weitere Zitate. Die Argumentation des Rezensenten beleidigt in meinen Augen die Opfer dieses Krieges, und zwar die auf ukrainischer wie gleichermaßen die auf russischer Seite. Kein russischer oder ukrainischer Soldat hat es verdient, in diesem von einem Despoten angeordneten Krieg sein Leben zu verlieren, ganz zu schweigen von den zivilen Opfern in der Ukraine.


Rüdiger Schnell schrieb uns am 27.02.2024 als Antwort auf einen Leserbrief
Thema: Re: Marcus Neuert: Nur bedingt überzeugend

Ich kann mich der kritischen Stellungnahme von Herrn Müller nur anschließen. Wer, wie der Rezensent Neuert, die Forderung nach einer Verteidigungsfähigkeit Deutschlands als etwas bezeichnet, was "für die Zukunft nichts Gutes ahnen lässt", reiht sich in die Denkwelt der pazifistischen Linken ein. Eine angemessene realistische Beurteilung der aktuellen Bedrohungslage durch den russischen Aggressor Putin wird dadurch unmöglich. Die Pazifisten träumen von Verhandlungen, von Waffenstillstand, vom Frieden. Doch Putin verfolgt eine andere Agenda: erst die Vernichtung der Ukraine, dann könne man über Frieden reden. Und wo, bitteschön, soll dann Frieden herrschen? Wohlgemerkt in den von Russen besetzten Gebieten.


Günter Helmes schrieb uns am 27.02.2024 als Antwort auf einen Leserbrief
Thema: Re: Marcus Neuert: Nur bedingt überzeugend

In wessen Namen schreiben Sie, Herr Müller, wenn Sie von "Wir" sprechen? Wo liegt Ihrer Legitimation, wenn Sie dieses "Wir" verwenden? Fühlen Sie sich auf der Seite einer - behaupteten - Mehrheit, die als solche stets - selbstverständlich nicht - immer Recht und Wahrheit auf ihrer Seite zu haben glaubt? Oder geht es Ihnen, rhetorisch plump, einfach nur darum, Herrn Neuert ins per se unglaubwürdige Abseits zu stellen? "Intellektuelle Unabhängigkeit": Die 'einfach mal so' anzunehmen, ist ehrenwert, wenn auch nur bedingt realitätsnah. Und: Ist es nicht ein 'alter Hut', dass zum Streit immer zwei gehören? Was also haben sie gegen die von Neuert beklagten "allzu einseitigen Schuldzuweisungen"? Wie gut im Übrigen, dass Sie Herrn Masala aus dem TV kennen und für informiert halten, stichhaltige Argumente sind immer willkommen.


Karl-Josef Müller schrieb uns am 28.02.2024 als Antwort auf einen Leserbrief
Thema: Re: Marcus Neuert: Nur bedingt überzeugend

Diese Einwände kann ich nicht nachvollziehen. Es geht nicht darum, im Recht zu sein. Wir alle sind auf öffentlich zugängliche Informationen angewiesen, wenn es um politische Zusammenhänge geht. Und anhand dieser mir wie uns allen zugänglichen Informationen komme ich zu der Ansicht, dass es nicht sein kann, die russischen Verbrechen, mit welchen Argumenten auch immer, zu rechtfertigen. Ich erspare es mir, die Untaten des Herrn Putin seit seiner Amtseinführung aufzuzählen. Stalin lässt grüßen.


Günter Helmes schrieb uns am 28.02.2024 als Antwort auf einen Leserbrief
Thema: Re: Marcus Neuert: Nur bedingt überzeugend

Der Eindruck, den ich vor einigen Monaten in der Debatte um Robert Habecks Rede zu Israel und dem Antisemitismus gewann, erhärtet sich: Unter der Hand, Herr Müller, arbeiten Sie mit Zuschreibungen, die textlich  nicht gedeckt sind, den anders Denkenden, in dem Falle mich, aber diskreditieren - diskreditieren sollen? Oder sind diese Zuschreibungen nur Ausdruck mangelhaften sinnentnehmenden Lesens? Wo steht bei mir, bei Herrn Neuert, und sei es auch nur zwischen den Zeilen, dass Russlands Krieg gegen die Ukraine gerechtfertigt werden soll?


Karl-Josef Müller schrieb uns am 28.02.2024 als Antwort auf einen Leserbrief
Thema: Re: Marcus Neuert: Nur bedingt überzeugend

"Mittel der Diskreditierung sind Verleumdung, Indiskretionen oder das Verbreiten von Gerüchten."
(https://de.wikipedia.org/wiki/Diskreditierung)
Es tut mir leid, ich kann nicht erkennen, wo und wie ich Sie  diskreditiert haben soll; auch gehe ich davon aus, dass die Redaktion der literaturkritik diskreditierende oder beleidigende Beiträge nicht veröffentlichen würde, wir befinden uns - Gott sei Dank - nicht in den (a)sozialen Medien.
Ich möchte nunmehr abschließend nochmals auf den Vorwurf in Sachen Berlinale eingehen. "Die maßlosen, mit Einschüchterungsversuchen einhergehenden Reaktionen der Roth, der Scholz, der Söder und anderer auf Waffenstillstand fordernde Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Berlinale zeigen, wie groß nach wie vor der diesbezügliche Klärungsbedarf ist." Wie soll man diese Einschätzung sachlich einordnen? Welches Maß ist Ihnen Recht, Herr Helmes, wenn es um Kritik geht?
Ich möchte mich dem Kommentar von Frau Monika Wagener anschließen, gesendet am 26. 2. 24 in den "Tagesthemen". Ich zitiere einen der ersten Sätze des Kommentares, der gesamte Beitrag ist noch online zu sehen (https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL3RhZ2Vzc2NoYXUuZGUvMDQ2YWQ2MmEtNDJiNC00ZDM5LTg0MzMtMzViOGIzY2I2NDZlLVNFTkRVTkdTVklERU8):
"Ist es erlaubt,  sich für einen Waffenstillstand im Gazastreifen einzusetzen? Natürlich." Kritik an Israels Vorgehen in Gaza, so Frau Wagener, ist weder verboten noch antisemitisch. Verbunden werden sollte, ja muss sie allerdings werden mit dem Hinweis auf die Ereignisse vom 7. Oktober verganenen Jahres, worauf die Kommentatorin ausführlich hinweist. Und Erwähnung finden muss in diesem Zusammenhang auch, wes Geistes Kind die Hamas ist, auch daran erinnert Frau Wagener.
In Sachen Ukraine kann ich nur nochmals wiederholen: Aus meiner Sicht verfälscht jeder Versuch, auch nur im Ansatz den unmenschlichen Charakter des russischen Angriffskrieges zu relativieren, die Wahrheit. Dazu nochmals ein Zitat von Herrn Neuert: "Kein Wort zu Deutschlands diplomatischer Mitschuld an mehr als 12.000 meist zivilen Opfern durch eine Regierung in Kiew, die acht lange Jahre im Südosten des Landes de jure ihre eigene Bevölkerung unter Feuer nahm. Zur Erinnerung: Syriens Assad solches (zu vollem Recht!) vorzuwerfen, hatten die gleichen Verantwortlichen keine Probleme."


Günter Helmes schrieb uns am 29.02.2024 als Antwort auf einen Leserbrief
Thema: Re: Marcus Neuert: Nur bedingt überzeugend

Wenn die Unterstellung, der Krieg Russlands gegen die Ukraine solle ggf. unter der Hand gerechtfertigt werden (Sie tun es zum Schluss wieder!), keine Diskreditierung ist, Herr Müller, dann ...
Sie mögen verstehen: Es geht um Verstehen im Sinne von Begreifen, nicht um Verständnis und Rechtfertigung.
Und m.E. geradezu aberwitzig. Mit Frau Wagener und der neuen, bellizistischen und selbstverständlich Werte geleiteten Berliner 'Union der festen Hand' (man sieht Letzteres ja an den Waffenlieferungen nach Saudi Arabien, einem Land, das Oppositionelle auspeitscht, köpft, auch schon mal zerstückelt) als Kronzeugen verlangen Sie im Sinne eines Junktims, eines Oktroys nach Kontextualisierung des Protests gegen Israels Vorgehen in Gaza und anderen Orts, Neuert hingegen machen Sie zum Vorwurf, dass er kontextualisiert, hinterfragt und in Erinnerung ruft.
Erstaunlich, wie flexibel Sie mit Maßstäben umgehen ...