Karl-Josef Müller schrieb uns am 19.04.2024
Thema: Petra Brixel: Keine Patentlösung in Sicht, doch eine spannende Lektüre
Einige wenige Anmerkungen:
"Als am 20. Februar 2022 der Angriff Russlands auf die Ukraine einen Großteil der Menschen Europas zum Nachdenken über „Krieg und Frieden“ zwang, als die deutsche und internationale Friedensbewegung Diffamierungen erleben musste und Bertha von Suttners Aufruf „Die Waffen nieder“ der Lächerlichkeit preisgegeben wurde, als „wir in einer anderen Welt aufgewacht sind“, als der Widerstand der Ukraine durch europäische und amerikanische Waffenlieferungen unterstützt wurde und die Waffenindustrie zur Höchstform auflief, wurde allen klar: Es ist Krieg in Europa. (Auch wenn dies zunächst nicht so verbalisiert wurde und in Russland als „militärische Spezialoperation“ galt.) "
Was genau ist gemeint, dass "die Waffenindustrie zur Höchstform auflief"? Haben wir in Europa/Deutschland mittlerweile eine Kriegswirtschaft, oder ist es nicht eher so, dass die militärischen Kapazitäten nicht ausreichen, um die von einem übermächtigen Gegner ohne Grund und Anlass seit 2014 überfallene Ukraine in die Lage zu versetzen, ihre Bevölkerung wirkungsvoll zu verteidigen und militärischen Druck auf ein verbrecherisches System auszuüben? Der Aufschrei war, wenn ich mich recht erinnere, laut, als Habeck noch vor dem Feburar 2022 Waffenlieferungen an die Ukraine vorschlug.
"So ist das Buch eine Botschaft an diejenigen, die meinen, ein Krieg ließe sich „einfrieren“, um während der Tiefkühlphase diplomatische Lösungen zu finden. Voraussetzung ist, dass beide Kriegsparteien – und die hinter ihnen stehenden Bundesgenossen mit ihren ganz eigenen Interessen – die Notwendigkeit von Verhandlungen einsehen und anstreben."
Nachts sind alle Katzen grau. Wer ist gemeint mit den "Bundesgenossen" der Ukraine "mit ihren ganz eigenen Interessen"? Wer möchte nicht verhandeln in diesem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, begleitet von unvorstellbaren Massakern, Stichwort Butscha?
"So z.B. seinen Satz „Wer noch Chancen auf dem Schlachtfeld sieht, wird den Kampf fortsetzen, solange es geht.“ Wie wahr und gleichzeitig brutal das für die kämpfenden Soldat:innen ist, wird derzeit auf den Schlachtfeldern und in den Schützengräben der Ukraine bewiesen. Sowohl Putin als auch Selensky sehen noch „Chancen, solange es geht“. Es wird lange gehen."
Erneut werden der Potentat aus Russland und Selensky auf eine Stufe gestellt und dabei wird übersehen, dass die Ukraine keine Alternative zum weiteren Kampf gegen einen verbrecherischen Angreifer hat. Wie oft muss man das Beispiel Butscha, entführte Kinder, bewusste Angriffe auf zivile Ziele, auf die Infrastruktur noch nennen, um begreiflich zu machen, womit wir es in diesem Gemetzel zu tun haben? Was wäre wohl geschehen, hätte der Westen und Deutschland sich damit begnügt, einige Tausend Helme zu liefern?
"Ein weiteres Hemmnis für einen schnellen Waffenstillstand sind die „unvereinbaren Erwartungen, die beide Seiten mit den Friedensbestimmungen verknüpften“. Auch wenn Leonhard sich mit dieser Aussage auf einen Krieg Anfang des 19. Jahrhunderts bezieht, so ist die These brandaktuell. Solange die eine Seite nicht ein Zipfelchen des Landes hergeben will und die andere Seite „alles“ haben will, gibt es kein Pardon, und der Krieg geht weiter."
Und wieder: "beide Seiten". Blood, sweat and tears versprach Churchill seinen Landsleuten 1940, nicht weil er Spaß daran hatte, sein Volk leiden zu sehen, sondern weil er gegen einen gnadenlosen Diktator wie Hitler und seine Spießgesellen keine Alternative erkennen konnte. Der Diktator aus dem Osten wird sich mit keinem Zipfelchen zufriedengeben, er möchte die Vernichtung eines Landes, dessen Existenz von Russland noch 1994 garantiert worden war.
"Auch diese Aussage bewahrheitet sich im Ukraine-Krieg. Nur durch einen konstanten Waffennachschub der ukrainischen Unterstützer kann der Krieg aufrechterhalten und fortgeführt werden. Der Ruf nach Panzern und Munition bestimmt derzeit die Medien und kann als Dauerschleife bzw. Hintergrundrauschen dieses Krieges angesehen werden. „Kippmomente“ drohen permanent, und was eines Tages das finale Kippmoment sein wird, wird sich erst im Nachhinein herausstellen."
Ich gebe zu, ich kann es kaum ertragen, wenn hier so getan wird, als ob es an der Ukraine sei, die Waffen niederzulegen, um einen Frieden zu ermöglichen. "Der Ruf nach Panzern und Munition" ist einer der Verzweiflung, denn was würde wohl geschehen, wenn dieser Nachschub ausbliebe, was würde mit der Ukraine, was würde mit den Menschen dort geschehen. Muss man den Namen Butscha immer wieder in Erinnerung rufen?
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