Leserbriefe zur Rezension

Rettung oder Musealisierung?

Walter Benjamin im Medium seiner Begriffe rekonstruiert

Von Johan Frederik Hartle


Erika Mühsam schrieb uns am 08.12.2007
Thema: Johan Frederik Hartle: Rettung oder Musealisierung?

„Die Aufsätze genügen wissenschaftlichen Standards und die Autoren, ganz überwiegend Literaturwissenschaftler in akademischen Ämtern, zählen zu den renommiertesten und wichtigsten Benjamin-Interpreten.“
Dieser Satz kann gleichzeitig eine gute Zusammenfassung dessen sein, was Walter Benjamin nicht ist, war und seien wollte. Die Aneignung Benjamins, besonders die wissenschaftliche und die marxistische  erinnert an andere Aneignungen heiliger Texte: „ Die für das Urchristentum unerhört folgenreiche Tat des Paulus war aber: einerseits das jüdische heilige Buch zu einem – damals: dem einzigen – heiligen Buch der Christen zu machen und damit allen Einbrüchen des hellenischen (gnostischen) Intellektualismus eine ganz feste Grenze zu setzen[…]. Andererseits hie und da – unter Mithilfe einer Dialektik, […]– gerade das Spezifische und im Judentum spezifisch Wirkende am »Gesetz«: die Tabunormen und die ganz spezifischen, in ihrer Wirkung so furchtbaren messianischen Verheißungen, welche die Kettung der ganzen religiösen Würde des Juden an die Pariastellung begründeten, als durch den geborenen Christus teils abrogiert, teils erfüllt herauszubrechen, unter dem triumphierenden, höchst eindrucksvollen Hinweis: daß gerade die Erzväter Israels ja vor dem Erlaß jener Normen dem göttlichen Willen gemäß gelebt und dennoch, kraft ihres Glaubens, der das Unterpfand von Gottes Erwählung war, selig geworden seien.“ (Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft).

Solange der Text bei solchen Transaktionen erhalten bleibt, schaden sie nicht. Oft nützen sie dann sogar, denn sie tradieren Texte, die die Nichtwissenschaftler ohne Ämter und Renommier dann auch lesen können. Die Texte über die Texte überdauern selten und finden Leser oft nur in den Machtdiskursen ihrer Institutionen. So werden die Zusätze über Jesus in den Texten des Flavius Josephus heute kaum noch ernst genommen. Ohne dieses christliche Interesse wären die Texte wahrscheinlich verloren gegangen. Die marxistische Vergewaltigung Benjamins wird auch enden. Gleichzeitig werden seine Schriften auf diesem Weg doch verbreitet, auch wenn Marxisten eine deutliche Vorliebe für Sekundärliteratur zu haben scheinen. (Gute Primärtexte sind eben selten ideologisch.) Mit Rabbi Gamsu kann man sagen: Auch das ist zum Guten.

Die Nichtwissenschaftler können sich dort Anregung holen. Sie müssen jedoch glücklicherweise weder Standards, noch Autorität anerkennen.

  Erika Mühsam

Ps.: Ihr Text ist nicht in allem Geschriebenen gemeint. Der anfangs zitierte Satz fällt aus meiner Sicht eher raus aus dem Zusammenhang. Er erinnert aber leider sehr an die anderen marxistischen Ergüsse.