Leserbriefe zur Rezension

Heiß und innig oder: Höhepunkte der Weltliteratur

Zwei erotische Lesebücher - nicht nur zur Bettlektüre

Von Christine Kanz


Silke MeyerDonnerstag, schrieb uns am 20.11.2001
Thema: Christine Kanz: Heiß und innig oder: Höhepunkte der Weltliteratur

Pornographie oder doch zumindest Erotik - ist das für die Literaturkritik
noch immer igittigitt? Gängige Definitionen von Pornographie schließen
ein, dass hierin einerseits der Geschlechtsakt im Vordergrund stehe und
dies andererseits auf einem niederen sprachlichen Niveau vermittelt werde.
Eben das mag - neben moralischen Hemmschwellen der Rezensenten - ein Grund
sein, sich dieser Romansparte keinesfals zuzuwenden. Nicht umsetzt ist
auch in dem sonst formidablen Beitrag von Christine Kanz eben nur die
Erotik längst vergangener Zeit, gleichsam aus sicherer Entfernung also,
untersucht worden. Tatsächlich finden sich recht unterschiedliche Qualitäten
auf dem Markt der Erotik und der Pornographie. Überraschend verklemmt
und süßlich klingt manches Erzeugnis aus dem Hause Uhse / Orion, weil
deren Oeuvre eben auch in "normalen" Buchhandlungen verkauft werden können
soll. Forscher gehen da schon manche Werke der mitunter auf sonderbaren
Wegen wandelnden Verlage Goldmann und besonders Heyne vor, dabei in einer
zeitgemäßen, aber keineswegs ferkelhaften Weise. Das erklärt sich daraus,
dass zwar Ausdrücke, die als verboten, schockierend, schmutzig und dergleichen
gelten mögen, auf Dauer schlicht nur langweilig wirken können und so den
erwünschten Reiz auf den Leser nur verfehlen können. Unter dieser Erkenntnis
hat sich offenbar auch der Verlag Andreas Zettner zu einer Renovierung
seiner qualitativ stark schwankenden Werke entschlossen. Sprachlich und
inhaltlich gelungen waren die Mischungen aus Krimi und Porno der Autorin
Maria U. Contralto, etwa "Sinjas Nacht", in denen es - anders als in den
Titeln der 80er und beginnenden 90er Jahre - interessant und farbig geschilderte
Charaktere und einen anhaltenden Spannungsbogen gibt. Im Stil der Contralto
sind auch die Bücher aus dem Verlag Edition Combes, de la Porte, in denen
eine einleuchtende Story mit frischer, attraktiver Sprache verknüpft wird.
Trotz der aus biologischen Gründen sich wiederholenden Varianten der gelebten
Sexualität sind die neueren Bände dieser beiden Verlage eben nicht reine
Wegwerfware. Trauriger sieht es da schon mit den Erscheinungen etwa des
Zwolle-Verlages oder anderer, offenbar in den Niederlanden beheimateter
Verlage aus. Hier wird mit einem primitiven Schriftbild und einer dem
angepassten Sprache in letztlich langweiliger Weise immer wieder und ohne
einleuchtenden Handlungsstrang der Geschlechtsakt beschrieben, oftmals
brutal, oftmals am Rande des Erlaubten, aber zumeist ohne einen länger
wirkenden Reiz ausüben zu können. Eine gute Erzählung, gute Literatur,
welchen Gegenstandes auch immer sie sich annimmt, lebt eben von einer
gekonnten, den Leser anpackenden Erzählweise - und die wiederum darf auf
Dauer nicht primitiv sein. Erkenbar ist also, dass zumindest im pornographischen
Roman durchaus literarisches zu entdecken wäre. Dies hier konnte selbstredend
nur eine kleine Skizze sein; die Trends sind jedoch sichtbar und werden
sich vermutlich verstärken. Wenn die Literaturkritik ihre missachtende
Haltung des empörten Igitt! zu überwinden vermag, spricht auch nichts
dagegen, das eine oder andere Werk, etwa die oben Genanten, einer genaueren
Betrachtung zu unterwerfen.
Silke Meyer