Leserbriefe zur Rezension

Hass eines Autors

Zu Martin Walsers gefährlichem Buch "Tod eines Kritikers"

Von Kai Köhler


Johannes Möller schrieb uns am 14.12.1999
Thema: Kai Köhler: Hass eines Autors

Sehr geehrter Herr Köhler,
Ihre Kritik ist die beste zu "Tod eines Kritikers", die ich gelesen habe.
Im letzten Absatz hätte sich mir noch eine andere Frage aufgedrängt als die des "Warum erst jetzt?": Warum wollen trotz des von Ihnen so überzeugend gebündelten Beweismaterials so viele Kritiker immer noch nicht wahrnehmen, dass Walser Antisemit ist?
Warum glauben diese, ihre These, der Roman sei nicht antisemitsch, sondern spiele nur mit antisemitschen Klischees, nicht begründen zu müssen? Wenn man nämlich nicht belegt, warum Walser das nicht Ernst gemeint haben soll, kann man vielleicht demnächst lesen, auch Harlan sei kein Antisemit gewesen, nur sein Film "Jud Süß" habe mit antisemitischen Klischees gespielt.
Warum spricht nicht die komplette Öffentlichkeit Grass die intellektuelle Zurechnungsfähigkeit ab, wenn dieser behauptet, Walser könne kein Antisemit sein, weil er dies (sc. sehr viel) früher  nicht war? Wagner hat vor Meyerbeer seinen Kotau gemacht, L. Thoma hat im Simplicissimus veröffentlicht, und Hitler hat seine frühen Bilder vor allem an Juden verkauft: Alle können auch später keine Antisemiten gewesen sein.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Johannes Möller