Leserbriefe zur Rezension

Begeisternd, abstoßend, langweilig

Vier Bücher von Eckhard Henscheid

Von Klaus Cäsar Zehrer


Erhard Schümmelfeder schrieb uns am 07.09.2006
Thema: Klaus Cäsar Zehrer: Begeisternd, abstoßend, langweilig

"Der aufklärende Unruhestifter"
von Erhard Schümmelfeder
Rezension über das Buch "Sudelblätter" von Eckhard Henscheid"

Der aufklärende Unruhestifter

„Sudelblätter“ ist das vielleicht wichtigste Werk des deutschen Schriftstellers Eckard Henscheid. Will man dieses authentischste, ehrlichste, radikalste und zugleich unterhaltsamste Buch des Autors gebührend würdigen, so bietet sich eine Bemerkung Lichtenbergs über den Philosophen Kant an, die ich hier in (leicht) aktualisierter Weise parodieren darf:
„Herrn Henscheid gebührt gewiss das nicht geringe Verdienst, im Sumpf unser Kulturlandschaft aufgeräumt zu haben, aber diese nähere Kenntnis des Chaos wird uns weder bessere Künstler noch Politiker geben. Mir kömmt es auch zuweilen vor, als wenn der Beifall, den sein Werk Trilogie des laufenden Schwachsinns erhalten hat, ihn nachher zu weit geführt hätte.“
„Sudelblätter“ – das sind private Notizen des Autors über den Wahnsinn des Alltags in diesem unserem Lande: eine 445seitige Ein-Mann-Talk-Show, witzig, ernst, böse, hintersinnig und klug. In dieser literarischen Schlammschlacht beleuchtet Henscheid in zumeist kurzen Textabschnitten die „gerammelte Niedertracht und Ohnmacht des immer noch so genannten geistigen Lebens und Literaturlebens, von den abgeschmackt blasierten und eingebildeten Autoren über die zu 98% kulturfeindlichen Buchhändler bis zum komplett törichten Publikum, diese ganze abgestanden versackte Bagage, welche der Blitz streifen möge ...“aus seiner subjektiven Sicht, wobei er „einseitig, ungerecht, frivol“ die Rolle dessen übernimmt, der Unruhe stiftet um des Friedens willen. Lebens- und Leseerfahrung sind bei Henscheid weitgehend identisch, wie es scheint. Er ist ein Weltreisender in Sachen Literatur. Wollte man ihm allerdings dereinst den Nobelpreis verleihen, würde er ihn glatt ablehnen, ebenso den No-Böll-Preis. Mit dem Luise-Rinser-Preis hinwiederum verhielte es sich anders – den würde er schon annehmen – wenn auch mit offener Hose (um seine Selbstachtung zu wahren und um der Nachwelt ein Zeichen zu setzen). Vergleichen ließen sich die „Sudelblätter“ inhaltlich mit Arno Schmidts „Aus dem Leben eines Fauns“ und (was der Autor gar nicht hören mag:) mit Bölls „Ansichten eines Clowns“. Es ist leicht, sich die aneinandergereihten Notizen des Buches in Verbindung mit einer Rahmenhandlung vorzustellen, wie Böll es Anfang der 60er Jahre praktizierte. Der demokratische Zyniker Eckhard Henscheid gibt in seinem beachtlichen Werk eine interessante Definition von „zynisch“: „Wissend um das Gute das Böse dennoch intendieren. Zynisch, um es nochmals so idiotensicher wie möglich zu sagen, ist also z.B. nie der Kritiker, der Satiriker, der Entlarver – er benützt das Zynische ja nur als Mittel zum edlen (edlen!!!) Ziel. Dagegen z.B. der Bild-Zeitung ist das Zynische sich selber selig – alles soll so bleiben, wie es immer war, Bild lebt davon und sagt Hurra dazu.“
In gewisser Hinsicht hat das Buch etwas von einem geistig-kulturellen Heimatlosen- bzw. Vertriebenen-Roman an sich. Innerhalb unseres gesellschaftlichen Lebens erfüllen die „Sudelblätter“ eine wesentliche Funktion: Sie rütteln an den Außenmauern unserer zementierten (Un-)Ordnung mit dem Ziel in aufklärerischer Weise Denkanstöße für eine bessere Welt zu geben.. Es ist erfreulich, dass mit den „Sudelblättern“ eine aufklärerische Tradition fortgesetzt wird, die über Lichtenberg und Tucholsky bis in unsere Gegenwart führt. Als notwendiger „Unruhestifter“ hat Eckhard Henscheid sich bewährt. Fertige Lösungen hat er dem Leser nicht zu bieten. Nicht alles, was er äußert, ist gut und richtig, geschweige denn vernünftig, aber man darf davon ausgehen, dass er es stets ehrlich meint, dass er bei aller albernen Verspieltheit ein moralisches und  aufklärerisches Anliegen hat. Thomas Manns Ansicht über Nietzsche ließe sich an dieser Stelle trefflich auf den Autor der „Sudelblätter“ anwenden:
„Was er bietet, ist nicht nur Kunst, - eine Kunst ist es auch, ihn zu lesen, und keinerlei Plumpheit und Geradheit ist zulässig, jede Verschlagenheit, Ironie, Reserve erforderlich bei seiner Lektüre. Wer Henscheid eigentlich nimmt, wörtlich nimmt, wer ihm glaubt, ist verloren ...“ Aber:“Er muss es sich gefallen lassen, ein Humanist genannt zu werden.“
Auf Seite 161 der „Sudelblätter“ berührt Henscheid die Frage, wer denn im medialen Trott der Zeit die Funktion Bölls als „Repräsentant der Vermenschlichung“ übernehmen könne: Grass? Lenz? Kirsch? Enzensberger? Walser?“ – Keiner passe so richtig in die Rolle. - - - Bis man einen geeigneten Kandidaten gefunden hat, wüsste ich EINEN Übergangsrepräsentanten. Wer bringt es IHM schonend bei?
(6.1.1990)


Hubertus Hesse schrieb uns am 05.05.2007
Thema: Klaus Cäsar Zehrer: Begeisternd, abstoßend, langweilig

Die "Trilogie des laufenden Schwachsinns" ist auf Grund ihrer Bezeichnung schon Programm.
"Geht in Ordnung-sowieso--genau--- ist meiner Meinung nach nicht zu überbieten.Ich muß es regelmäßig lesen, so wie ich mir regelmäßig die Zähne putze.
"La dolce Madonna bionda" - da laufen mir die Tränen
und "10:9 führ Stroh"steht für Sprachwitz und Kalkül
Wer es wagen sollte sich mit Eckhard Henscheid anzulegen, ist im Keim schon erstickt.


Hubertus Hesse schrieb uns am 05.05.2007
Thema: Klaus Cäsar Zehrer: Begeisternd, abstoßend, langweilig

Man könnte auch sagen: Unser Eckhard--was ein blasierter Affe