Leserbriefe zur Rezension

Totenschein für das Eszett?

Eine Vermisstenanzeige

Von Frank Müller


Marco Gisse schrieb uns am 27.01.2004
Thema: Frank Müller: Totenschein für das Eszett?

Lieber Herr Müller,
liebe Frau Winkler,

auch hier in Gießen (das von den beschriebenen Grablegungsversuchen mitunter besonders schwer getroffen ist) verweigert man sich noch hier und da der von Ihnen beschriebenen Tendenz. Ich danke von Herzen für Ihren Essay und bitte um die Erlaubnis, einen Ausdruck des Textes als Lektüre für besonders hartnäckige Totengräber herstellen zu dürfen.

Wärmstens
Marco Gisse


Otto Stolz schrieb uns am 22.04.2004
Thema: Frank Müller: Totenschein für das Eszett?

Lieber Herr Müller,

entgegen Ihrer Darstelling unter  "Sprachwissenschaftliches Vorspiel" war der stimmlose S-Laut schon vor der Rechtschreibreform nach langen Vokalen als "ß", nach kurzen als "ss" zu schreiben, nachzulesen beispielsweise unter R183 und R184 (Seiten 59 und 60) in der 19. Auflage des Duden. Es kann also keine Rede davon sein, dass diese Regel "neu aus der Mottekiste geholt worden" sei!

Die Rechtschreibreform hat lediglich zwei Ausnahmen von dieser Regel beseitigt, nämlich die bisherige Dudenregel R 184 (im Auslaut "ß" statt "ss") und der Passus "zwischen Vokalen" in R185 (vor Konsonant "ß" statt "ss"). Damit wurde die Schreibung vereinheitlicht und das Stammprinzip gestärkt; typische Beispiele "Fuß" und "Füße" vs. "Fluss" und "Flüsse", endlich schreibt man auch "wässrig" und "wässerig" einheitlich.
Übrigens ist die quantitative  
Bedeutung nicht so groß, wie sie beim Studium von Wörterbüchern erscheint: Schließlich besteht ein Text nicht nur aus Nominativen im Singular und in den übrigen Flexionsformen greift die frühere Ausnahmeregel R 184 eher selten.

Das Stammprinzip kann nur soweit gestärkt werden, als derselbe Stamm vorliegt.
Ihre sogenannten Gegenbeispiele "Fluss"/"fließen", "Schloss"/"schließen" führen also in die Irre. Starke Verben haben bekanntlich unterschiedliche Präsens- und Perfekt-Stämme, etwa in "fließen"/"geflossen"; dieser Wechsel wird schon seit über 100 Jahren in der Schrift wiedergegeben und es ist gut, dass die Rechtschreibreform das nicht geändert hat.

Die Ausnahmen, die mit der Rechtschreibreform weggefallen sind, standen leider bei vielen im Vordergrund der Wahrnehmung, was sicher zu dem von Ihnen geschilderten Irrtum, das Eszett sei nun abgeschafft, beigetragen hat. Dabei wurden die alten Ausnahmeregeln meist nicht einmal ganz verstanden: Wer wusste schon, dass man damals "Paßamt" (trotz nachfolgendem Vokal und im Gegensatz zu "Passant") zu schreiben hatte?

Bedenklich ist es, dass auch Fachleute wie Scheuermann und Sie selbst über den früheren Ausnahmen die eigentliche ss-/ß-Regel nicht wahnehmen (oder nicht wahrnehmen wollen); anders kann ich mir Ihren Exkurs über die Heysesche S-Schreibung nicht erklären.

Sicher sieht man heute sehr oft falsche ss-Schreibungen und Ihre Liste von 33 schlechten Beispielen ist schon beeindruckend; aber diese Art von Fehlern gab es auch schon vor der Rechtschreibreform häufig. Mir liegen keine quantitativen Daten dazu vor,  so lasse ich mich von Ihrer Theatralik gerne unterhalten, ohne darin gleich den endgültigen Abgang des Eszet zu sehen.

Mit freundlichem Gruß,
  Otto Stolz


Erika Ciesla schrieb uns am 22.02.2005
Thema: Frank Müller: Totenschein für das Eszett?

Eines verstehe ich nicht. Sie beklagen das allmähliche Verschwinden der sz-Ligatur, schreiben selbst aber die Konjunktion „daß“ beharrlich mit „ss“, tragen also ebenfalls mit dazu bei, daß das „ß“ verschwindet.
Davon abgesehen finde ich Ihren Artikel gut, zeigt es doch anhand zahlreich zitierter „Kollateralschäden“ überaus deutlich, daß die „Reform“ es wert ist, auf dem nächstbesten Komposthaufen entsorgt zu werden.


Brekle Herbert E. schrieb uns am 21.06.2005
Thema: Frank Müller: Totenschein für das Eszett?

Zur schriftmorphologischen Entwicklung der Ligatur ß vgl. Gutenberg-Jahrbuch 2001, S. 67-76.
Zum Gebrauch von langem und runden s siehe Beiträge zur Geschichte der Sprachwissenschaft 6 (1996) S.95-112.

                                                                  Brekle


Daniel Keller schrieb uns am 21.07.2007
Thema: Frank Müller: Totenschein für das Eszett?

Liebe Leser
Lieber Herr Müller

Ich bin auf diesen Artikel gestossen, da ich als Schweizer endlich einmal heraus finden wollte, was es mit diesem seltsamen ss-Buchstaben auf sich hat. Der Buchstabe fehlt leider auf meiner deutschschweizerischen Tastatur. Es sei mir deshalb verziehen, dass ich ihn nicht verwende. Dass ist wohl auch gut so, denn ich wüsste ohnehin nicht, wie das Zeichen zu anzuwenden ist. In der Schule wurde das nie unterrichtet.

Ich bin ohne dieses Zeichen Gross geworden. Weder in meiner Jugend noch in meinem erwachsenen Dasein, hatte ich je das Gefühl, dass an einem schwarz auf weiss bei uns verfassten Text etwas fehlt. Hier im Land der Berge lebt eine ganze Nation glücklich und zufrieden ohne das Gefühl eines sprachlichen Mangels.

Je mehr ich nun über dieses ss-Ding lese, desto grösser wird mein Unverständnis. Ich vermag jeden Schweizer Zeitungstext in gutem Deutsch - so weit dies als Schweizer möglich ist - vorzulesen. Ich komm nicht auf die Idee "Gross" oder "Fuss" falsch auszusprechen. Und das Schriftbild von Massstab ist für mich perfekt.

Ich lese den Umfang der Regeln, die zu diesem Unzeichen im Duden stehen. Ich sehe wie man lange wehmütige Texte, über nicht immer korrekt angewandte Doppel-S verfasst. Und in Diskussionen erfährt man in was für Detailfragen man sich dazu verstricken kann.

Auch ich bin von der Rechtschreibreform enttäuscht. Enttäuscht weil dieser Buchstabe nicht vollständig abgeschafft wurde. Dies wäre eine nützliche Vereinfachung, die so viel Leid ersparen würde. Diskussionen werden überflüssig, es gibt weniger Rechtschreibfehler und künftige Generationen von Schülern können sich mit Sinnvollem beschäftigen.