Leserbriefe zur Rezension

Ecce Filia

Cornelia Pechota Vuilleumier über weibliche Emanzipationsbestrebungen und Juden in der Literatur um 1900

Von Rolf Löchel


Dr. Annegret Stopczyk-Pfundstein schrieb uns am 15.01.2006
Thema: Rolf Löchel: Ecce Filia

Die Kritik an Cornelia Pechota Vuilleumier zu ihrem Buch über weibliche Emanzipationsbestrebungen und
Juden in der Literatur um 1900 hat mich erstaunt. Löchel wirft ihr vor, sie hätte den Frauenhaß von Nietzsche relativiert und gibt selbst ein paar Schoten aus dem Zitatenschatz Nietzsches zum besten. Ich habe selber ein ausführliches Buch zum Werk der Nietzscheanerin Helene Stöcker geschrieben (Philosophin der Liebe) und die Begeisterung der Denkerinnen um 1900 und von Nietzsche genauer recherchiert. Nietzsche ist soviel oder sowenig Frauenhasser, wie er Männerhasser war, denn er brachte auch Schoten gegen Männer. Die andere Seite ist, daß er als Professor am Institut dafür stimmte, daß Frauen dort promovieren dürfen und er war der einzige Philosoph in seiner Zeit, der intellektuelle Frauen aufsuchte und sie als "Geschwisterhirn" bejubelte. Nicht nur, daß er anderen Denkerinnen zu Verlagsveröffentlichungen verhalf, seine bewunderenden Briefe an die genialisten Frauen seiner Zeit sind einmalig.
Wer ein bischen differenzierter das Werk von Nietzsche und die Werke jener Frauen lesen kann, die sich von Nietzsche inspiriert sahen, wird nicht das ständige Klischee widerholen, Nietzsche sei  Frauenhasser gewesen. Die Jungs von heute spielen sich gern als Nietzschekenner auf und gebärden sich  mit ihren willkürlichen Zitaten aus irgendwelchen Sammlungen. Zu jedem Thema lassen sich bei Nietzsche gegensätzliche Aussagen finden, das gehört zu seiner Denkmethode. Auch zum Thema Frauen und Männer.
Ich wundere mich, daß dieses Klischee über Nietzsche immer noch unrelativiert auch in Ihrer Zeitschrift vertreten werden kann.
Dr. Annegret Stopczyk, Philosophin