Leserbriefe zur Rezension

Ende einer Recherche

David Peace kündigt den rechtsstaatlichen Konsens auf

Von Walter Delabar


Ed Berend schrieb uns am 02.11.2009
Thema: Walter Delabar: Ende einer Recherche

Sehr geehrter Herr Delabar, vielleicht ist alles schon zu spät, aber ich habe gestern zum 1. Mal in my life von dem AUTOR David Peace gehört, bei Druckfrisch, Thema: Tokio im Jahre Null. Bin dann im Netz auf die Suche gegangen, und so auf Ihre "alte" Rezension gestoßen. Auch wenn ich nicht in allen Punkten mit Ihnen übereinstimme, und mir manchmal die Bindung von Text und Litaratur fehlt, die allgemeinen Thesen, die Sie in diesem Zusammenhang entwicklen, wie z.B. das Aufkündigen des "rechtsstaatlichen Konsens" durch David Peace's Figuren, erscheint mir sinnvoll. Die innere Verrohung der Gesellschaft im 20. Jahrhundert, die sich in zwei Weltkriegen "Luft" machte, kann man nur durch Monstren oder groteske Figuren (Baal) anschaulich machen. Was Sie vielleicht vergessen haben: der rechtsstaatliche Konsens hilft stets in der Konsequenz nur dem Stärkeren. Die "Zerrüttung der Gesellschaft" ist täglich erfahrbar: der Umgang mit Geschwächten nimmt in seiner äußeren Brutalität immer deutlichere Formen an: Der Autor David Peace wehrte sich im Interview (mit Dennis Scheck), wenn ichs richtig verstanden habe, gegen den off-Text-Vorwurf, er sei ein Düsterer, ein Pessimist. Es ist auch kein Pessimist; er ist Realist. Der Mensch besitzt eine grauenhafte Eigenschaft, die noch schlimmer ist als sein Hang zum Töten: er will immer der/die Gute sein, die reine Unschuld, egal welches Verbrechen er/sie tatsächlich begangen hat.Ich teile die Auffassung von David Peace, daß der Mensch von Natur aus Gutes und Böses in sich trägt; die Frage ist, warum sich manchmal das eine, manchmal das andere mehr durchsetzt. Dieser Menschentypus hat in der Weltgeschichte versagt, es bedarf - über Jahrhunderte gesprochen - eines neuen Menschen.
Danke für Ihre wirklich lesenswerte Kritik.
E.Berend