Bernd Dammann schrieb uns am 07.11.2019
Thema: Sabine Koloch: Flucht vor der Konfrontation
Klaus Hartung – strategischer Kopf und Kulturrevolutionär der 68er Bewegung. Ein Kommentar zu Sabine Koloch, Flucht vor der Konfrontation
Das SDS-Mitglied Klaus Hartung (Jg. 1940) war als Germanistikstudent an der FU Berlin ein intellektueller Vordenker und strategischer Kopf der kulturrevolutionären Studentenrevolte im Germanischen Seminar der Philosophischen Fakultät. Im Veranstaltungsangebot der 'Kritischen Universität' (KU) Berlin übernahm er unter dem Titel 'Gegengermanistentag' namentlich das über mehrere Semester laufende Projekt der theoretischen und praktischen Vorbereitung einer studentischen Umfunktionierung des in Berlin geplanten Germanistentages im Oktober 1968.
Daraus entstand die Westberliner 'ad-hoc-Gruppe Notstand der Germanistik', der es dann anlässlich der Verabschiedung der sog. Notstandsgesetze Ende Mai 1968 in Bonn im Zusammenwirken mit Mitgliedern der Westberliner Kommune I zunächst einmal gelang, das Germanische Seminar in der Boltzmannstraße öffentlichkeitswirksam und mit großer bundesweiter Resonanz zu besetzen. Höhepunkt des hochschulpolitischen Wirkens dieser sich schon sozialistisch wie zugleich auch noch antiautoritär und basisdemokratisch verstehenden Westberliner ad-hoc-Gruppe war dann deren Auftritt auf dem vom 'Deutschen Germanistenverband' veranstalteten Berliner Germanistentag Anfang Oktober 1968. Zahlreich erschienene germanistische Fachschafts- und Basisgruppenvertreter aus dem Studienfach Germanistik der alten BRD funktionierten ihn dort entsprechend um, und zwar unter tatkräftiger Unterstützung von Mitgliedern und Sympathisanten dieser Westberliner ad-hoc-Gruppe und deren Handlungsmaxime: "Der Gegen-Germanistentag findet im Germanistentag statt".
In der Presseberichterstattung des sog. bürgerlichen Qualitätsjournalismus wurden wesentliche Teile des vorgetragenen wissenschaftskritischen und studienreformerischen Anliegens der dort protestierenden und randalierenden Germanistikstudenten aufgegriffen und unterstützt. Für die in den Geisteswissenschaften der Philosophischen Fakultäten der BRD kulturrevolutionär aktiven Studierenden war entgegen der von Klaus Hartung rückblickend selbstbescheiden vertretenen Auffassung, und zwar nachgerade auch wegen dessen beispielhaften und segensreichen Wirkens selbst, nicht schon 1967, sondern erst die Jahre 1968/69 tatsächlich der antiautoritäre Höhepunkt von dem, was Jürgen Habermas griffig in einem Buchtitel so zusammenfasste: 'Protestbewegung und Hochschulreform' (1969).
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