Leserbriefe zum Artikel

I.10.2 Ästhetik

Leseprobe

Von Ingo Stöckmann


leo30 schrieb uns am 05.01.2008
Thema: Ingo Stöckmann: I.10.2 Ästhetik

Anmerkungen Kapitel 10.2.3. - bes. bzgl. Ganzheit u. Fiedler

In Punkt 10.2.3. - "Ausblick. Die bestrittene Ästhetik" heißt es auf S. 490, Spalte 1, dass "eine Aversion gegen jede Form systematischer Ganzheit oder einheitlicher Semantik" einer der Grundimpulse der Debatten um die 'Postmoderne' war und deren Kritik an der traditionellen Ästhetik prägte.
Dazu ist zu sagen, dass der Begriff der Ganzheit in den europäischen, bes. aber in den deuschsprachigen Ästhetik-Diskursen "postmoderner" Provenienz tatsächlich hochgradig negativ besetzt war (und ist), in der nordamerikanischen Postmoderne-Debatte seit den 1960er Jahren auf Grund einer anderen "Geschichte" jedoch ganz anders, d.h. positiv konnotiert war, wenngleich von einem affirmativen Bezug auf "systematische Ganzheit" auch dort kaum eine Rede sein kann.
Überhaupt unterscheiden sich die Diskussionen um Postmodernität in den USA und in Europa/Deutschland in wesentlichen Punkten. Wenn es z.B. auf S. 490, Spalte 1 heißt: "Dabei zielte die 'Postmoderne' nicht auf eine Phase nach der Moderne, sondern auf die kritische Reflexion der Moderne...", so muss demgegenüber gesagt sein, dass der hierzulande - fast ausschließlich - als postmoderner Wegbereiter wahrgenommene Leslie Fiedler (vgl. S. 490. Spalte 2) mit seiner Version von Postmoderne explizit auf eine Phase/Epoche nach der Moderne zielte.
Generell bedeutet das: von der Postmoderne bzw. der postmodernen Ästhetik kann keine Rede sein.
Ein letzter Punkt: Fiedlers manifestartiger Essay "Cross the border, close the gap" erschien zwar in der Tat 1969 in den USA (Dezemberausgabe des "Playboy"), er wurde jedoch - in einer nur etwas anderen Version und unter dem Titel "Das Zeitalter der neuen Literatur" - bereits 1968 in Deutschland publiziert. Die Quelle ist die Wochenzeitschrift "Christ und Welt", Datum: 13. und 20.09.1968 (zwei Teile). Der dort abgedruckte Text basiert wiederum auf einen Vortrag, den Fiedler Ende Juni 1968 an der Uni Freiburg hielt. An den Vortrag sowie die Publikation schloss sich die "sog. Fiedler-Debatte" (Postmoderne-Debatte) an, an der zwischen September und November 1968 verschiedene deutsche Autoren, Wissenschaftler und Literaturkritiker teilnahmen.

Ausführliche Hin- und entsprechende Nachweise zum Themenkomplex Ästhetik-Ganzheit-Postmoderne sowie zu Leslie Fiedler und der sich anschließenden Literaturdebatte finden sich in meiner Magisterarbeit "Die 'Fiedler-Debatte' oder Kleiner Versuch, die Chiffre 1968 von links ein wenig auf-zuschreiben." (2007)
Auf ca. 300 Seiten wird hier versucht, ausgehend von der "Fiedler-Debatte", das komplexe Spannungsfeld aus (revolutionärer) Ästhetik, Literatur, Kunst und Politik in den Jahren "um '68" bzw. einen Strang der Diskussion um Moderne-Postmoderne mit diskursanalytischen und anderen Ansätzen nachzuzeichnen und auf unterschiedlichen Ebenen und mit Blick auf verschiedene Bezugspunkte hin zu erklären.
Die Arbeit findet sich online zum download unter:
http://www.cultiv.net/cultiv/index.php?id=633&docid=109