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Frieda Gross und ihre Briefe an Else Jaffé

Ein bewegtes Leben im Umfeld von Anarchismus, Psychoanalyse und Bohème

von Esther Bertschinger-Joos

Bertschinger-Cover
Verlag LiteraturWissenschaft.de
Marburg an der Lahn 2014
336 Seiten
ISBN 978-3-936134-43-8

Preis: 19,95

1902 verliebte sich Frieda Schloffer in den jungen Arzt und angehenden Psychoanalytiker Otto Gross, den sie ein Jahr später heiratete. Damit begann die Odyssee ihres Lebens, die von Graz über München nach Ascona führte, in die Arme von Erich Mühsam, Emil Lask und schließlich von Ernst Frick, dem Schweizer Anarchisten, späteren Künstler und Vater ihrer drei Töchter.  Esther Bertschinger-Joos hat die Briefe von Frieda Gross entdeckt und gibt mit ihrem biographischen Bericht Frieda Gross, die in der bisherigen Forschung im Schatten bedeutender Männer stand, eine eigenständige Existenz und Stimme zurück.

Buchvernissage, 13.6.2014, 18.00, Ascona Monte Verità

Perlentaucher zur Rezension in der Neuen Zürcher Zeitung

Der Max Weber-Forscher Dirk Kaesler über das Buch


Zum Inhalt

1902 verliebte sich Frieda Schloffer in den jungen Arzt und angehenden Psychoanalytiker Otto Gross, den sie ein Jahr später heiratete. Damit begann die Odyssee ihres Lebens, die von Graz über München nach Ascona führte, in die Arme von Erich Mühsam, Emil Lask und schließlich von Ernst Frick, dem Schweizer Anarchisten, späteren Künstler und Vater ihrer drei Töchter. Als ihr Schwiegervater, der angesehene Kriminologe Hans Gross, 1913 in Berlin seinen kultur- und sexualrevolutionären Sohn internieren ließ und in zwei Prozessen gegen Frieda agierte, wurde Max Weber ihr engagierter Berater und ihr Mann zu einer Schlüsselfigur in der expressionistischen Literaturszene. Mit Else Jaffé, geb. von Richthofen, war Frieda Gross seit ihrer Jugendzeit eng befreundet. Die Ehefrau des Nationalökonomen Edgar Jaffé war Geliebte von Max und Alfred Weber, dessen Lebensgefährtin sie nach dem Tode ihres Mannes wurde. Dass beide Frauen einen Sohn zur Welt brachten, dessen Vater Otto Gross war, vertiefte ihre Freundschaft. Die bislang unveröffentlichten Briefe von Frieda Gross an die geliebte Freundin sind eindrückliche und berührende Zeugnisse dieses Verwirrspiels von Ereignissen, Gefühlen und Gedanken. Esther Bertschinger-Joos hat sie entdeckt und gibt mit ihrem biographischen Bericht Frieda Gross, die in der bisherigen Forschung im Schatten bedeutender Männer stand, eine eigenständige Existenz und Stimme zurück. Das Buch dokumentiert die Geschichte der Träume, Sehnsüchte und Ängste, der Wut und Trauer dieser Frau. Es liest sich vielfach wie ein Liebes- und Kriminalroman über gewagte Lebensexperimente. Doch nichts daran ist erfunden.

Autorin

Esther Bertschinger-Joos lebt in Zürich. 1960 lernte sie Eva Verena Schloffer, die Tochter von Frieda Gross und Ernst Frick, während ihrer Mitarbeit bei der Schweizerischen Flüchtlingshilfe kennen. Die Spurensuche nach Frieda Gross begann 2002, mit Unterstützung der Internationalen Otto Gross Gesellschaft, an deren Kongressen Esther Bertschinger-Joos darüber berichtete. Zusammen mit Richard Butz veröffentlichte sie 2014 im Limmat Verlag, Zürich, das Buch „Ernst Frick. Zürich – Ascona, Monte Verità. Anarchist, Künstler, Forscher“.

Leseprobe

Aus 11. Kapitel:
Max Weber zur Kur in Ascona – Gespräche mit Frieda Gross /S. 177 f.

Max Webers Gesundheit erforderte jährliche Erholungsaufenthalte; 1913 entscheidet er sich für Ascona. Dass Frieda Gross zu dieser Zeit dort lebt, scheint ihm bekannt zu sein: „[…] die Frieda wohnt, denke ich, oben am Berge, ich hier unten am See“, schreibt er seiner Frau am 28. März 1913. Doch schon einen Tag später stellt er erstaunt fest: „[…] als ich gestern von der Post kam, […] kam mir von der Thür meines Hauses her eine blonde Frau entgegen mit einem blonden, einem schwarzen Kind, – natürlich Fr[ieda]. […] Sie wohnt weiß Gott in meinem Hause, die Kinder mit dem Mädchen schräg gegenüber am Hafen. Aber man sieht sich nicht, wie das ja allein schon zeigt. Sie war etwas befangen, ist etwas in der Erscheinung ‚proletarisiert‘, aber sonst wie immer.“ Bald merkt er auch, dass er „das frühere Zimmer Fricks“ bewohnt.

So sieht man ihn denn bald mit Frieda zusammen auf dem Gartenbänklein am See sitzen. „Ich habe ein Gärtchen zur Benutzung, was am See liegt, das Haus selbst liegt an der hochgelegenen Straße mit recht schöner Aussicht.“ „Ich sitze sehr viel auf dem Bänkchen […], dann plaudert sie mich an – über Gott und die Welt.“ Bis zum 24. April, dem Tag seiner Abreise, rapportiert nun Max Weber seiner Frau die Begegnungen mit Frieda Gross und macht sich so seine Gedanken zu dem, was er sieht und hört:

Sie war ganz zuthunlich, ist im Grunde die Alte, mit recht gesundem Humor, etwas zerzottelt, die Schleiertücher etc. von Zigarettenfunken hie u. da durchgebrannt u.s.w., in der Erscheinung äußerst einfach, auch sonst innerlich stark vereinfachend stilisiert. Das jüngere Kind (Eva) höchst sensibel, schüchtern, ganz von der Mutter abhängig (weint bei jedem ernsten Wort von ihr), behütet wie ein Augapfel, – der Bengel (Peter) dem Vater gleichend, brutal und unliebenswürdig, bekommt von ihr Versprechungen (die schwerlich alle gehalten werden), wenn er sich „lieb“ verhalte, bleibt mürrisch, trotzig oder unbeherrscht, wird ihr (da er dem „Stiefvater“ sicher unerträglich sein muß) noch schwere Stunden machen.
Frick kann man nicht nützlich sein. Damit er nicht Garn zu zupfen brauchte, sondern nach seinen Wünschen beschäftigt werden könnte, müßte er, nach dem unsozialen Schweizer Recht, die Gerichtskosten seines Prozesses haben zahlen können: 15000 Fr.! „Gott sei Dank, daß die Summe so hoch sei und man an ihre Aufbringung gar nicht habe denken können.“ Sie sieht ihn wie in der „Auferstehung“ bei Tolstoj, durch einen Schalter. Da der Staatsanwalt 15 Jahre Zuchthaus beantragt hatte, ist 1 Jahr Gefängnis für die Dummheit in der That gelinde, und gesundheitlich gehe es. […]
Sie spricht viel von sich. Scheidung von Otto Gr[oss] (er hat dementia præcox) ist rechtlich unmöglich, da sie katholisch in Österreich getraut sind. Der Junge macht viel Sorgen und wird noch mehr machen, er lernt jetzt bei ihr, aber das geht ja nicht weiter. Sie ist absolut einsam hier und möchte wohl gern fort, nur ist es hier so billig (und sie indolent).

Zwischen den Begegnungen mit Max Weber reist Frieda zum Gefängnisbesuch nach Zürich. Immer noch quält sie die Sorge, dass eine weitere Verurteilung folgen könnte, „was ca. 2 Monate mehr ausmachen kann“, wie sie Max Weber sagt. In Zürich wird sie krank und kommt einige Tage später als vorgesehen zurück.

[…]