Wahre Männerfreundschaft

Oliver Uschmann zeigt in "Hartmut und ich", wie man selbst mit dem ärgsten Egozentriker in einer Wohngemeinschaft leben kann

Von Jule D. KörberRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jule D. Körber

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Hätte Hartmut seinen Mitbewohner per Anzeige gefunden, hätte der Text vermutlich so ausgesehen: "Aufmerksamkeitsintensiver, promiskuitiver Philosophiestudent, E-Mail-Lebensberater, Selbsthilfegruppenworkshopleiter, Lokalsportreporter, Musik- und Lebenspedant mit ess- und verhaltensgestörtem Kater sucht Mitbewohner für 120qm Erdgeschosswohnung (400 Euro) in schiefem, baufälligem Haus mit Bombenblindgänger und kostenintensiver, tropfender Wasserleitung im Keller sowie Badewanne im Durchgangsbad und Schimmelkunst unter der Spüle. Pommesbude direkt gegenüber. Nette Nachbarschaft bestehend aus seriöser Polizistin, Gothic-Pärchen und Informatiker mit Hausmeisterqualitäten. Gelegentliche Parties mit vollkommen unironischen Heavy-Metal-Bands, Fernsehteams und Paarungsakten auf dem Küchenfußboden sowie gemeinsame anarchische Weltverbesserungsaktionen in Dortmunder Wohnvierteln nicht ausgeschlossen."

Man könnte sich angenehmere Mitbewohner als Hartmut vorstellen. Dass der namenlose Erzähler trotzdem mit ihm zusammenwohnt, beweist wahre Männerfreundschaft. Denn die Männer-WG aus dem aus vielen Episoden bestehenden Roman "Hartmut und ich" ist eindeutig mehr als eine Zweck-Wohngemeinschaft. Hartmut plant seinen Mitbewohner in seine Weltverbesserungspläne mit ein - ob er nun will oder nicht. Da muss der es schon mal durchhalten, dass der ganzen Straße die Strom- und Wasserversorgung von Hartmut gekappt wird - inklusive der eigenen Wohnung - um die Menschen in der Not zusammenzuschweißen. Oder er muss mithelfen, das eigene Haus als Protest gegen die nachbarschaftliche Weihnachtbeleuchtung Christo-like komplett in schwarze Folie einzuhüllen. Und selbst wenn der WG die Wohnzimmerdecke im wahrsten Sinne des Wortes auf den Kopf fällt und sie durch das Loch Polizistin Kirsten winken kann, nennt Hartmut das garantiert nicht Ironie des Lebens. Hartmuts Pläne sind völlig absurd, aber er zieht sie durch - und meint es garantiert nicht ironisch.

Genau das ist es, was Oliver Uschmanns Figuren den anderen postmodernen Charakteren der Popliteratur voraus haben - Hartmut und sein Mitbewohner verstecken sich nie hinter Ironie. Sie versuchen auch nicht, sich einem bestimmten, coolen Klischee zu bedienen und dieses dann (ironisch) zu zitieren. Diese Jungs sind absolut uncool. Und es ist ihnen völlig egal. Sie brechen Klischees, indem sie aus allen denkbaren mit vollen Händen schöpfen ohne darüber nachzudenken, ob es nun passt oder nicht. So viel Authentizität ist schon fast wieder ironisch. So sollte Popliteratur heute sein.


Titelbild

Oliver Uschmann: Hartmut und ich. Roman.
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a. M. 2005.
236 Seiten, 8,90 EUR.
ISBN-10: 3596166152

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