Dietrich Bonhoeffer hätte ein besseres Buch verdient

Paul Barz bringt das Leben des Theologen in Romanform

Von Ursula HomannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ursula Homann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Leben und Werk des evangelischen Theologen und Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer wurde schon in etlichen Publikationen vorgestellt, zuletzt von Ferdinand Schlingensiepen. Doch an eine romanhafte Bearbeitung des Bonhoeffer-Schicksals hat sich bislang noch keiner herangetraut. Das ist jetzt geschehen. Der Journalist und Buchautor Paul Barz hat das Wagnis auf sich genommen, das Leben Dietrich Bonhoeffers in der Form eines Romans nachzuerzählen. Vollmundig verheißt der Klappentext sogar "eine überraschende Neuentdeckung".

In zwei parallel laufenden, farblich voneinander abgesetzten Erzählsträngen schildert der Autor Bonhoeffers Leben und Haftzeit. Er beginnt mit der Verhaftung Bonhoeffers im April 1943 in seinem Elternhaus und leitet dann im nächsten Teil über zu Szenen aus Bonhoeffers Kindertagen, als Dietrich wieder einmal Sterben spielt, denn für das Kind war die Welt voller Schrecken. Barz erzählt ferner, dass Dietrich drei ältere Brüder, zwei ältere Schwestern und eine Zwillingsschwester namens Sabine hatte und dass sich später zu der Geschwisterschar noch ein achtes Kind hinzugesellte, dass Dietrich Klavier spielte und manchmal heimlich komponierte. Er wuchs behütet auf, doch als Heranwachsender fühlte er sich in dieser Welt nicht mehr geborgen. Auch wollte er "nicht immerzu den Prinzen aus gutem Haus spielen." Gleichwohl stand die Erziehung der Bonhoeffer'schen Kinder unter der Devise "nur nicht zu viel Gefühl zeigen".

Als der Erste Weltkrieg 1914 ausbrach, war Dietrichs sehnlichster Wunsch, alt genug zu sein, um wie sein Bruder Walter mit allen anderen ins Feld einzurücken. Eines Tages aber kam eine schlimme Nachricht. "Walter war tot". Ausgebreitet werden anschließend die Nachkriegsjahre. Als der Primaner Bonhoeffer von der Ermordung Walther Rathenaus hört, ruft er aus "hochrot im Gesicht: 'Diese Schweine! [...] Irgendwelche Rechtsbolschewisten knallen die Besten ab, die wir haben. Selber sollte man die abknallen wie tolle Hunde!'" Anschließend rückt Barz die Studienzeit ins Blickfeld und kommt dazwischen in regelmäßigen Abständen auf den Haftalltag in Tegel zu sprechen.

Ostern 1924 fährt Dietrich mit seinem Bruder Klaus nach Italien. In Rom erkennt er, die Kirche "ist tot." - "Ihre Gleichsetzung mit dem Staat hat sie getötet. Kirche aber, soll sie Herz wie Hirn gewinnen, muss lebendig sein." Sie muss folglich neu und anders werden, das stand für Bonhoeffer von nun an fest. Es folgen 1926 die Hochzeit der Schwester mit Gerhard Leibholz, der Reichstagsbrand im Januar 1933, die Ermordung Röhms, Bonhoeffers Aufenthalt in Amerika, sein Besuch eines Gottesdienstes bei den Armen von Harlem und andere persönliche und politische Ereignisse aus dieser Zeit. Mehr als einmal fragt man sich, hat Bonhoeffer das wirklich alles so gedacht oder vielmehr hätte er das so gesagt und gedacht haben können, wie der Autor es darstellt? Was ist fiktiv, was entspricht der biografischen und historischen Wahrheit? Manches wirkt zu sehr aus der heutigen Sicht beschrieben, mitunter sogar aus der Sicht von Klein-Moritz.

Auch wenn Barz immer wieder zu verstehen gibt, dass Bonhoeffer ein sehr mutiger Mensch war und nur seinem Gewissen folgte, als er für Juden eintrat und sich gegen Hitler mehr oder weniger öffentlich aussprach, so haben wir es hier doch in erster Linie mit einem sehr menschlichen, manchmal allzu menschlichen Bonhoeffer in seinem Alltag zu tun, so wie der Autor ihn sich vorstellt und vor Augen gehabt hat, mit all seinen Launen, seinen Missstimmungen und seiner Begeisterungsfähigkeit.

Es fehlt im Buch nicht an bekannten Namen wie Adolf von Harnack, Adolf Schlatter, Karl Barth und anderen. Dann wieder ist gewollt burschikos die Rede von dem "urkomischen Herrn Reichsbischof", und Bonhoeffer, der auf dem Weg nach England war, dachte bei sich: "'Lieber irgendeine kleine Pfarrstelle in London als ein Reichbischof wie der!' Und er dehnte sich mit einem so wohlig lauten Ächzen, dass ein anderer Fahrgast vor Schreck fast das gerade ausgepackte Butterbrot fallen ließ."

Wir erfahren weiter, dass eine Reise nach Indien sein Traum und Ghandi sein großes Vorbild war, dem er "so gern einmal begegnen" würde.

Während seines Aufenthalts 1939 in Amerika notiert er am 18. Juni 1939 in sein Tagebuch: "Gott, schenke mir / in den nächsten Wochen Klarheit / über meine Zukunft." Schon im Juli, kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs kehrt Dietrich Bonhoeffer wieder nach Deutschland zurück. Er wird V-Mann im Dienst der Abwehr, verlobt sich 1943 mit Maria von Wedemeyer, wird verhaftet und kurz vor Kriegsende von den Nazis hingerichtet.

Barz schreibt durchaus fesselnd und lebendig, gleichwohl ist sein Buch im Großen und Ganzen recht einfach und schlicht gestrickt und dürfte wohl in erster Linie junge Leser ansprechen, die sich bisher weder mit Dietrich Bonhoeffer noch mit den Geschehnissen im "Dritten Reich" sonderlich intensiv beschäftigt haben.

Doch wer Eberhard Bethges oder Ferdinand Schlingensiepens Bonhoeffer-Biografien (vgl. dazu literaturkritik.de Nr. 12/2005) gelesen hat, legt das Buch enttäuscht aus der Hand und fragt sich, ob Dietrich Bonhoeffer nicht vielleicht doch ein besseres, ein distanzierteres Buch verdient hätte als ausgerechnet dieses hier, das dem Protagonisten gar zu sehr auf den Leib rückt.


Titelbild

Paul Barz: Ich bin Bonhoeffer. Roman eines glaubwürdigen Lebens.
Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2005.
319 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-10: 3579071149

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