Emigrantengeschichten

Edgardo Cozarinsky erzählt Emigrantenalltag weit weg von Casablanca

Von Hans Peter RoentgenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Hans Peter Roentgen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Sieben melancholische Erzählungen enthält Edgar Cozarinskys "Die Braut aus Odessa". Sieben Erzählungen von Menschen, die ihre Heimat verloren haben, im Exil leben, aber ohne den heroischen Ton, den wir sonst oft aus Filmen und Büchern kennen. Heimatlosen Alltag beschreiben die Geschichten, wenig aufregend, von Trauer durchweht.

"Emigrantenhotel" ist die längste; ein Drittel des Buches füllt sie und sie ist auch die eindrücklichste. Zwei Männer, Flüchtlinge aus Deutschland, und eine Frau aus reicher amerikanischer Familie treffen sich im spanischen Bürgerkrieg, weniger durch antifaschistisches Bewusstsein als durch Gefühle zusammengeschweißt. Aber nur einen der beiden kann die Frau heiraten und damit in die USA retten. Den anderen, verschollenen, sucht nun der Enkel in Lissabon, der Stadt der Emigranten, der letzten Hoffnung vieler Flüchtlinge aus Nazi-Europa, und im Laufe seiner Suche entblättert sich ein Schicksal, Personen wechseln das Gesicht, den Namen und die Herkunft. Aber da sie von dem Enkel viele Jahrzehnte später erzählt wird, wirkt sie auch sehr distanziert, von unterkühltem wissenschaftlichen Interesse umspült.

Trotzdem ist diese Erzählung die stärkste des Bändchens. Sie hat keine Helden á la Bogart, lässt dafür aber alltägliche Menschen und ihr Schicksal lebendig werden. Dicht erzählt ist sie ein kleines Meisterwerk, das durchaus den Kauf des Buches lohnt.

Die anderen Geschichten sind kurz. Auch hier wird aus der Distanz erzählt und einige wirken deshalb auch etwas zu unterkühlt: Ein trauriger Pianist 1937 in Buenos Aires; eine Braut, die nicht auswandern will, und eine andere Frau, die will, aber keine Braut ist; ein Emigrant und ein junger Stricher. Und ein Brief von 1946, der an das Schicksal all der Russen, Ukrainer und anderer Hilfsvölker erinnert, oft Flüchtlinge der russischen Revolution, Opfer des Stalinismus, die deshalb für Hitler kämpften. Später wurden sie von den Westmächten an Stalin ausgeliefert. Eine Tragödie, die vergessen ist, auch, weil diese Soldaten für ihre Gräueltaten berüchtigt waren. Leider scheitert gerade bei dieser Geschichte der Autor, die Erzählung bleibt blass, der historische Hintergrund wenig glaubwürdig.

So erinnert "Die Braut aus Odessa" an alltägliche Emigrantenschicksale, aber mit Texten sehr unterschiedlicher Qualität.


Titelbild

Edgardo Cozarinsky: Die Braut aus Odessa. Erzählungen.
Übersetzt aus dem Spanischen von Sabine Giersberg.
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2005.
153 Seiten, 17,50 EUR.
ISBN-10: 3803131979

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