Ein Ruf, der getrost überhört werden darf

Frank Breschings Thriller "Der Ruf der Eule"

Von Marcel SturmRSS-Newsfeed neuer Artikel von Marcel Sturm

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Alexander Freisig heißt der Protagonist, und nach eingehender Lektüre von Frank Breschings Werk "Der Ruf der Eule" ist man fast versucht zu sagen, dieser "Thriller" sei genauso banal wie der Name seiner Hauptfigur. Um es direkt vorweg zu nehmen: "Der Ruf der Eule" ist ein Buch, das die Spannung verheißende Verlagsanmerkung Lügen straft. Weder inhaltlich noch erzählerisch hat es etwas zu bieten.

Der Ich-Erzähler Alexander Freisig ist sechzehn Jahre alt und reist im Rahmen eines Schüleraustauschs nach England. Seine Gastgeberfamilie besteht aus Kathryn - sie arbeitet in einem Forschungslabor - und ihren beiden Kindern, den Zwillingen Marc und Patricia. Der Vater ist tot und Kathryn versucht, ihn ins Leben zurückzuholen. Dazu tötet sie Alexander, um ihn wenige Augenblicke später wiederzubeleben. In der Zwischenzeit soll er mit dem Toten Verbindung aufnehmen und ihn ins Leben zurückbringen. Letztlich stirbt aber auch Alexander bei diesem Vorhaben.

Das Buch hat mehr als 240 Seiten, benötigt aber weit über einhundert davon, um überhaupt zu den entscheidenden Wendungen und Weichenstellungen zu gelangen. Selbst das Eulenmotiv ist - auch wenn der Titel einen anderen Anschein erwecken möchte - reichlich unerheblich für die Geschichte, obwohl es permanent beschworen wird. Hinzu kommen zahlreiche schlechte oder banale Vergleiche, die sich im ganzen Buch finden: Die Wahrheit ist zum Beispiel "schmerzhaft wie ein spitzer Stachel, der in unserem Fleisch steckt", Alexanders Neugierde "blähte sich auf wie ein Ballon"; und Kathryns Trauer sitzt "wie ein giftiger Stachel" in ihr, sie ist "zerrissen und leer wie ein Gefäß ohne Inhalt".

Dieses "Wortgeklingel" paart sich mit motivischen Anleihen bei der Gespenster- und Gruselliteratur - zu nennen wären hier etwa die sich selbsttätig öffnende Tür, der Temperaturabfall an jenem Ort, an dem ein Mensch gestorben ist, oder etwa die Geistererscheinung. Sowohl inhaltlich als auch erzählerisch ist eigentlich alles schon einmal da gewesen. "Der Ruf der Eule" bietet also nichts Neues und eigentlich auch nichts Überraschendes.

Das Einzige, was vielleicht doch zu verblüffen vermag, ist die Tatsache, dass der Ich-Erzähler tot ist. Dieser erzähltechnische Kniff verdankt sich letztlich aber nicht etwa einer ausgeklügelten Strategie, sondern vielmehr einem narrativem Probelm. Wie kann ein Toter etwas erzählen? Diese Frage beantwortet Bresching mit einer textimmanenten, vermeintlichen Erklärung eher ungeschickt: "Ich weiß nicht, ob irgendjemand diese Geschichte jemals wahrnehmen wird, dennoch habe ich sie nun erzählt, auf meine Weise." Sonderlich spannend, innovativ oder auch "nur" unterhaltsam ist dieser Einfall allerdings mit Sicherheit nicht.


Titelbild

Frank Bresching: Der Ruf der Eule. Thriller.
Bookspot Verlag, München 2006.
243 Seiten, 9,95 EUR.
ISBN-10: 3937357173

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