Second Source zu Donna Leon

Andreas Isari wagt sich in die italienische Wirtschaftskriminalität

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Volkssport der Italiener ist es Steuern zu hinterziehen, sich merkwürdige Regierungspräsidenten zu wählen, gut zu essen und zu trinken und im Hintergrund immer gut zusammen zu arbeiten. Die Verbindungen zwischen Mafia, Politik und Wirtschaft sind legendär und ein Transalpiner wird sich immer wieder darauf zurückziehen wollen, dass man sowas hier nicht kennt, Russenmafia und Jugobanden hin oder her. Aber Hand aufs Herz: Was im kriminellen Milieu geschieht, das wissen wir Normalbürger in der Regel nicht und können auch am Ende meist froh sein, wenn sich unsere Kenntnisse darauf beschränken, was wir in Krimis lesen und besichtigen.

Jenseits davon aber gibt es eine Form der Wirtschaftskriminalität, die weniger mit mafiösen Strukturen denn mit der Raffgier und der Machtgeilheit der Wirtschaftsbosse zu tun hat. Wer täglich mit Millionen und Milliarden jongliert, verliert vielleicht irgendwann einmal den Boden unter den Füßen. Wenn Bilanzierungstricks wohlfeil sind und die Finanzierung von ökonomischen Eskapaden keine Frage der wirtschaftlichen Vernunft, sondern der Machbarkeit wird, dann kommt schnell der Moment, in dem an die Stelle der wirklichen Geldströme nur noch deren Fiktion zu finden ist. Wenn Konzernbilanzen nicht mehr dazu dienen, ein angemessenes Bild von Unternehmen zu zeigen, sondern lediglich eine Blendfassade darstellen, dann ist der Moment gekommen, in dem die großen Unternehmensgründer kriminell geworden sind. Ob sie vielleicht selber Opfer ihrer eigenen Fiktionen geworden sind oder irgendwann einfach nicht mehr zurück konnten, ist dann fast schon gleichgültig.

Andrea Isari hat für den dritten Fall ihrer rothaarigen römischen Kommissarin den Fall Parmalat zum Vorbild genommen. Der italienische Konzern ist vor einigen Jahren mit großem Getöse in sich zusammengestürzt, Opfer von Scheinoperationen und Scheingeschäften, wie sie zuvor bereits von den Fällen Enron oder Worldcom bekannt geworden sind. Hier steht freilich, anders als im wirklichen Leben, wo alles nur einfach irgendwann auffliegt, ein Toter am Beginn der Geschichte, von dem niemand so genau weiß, warum er das Leben lassen musste. Ein zweiter folgt wenig später. Beide Opfer sind mit dem Konzern Romapa verbunden, dessen Aktie als Volksaktie gehandelt wird. Beinahe jeder im Roman hat Aktien dieses Konzerns, die über Nacht ihren Wert verlieren. Erst vier Milliarden, schließlich 15 Milliarden fehlen dem Konzern auf einmal an liquiden Mitteln. Die unglaubliche Erfolgsgeschichte des Konzerns ist das Ergebnis einer unglaublich raffinierten und komplizierten Transaktionsstruktur, mit der Geld, das es nicht gibt, verschoben wird.

Was aber hat nun der Tote in der Via Volterra damit zu tun? Als Wirtschaftsprüfer des Konzerns eine ganze Menge. Wusste er zuviel? Hat er gedroht auszusteigen? Wurde er erpresst? Dass er schwul war, war ein offenes Geheimnis. Der junge Mann, der Zeuge des Mordes ist und der anscheinend die Nacht mit ihm verbracht hat, flieht jedenfalls. Möglicherweise liegen die Motive auch ganz woanders.

Andrea Isari strickt an einem einigermaßen komplexen Plot herum, legt Fährten, die sich in Nichts auflösen, verschärft das Tempo, als mit dem Krach bei Romapa das ganze politische und wirtschaftliche Establishment in Gefahr gerät.

Natürlich erfährt man trotzdem eine Menge aus ihrem Leben, von ihren beiden Kindern, die nach Spanien zum Vater reisen, von ihrem Geliebten, der von seiner Mutter auf die Straße gesetzt wird, von ihren Problemen, die damit zusammenhängen, dass sie nicht wirklich weiß, ob sie wieder mit einem Mann zusammenleben will, von den Lokalen, die Paolo und Leda gemeinsam besuchen und deren Qualität sich offensichtlich danach bemisst, ob die Kellner wissen, woher der Hauswein kommt. Anscheinend kann man aber die römische Polizei um ihre Kantine nur beneiden. Es riecht da zwar angeblich sehr auftragend, aber das Essen ist immer gut, gibt uns die Erzählerin bekannt. Das wäre in der Tat die erste Kantine, von der sich so etwas sagen ließe. Aber ob man dafür gleich Polizist in Rom werden muss?

Vielleicht probiert man vorher doch lieber erst einmal die normalen Lokale aus, die man als Tourist findet. Manchmal ist es eben besser, irgendwo fremd zu sein. Und manchmal wäre es gerade für die italienischen Krimis deutlich besser, wenn sie auf ihre beiläufige und selbst auferlegte Aufgabe als Zweitfremdenführer, kulinarische Aufklärungsschrift und ethnologische Studie über die Sitten und Gebräuche der Menschen südlich der Alpen verzichten würden. Zieht man das nämlich ab und verzichtet auch noch auf ein paar Ungeschicktheiten bei der Konstruktion des Wirtschaftsskandals Romapa, dann bleibt von Isaris Roman am Ende nicht wirklich viel. Isari begnügt sich, wenn man so will, damit, eine Art Second Source zu Donna Leon zu sein. Damit lässt sich vielleicht ganz gut Geld verdienen und damit ist es legitim genug. Aber ein gutes Buch, auch ein guter Krimi wird deshalb nicht daraus.


Titelbild

Andrea Isari: Letzter Tanz am Tiber. Leda Giallos dritter Fall.
Piper Verlag, München 2006.
300 Seiten, 7,95 EUR.
ISBN-10: 3492246400

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