Neues Standardwerk der Fontane-Forschung
Wolfgang Raschs monumentale Fontane-Bibliografie
Von Horst Schmidt
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseObwohl kaum ein anderer namhafter deutscher Autor des 19. Jahrhunderts ein ähnlich umfangreiches journalistisches und literarisches Werk vorgelegt hat und ähnlich breit rezipiert worden ist wie Theodor Fontane (1819-1898), lag bislang noch keine umfassende, wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Personalbibliografie zu Fontane vor, die einen möglichst vollständigen Gesamtüberblick über sein Werk, seine Rezeption und vor allem die kaum noch überschaubare Forschungsliteratur in Sachen Fontane geboten hätte. Eine umfassende Fontane-Bibliografie war seit Jahrzehnten ein vordringliches Desiderat der Literaturwissenschaft.
Endlich kann jedoch Entwarnung gegeben werden, alle passionierten Fontane-Leser und vor allem die Fontane-Forscher können aufatmen. Der Germanist Wolfgang Rasch, ein einschlägig ausgewiesener Fontane-Experte und Spezialist für Personalbibliografien zur deutschen Literatur (von Rasch stammen zum Beispiel umfassende, als Standardwerke geltende Personalbibliografien zu Georg Weerth und Peter Rühmkorf) hat nach jahrelangen Vorarbeiten in Verbindung mit der Humboldt-Universität zu Berlin und dem Theodor-Fontane-Archiv Potsdam beim Verlag Walter de Gruyter eine lang erwartete dreibändige, insgesamt 2747 Seiten umfassende "Theodor Fontane Bibliographie" vorgelegt, die - herausgegeben von Ernst Osterkamp und Hanna Delf von Wolzogen - das Werk von und die Forschung zu Fontane für den Zeitraum von 1839, als im "Berliner Figaro" Fontanes erste Veröffentlichung erschien, die Erzählung "Geschwisterliebe", bis in die unmittelbare Gegenwart hinein bibliografisch erschließt.
Als für die Fontane-Forschung unverzichtbares Referenzwerk wird die mit einem Ladenpreis von 398 Euro für Privatleute leider wohl kaum erschwingliche "Fontane-Bibliographie" von Rasch in Zukunft sicher unschätzbare Hilfsdienste leisten. Wer gezielt nach bestimmter Literatur von oder über Fontane sucht, wird sie in der "Fontane-Bibliographie" verzeichnet finden und steht nicht mehr vor den, allen Fontane-Forschern seit Generationen bereits bekannten, bibliografischen Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten. Das "weite Feld" Fontane ist mit Raschs nicht genug zu lobender Literatur-Recherche endlich bibliografisch bestellt.
Die Material-Grundlage für die Fontane-Bibliografie lieferte in erster Linie die Buch-, Zeitschriften- und Zeitungsausschnittssammlung des Fontane-Archivs in Potsdam. Hinzu kamen systematische Recherchen in mehreren Bibliotheken und Zeitungsarchiven. Die Basis der nun als Buchausgabe vorliegenden Bibliografie ist eine umfangreiche elektronische Datenbank zu Fontane, die von Rasch und seinem mehrköpfigen Mitarbeiter-Team in jahrelanger Arbeit und in mehreren aufeinander aufbauenden Schritten erstellt wurde.
Die Fontane-Bibliografie verzeichnet insgesamt rund 14.000 Titel, etwa 5.500 Titel entfallen auf die Primärliteratur, an Sekundärliteratur werden rund 8.500 Titel aufgelistet. Etwa 300 journalistische Arbeiten Fontanes, die ihm erst jetzt mit Sicherheit zugeschrieben werden können, werden in der Bibliografie erstmals aufgeführt. Mehr als 2.600 Einzelveröffentlichungen Fontanes in Tageszeitungen und Zeitschriften weist die Bibliografie alleine zu Fontanes Lebenszeit nach. Die Beschäftigung mit dem Publizisten und Journalisten Fontane dürfte durch die mit der Publikation Raschs gegebene neue bibliografische Basis in Zukunft stärker als bisher in den Fokus der Fontane-Forschung rücken.
Der erste Band von Raschs Bibliografie verzeichnet auf über 1.000 Seiten die Fontane-Primärliteratur. Darunter nicht nur die zu Lebzeiten und postum erschienenen selbständigen Publikationen und die Veröffentlichungen in Zeitschriften, Zeitungen, Sammelwerken und Anthologien, sondern unter anderem auch Privatdrucke, Übersetzungen sowie auf Tonträgern erschienene Werke und digitale Editionen.
Die Bände zwei und drei verzeichnen die Sekundärliteratur zu Fontane. Aufgelistet wird hierbei nicht nur die Literatur zu Leben und Werk Fontanes, sondern auch die Literatur zu seiner Wirkungsgeschichte, zum Beispiel Titel wie "Fontane und sein Schaffen im künstlerischen Werk anderer" oder Randthemen wie "Fontane auf Münzen und Briefmarken" oder "Fontanes Name als Patent" sowie die Literatur zur Fontaneforschung.
Abgerundet wird die auch optisch sehr ansprechend aufgemachte Fontane-Bibliografie durch acht verschiedene Register, die das Arbeiten und das gezielte Suchen nach bestimmten Themen, Sachen oder Personen auch für im Umgang mit Bibliografien weniger Versierte so einfach wie möglich machen.
Auf ein Verzeichnis der vielen (und in ihrer Gänze nur in wahrer Sisyphos-Arbeit zu bibliografierenden) im Internet abrufbaren Texte von und über Fontane verzichtet die Bibliografie leider. Hier ist der Fontane-Forscher vorerst also noch auf eigene Internet-Recherchen angewiesen. Für alle anderen bibliografischen Fragen zu Fontane ist Wolfgang Raschs "Theodor Fontane Bibliographie" nunmehr das maßgebliche Referenzwerk. Das monumentale dreibändige Werk ist nicht mehr und nicht weniger als ein neues, unverzichtbares Standardwerk der Fontane-Forschung.
|
||